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Dürre im Norden: Wie gefährdet ist das Land?

Montag, 08. Juni 2020, 22:00 bis 22:45 Uhr

Die Böden von Feldern, Weiden und Wäldern sind größtenteils ausgetrocknet. Zwar gab es im Februar teilweise starke Niederschläge, doch der April war der trockenste seit Beginn der Aufzeichnungen 1881. "Die Lage ist verzweifelt", sagt Nico Nommsen, Milchbauer auf der Nordseeinsel Pellworm. Seine einzige Hoffnung: Regen. Danach sehnen sich in diesem Frühjahr sämtliche Land- und Forstwirte im Norden.

"Extreme Dürre" zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für zahlreiche Regionen in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern an. Für einige Regionen, vor allem im Osten, trifft bereits die höchste Stufe zu: "Außergewöhnliche Dürre". Bauern und Förster sind alarmiert. Nach dem extrem trockenen Sommer 2018 und dem Hitzerekordjahr 2019 fürchten sie ein neues Jahr der Extreme: mit fatalen Folgen für Land- und Forstwirtschaft.

Zu wenig Gras aufgrund der Dürre

Trockenfutter statt frisches Gras. Wenn es nicht bald regnet, muss Landwirt Nico Nommsen seine Milchkühe verkaufen. © NDR/Ute Jurkovics
Trockenfutter statt frisches Gras. Wenn es nicht bald regnet, muss Landwirt Nico Nommsen seine Milchkühe verkaufen.

Eigentlich sollten Nico Nommsens Milchkühe längst auf der Weide grasen, stattdessen stehen sie unruhig im Stall. Das Gras wächst zu spärlich. "Der erste Wiesenschnitt ist komplett ausgefallen", sagt Nommsen. Weil das Futter knapp wird, hat er die ersten Mastbullen schon vor der Schlachtreife verkauft. Der Landwirt steckt in Schwierigkeiten wie schon im Sommer 2018, als draußen alles vertrocknet war. Damals wusste er nicht, wie er die Tiere über den Winter bringen soll, jetzt weiß er nicht, ob sie den Sommer überhaupt erleben.

Auch die Wiesen und Felder von Stefan Puls, Biolandwirt im Kreis Mecklenburgische Seenplatte, leiden unter der Trockenheit. Auf 400 Hektar Land baut Puls Winter- und Sommerroggen, Ackerkleegras, Braugerste und Hafer an. 600 Hektar sind Weideland für seine Rinder. Die sandigen, leichten Böden speichern kaum Wasser. Bisher wächst kein Gras, das die Rinder fressen könnten. Und das angebaute Kleegras ist bereits vertrocknet. Beregnen, erklärt Puls, sei keine Option. Der Grundwasserstand liegt zu tief. Und aus den Naturseen darf kein Wasser entnommen werden. Im vergangenen Jahr habe er schon einen Totalausfall der Ernte wegen Trockenheit gehabt. Die Aussichten für dieses Jahr? Laut Puls düster. "Selbst wenn es demnächst regnet, sind meine Erträge halbiert."

Katastrophale Auswirkungen für die Wälder

Noch schlimmer als der Landwirtschaft setzen die Folgen des Klimawandels, Hitzerekorde, schwere Stürme und lange Trockenperioden, den Wäldern zu. Die Waldbrandgefahr im Harz, in der Heide und den lauenburgischen Wäldern steigt. Und nicht nur den Fichten, denen der Borkenkäfer den Garaus macht, geht es schlecht.

Der Waldzustandsbericht des Thünen-Instituts von 2019 zeigt: Auch Eichen und Buchen leiden dramatisch unter dem Wassermangel. Insgesamt haben 36 Prozent der Laub- und Nadelbäume keine dichte Krone mehr. Das ist der schlechteste Wert seit Beginn der Erhebungen vor 35 Jahren. 180.000 Hektar Wald sind bereits abgestorben. Ein Prozess, der sich auch in diesem Jahr fortsetzen wird, ganz gleich, ob es noch viel regnet oder nicht. Die Trockenschäden zeigen sich verzögert und sind in wenigen Monaten nicht zu beheben.

Trockene Wälder: Leichtes Spiel für Schädlinge

Wassermangel und milde Winter wie in diesem Jahr führen zudem dazu, dass sich Schädlinge stark vermehren. Gesunde Bäume wehren sich gegen Pilze und andere Feinde, indem sie Harz ausbilden. "Aber durch die Trockenheit ist die Verharzung nicht möglich, sodass sich dann die Schädlinge richtig ausbreiten können", sagt Dr. Andreas Marx, Leiter des Klimabüros am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. In der Klimainitiative des Instituts arbeiten Wissenschaftler an einem Konzept, wie Emissionen beschränkt werden können, die den Klimawandel befeuern, und entwickeln Anpassungsstrategien für Land- und Forstwirtschaft.

Wie stellen sich Landwirte, Förster, die Menschen im Norden auf wiederkehrende Dürren und lange Hitzeperioden ein? Was bedeuten die extremen Wetterlagen für alle? Die NDR Reporterin Ute Jurkovics zeigt, wie Norddeutschland sich infolge der Klimakrise jetzt schon wandelt.

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Redaktionsleiter/in
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Redaktion
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Autor/in
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