Die Nordreportage: Europas letzter Heringszaun

Montag, 24. Oktober 2022, 05:25 bis 05:55 Uhr

Seit fast 600 Jahren wird an der Schlei versucht, mit sogenannten Heringszäunen den begehrten Fisch im Frühjahr in die Falle zu locken. Doch der letzte Heringszaun Europas in Kappeln ist schon lange marode, von Bohrmuscheln zerfressen, von Eisgang und Stürmen zerschmettert. Seit 2013 plant die Stadt deshalb eine Runderneuerung. Fehlende Finanzmittel, ein aufwendiges Genehmigungsverfahren, Auflagen von Denkmalund Naturschutz, steigende Preise und die europaweite Ausschreibung führten dazu, dass erst im Februar 2021 mit dem Bau begonnen werden konnte.

Doch damit fangen die Probleme erst an: Denn fast niemand weiß heute mehr, wie so ein Heringszaun nach historischem Vorbild genau gebaut wird. Ein Anwohner ist der Letzte mit diesem Wissen, denn die Familie von Peter Grieve war bis 1952 Pächterin des sogenannten "Ellenberger Heringszauns". Eingemeindet in die Stadt Kappeln auf der anderen Schleiseite wurde das Dorf erst viel später, das ist dem Hobbyforscher wichtig. Fast täglich überwacht er mit kritischem Blick den Neubau. Denn statt schlanker Eschenstämme aus der Region wie in seiner Jugend werden jetzt dreimal so dicke Eukalyptuspfähle aus Südafrika in den Schleigrund gerammt, die bieten der gefräßigen Bohrmuschel mehr Widerstand. Und statt langer Haselnussstangen werden dazwischen jetzt Weidenruten geflochten. Ein Stilbruch, kritisiert er: "Mit dem historischen Heringszaun hat das nicht mehr viel zu tun!"

Die Baufirmen dagegen haben vor allem mit dem Flachwasser am Ellenberger Schleiufer zu kämpfen. Ein Schwimmponton mit schwerem Baugerät kommt am ersten Tag gar nicht heran an den Bauplatz. Zu viel Tiefgang.

Autor/in
Mario Göhring
Produktionsleiter/in
Frederik Keunecke
Redaktion
Sven Nielsen
Leitung der Sendung
Norbert Lorentzen