Emden geht nach USA (Folge 1)

Abbauen, Abbauen

Montag, 30. Oktober 2023, 00:55 bis 01:55 Uhr

Ostfriesland im Sommer 1975. Wichtigster Arbeitgeber der Region ist das VW-Werk in Emden. Dort werden Autos für die USA produziert. Doch die Automobilindustrie steckt in der Krise. Es gibt Entlassungen und Aufhebungsverträge. Dann will der VW-Konzern in den USA ein Zweigwerk errichten. Es drohen Massenentlassungen. Die dreiteilge Dokumentarfilmserie "Emden geht nach USA" beobachtet die Reaktionen der Arbeiter auf diese Bedrohung und ihre Überlegungen, wie man sich gegen einen Abbau der Produktion wehren könnte.

Vom filmischen Einzelporträt zum vielschichtigen Konfliktbild

Klaus Wildenhahn (Drehbuch und Regie) und Kamerafrau Gisela Tuchtenhagen (Drehbuch und Kamera) legen im ersten Teil der Serie den Fokus auf Ferdinand Dirks, ein Vertrauensmann der IG-Metall. Dirks, verheiratet, sechs Kinder, war früher Maurer und hatte im Ruhrgebiet Arbeit suchen müssen, weil es in Ostfriesland keine Perspektiven gab. Erst als 1964 das VW-Werk in Emden gebaut wurde, kam er zurück. Bei den Dreharbeiten ist er seit vier Jahren dort sogenannter Vertrauenskörperleiter.

Was zunächst als filmisches Einzelporträt beginnt, öffnen Wildenhahn und Tuchtenhagen schließlich, um dem Ringen aller Beteiligten Raum zu geben. So rückten die Rolle der Gewerkschaftsführung in den Fokus sowie die teils konfliktreichen Diskussionen in der Belegschaft. Denn die Lage ist bedrohlich, berufliche Alternativen gab es in Ostfriesland damals nur wenige.

Die beiden Filmemacher durften bei den Gesprächen zwischen Belegschaft und Funktionären der IG Metall mit der Kamera dabei sein. Ihre Abmachung mit dem VW-Konzern: Sie filmen ausschließlich auf dem Territorium des Betriebsrates, aber nicht an den Bändern oder irgendwelche anderen Arbeitsabläufe.

"Emden geht nach USA" war zur Zeit seiner Veröffentlichung umstritten. Dem mehrstündigen Film wurde "Agitation" und "Einseitigkeit" vorgeworfen, wie Thomas Bräutigam in seinem Buch "Klassiker des deutschsprachigen Dokumentarfilms" schreibt.

Adolf-Grimme-Preis

Die Jury des Adolf-Grimme-Preises, mit dem der erste Teil ausgezeichnet wurde, sieht in "Emden geht nach USA" eine progressive Art der Fernsehgestaltung: "In langen einprägsamen Sequenzen kommen die Menschen in ihrer eigenen Umwelt, und nicht zu Objekten einer allzu hektischen Fernsehreportage degradiert, zu Wort. Diese Art, sozialdokumentarisch zu arbeiten, lässt die Arbeit des Dokumentarfilmers Wildenhahn fast als alternatives Fernsehmachen erscheinen."

Autor/in
Klaus Wildenhahn
Regie
Klaus Wildenhahn
Kamera
Gisela Tuchtenhagen
Schnitt
Beate Hugk
Redaktion
Horst Königstein
Produktionsleiter/in
Claus Trollmann
Redaktion
Timo Großpietsch