Die Akte Lindenberg - Udo und die DDR

Sonntag, 22. Oktober 2023, 01:45 bis 02:45 Uhr

Acht Jahre lang kämpfte Udo Lindenberg dafür, ein Konzert in der DDR geben zu dürfen. Am 25. Oktober 1983 stand er schließlich auf der Bühne im Palast der Republik.

Reinhold Beckmann und Udo Lindenberg auf dem Weg zum Konzert im Palast der Republik in Ostberlin. © NDR/WDR/beckground tv
Reinhold Beckmann und Udo Lindenberg auf dem Weg zum Konzert im Palast der Republik in Ostberlin.

Reinhold Beckmann, der Udo Lindenberg damals als Tonassistent eines ARD-Kamerateams nach Ostberlin begleitete, und Falko Korth erzählen in ihrer Dokumentation dieses Stück deutschdeutsche Geschichte. Anhand der Stasiakten über Lindenberg rekonstruieren sie die ganze, damals unbekannte Geschichte rund um den berühmten Auftritt in Ostberlin.

Dem tristen sozialistischen Alltag mit Udo-Liedern entfliehen

Als Udo Lindenberg 1975 seinen Song "Rock-Arena in Jena" veröffentlichte und darin von einem Rockkonzert in der DDR träumte, ahnten die Funktionäre im Osten bereits, dass dieser "Panik-Rocker" ihnen mit seinen Liedern das Leben schwer machen würde. Die Staatssicherheit protokollierte bereits penibel. Seit drei Jahren existierte seinerzeit schon eine "Akte Lindenberg": jede Ein- und Ausreise wurde registriert, jede Äußerung wurde festgehalten.

Nachgestellte Szene aus "Die Akte Lindenberg": Brief Lindenbergs an Honecker aus dem August 1983. Formuliert hat ihn Udos Berater Michel Gaißmayer, getippt dessen Freundin Kristina Eriksson. © NDR/beckground tv
Nachgestellte Szene aus "Die Akte Lindenberg": Brief Lindenbergs an Honecker aus dem August 1983. Formuliert hat ihn Udos Berater Michel Gaißmayer, getippt dessen Freundin Kristina Eriksson.

Die Lindenberg-Fangemeinde im Osten wurde jedoch stetig größer. Eine ganze Generation Jugendlicher wuchs heran, die dem tristen sozialistischen Alltag mit Udo-Liedern entfliehen wollte. Für die allermeisten SED-Genossen war und blieb ein Auftritt des Weststars undenkbar.

Als Udo Lindenberg Anfang 1983 das Lied "Sonderzug nach Pankow" veröffentlichte, schien jede Chance auf einen Auftritt in der DDR endgültig dahin. Dieses Lied, das sich direkt an den Generalsekretär Erich Honecker richtete, empfanden viele Genossen als Beleidigung und Verhöhnung. Doch Lindenberg ließ nicht locker. Er wusste, dass sich die Zeiten geändert hatten. Angesichts der Anfang der 1980er-Jahre aufkommenden Friedensbewegung, dem anhaltenden Protest gegen die Stationierung von Atomraketen in West und Ost, war politisch vieles in Bewegung geraten. Dass sich Lindenberg in der westdeutschen Friedensbewegung engagierte, machte den "Panik-Rocker" nun auch für die Kulturfunktionäre der DDR interessant.

Denkwürdiger Auftritt im Palast der Republik

Reinhold Beckmann und Udo Lindenberg während der Reise nach Ostberlin auf einem Foto der Staatssicherheit © NDR/BStU/beckground tv
Reinhold Beckmann und Udo Lindenberg während der Reise nach Ostberlin auf einem Foto der Staatssicherheit

Tatsächlich eröffnete sich im Sommer 1983 eine Möglichkeit, mit den sonst so starrköpfigen SED-Genossen ins Gespräch zu kommen. FDJ-Chef Egon Krenz lud Udo Lindenberg ein, im Rahmen eines FDJ-Friedenskonzertes mit Künstlern aus aller Welt im Palast der Republik in Ostberlin vier seiner Lieder zu spielen. Lindenberg knüpfte eine Zusage an die Bedingung, ihm im Gegenzug eine Tournee durch die DDR zu gewähren. Hinter den Kulissen der Öffentlichkeit begann ein kurzer Verhandlungsmarathon, bis man sich schließlich einig war: Udo bekommt seine DDR-Tournee, Krenz dafür Lindenberg im Palast der Republik. So kam es am 25. Oktober 1983 zu jenem denkwürdigen Auftritt Lindenbergs vor ausgesuchtem FDJPublikum.

Die wahren Udo-Fans harrten unterdessen zu Hunderten vor dem Palast der Republik aus. Nur für einen kurzen Moment entschlüpfte Udo seinen Aufpassern und nahm ein Bad in der jubelnden Menge. Die Staatssicherheit war, zusammen mit FDJOrdnungsgruppen, mit einem Großaufgebot vor Ort. Später kam es zu tumultartigen Szenen, die Fans wurden zurückgedrängt, teilweise verhaftet, zusammengeschlagen. Udo Lindenberg erfuhr erst viel später, nach dem Fall der Mauer, von dem wahren Ausmaß der Stasiüberwachung und Übergriffe.

Es blieb sein einziger Auftritt in der DDR. Die durch die Kulturfunktionäre zugesicherte Lindenberg-Tournee kam nie zustande.

Porträt
Szene mit Udo Lindenbeg mit Hut und langem Mantel im Flur des Hotel Atlantic ARD/NDR TATORT: ALLES KOMMT ZURÜCK, am Sonntag (26.12.21) um 20:15 Uhr im ERSTEN © NDR / Frizzi Kurkhaus Foto: Frizzi Kurkhaus

Udo Lindenberg: Ein Mann, zwei Karrieren

Der Hut, die Sonnenbrille und das Nuscheln sind seine Markenzeichen. Im Jahr 2022 wurde Lindenberg Hamburger Ehrenbürger. mehr

Autor/in
Reinhold Beckmann
Falko Korth
Redaktion
Carola Meyer
Produktionsleiter/in
Eva-Maria Wittke
Regie
Falko Korth