Die Siedler der Westbank

Mittwoch, 06. September 2023, 01:30 bis 03:15 Uhr

Seit Israels entscheidendem Sieg im Sechstagekrieg im Jahr 1967 haben sich Hunderttausende israelischer Bürger in den besetzten Gebieten des Westjordanlandes angesiedelt. Der Dokumentarfilm zeigt ungewöhnliche Einblicke in das Leben der Pioniere der Siedlerbewegung und einer schillernden Gruppe von jungen radikalen Siedlern. Es ist eine eindringliche Betrachtung der umstrittenen Bewegung, die gewaltigen Einfluss auf die Zukunft der Schicksalsgemeinschaft von Israel und Palästina hat.

Baumpflanzen im Außenposten © NDR/Les Films du Poisson
Ein junger Siedler pflanzt einen Baum.

Wenn der Kampf zwischen Israel und den Palästinensern wirklich das Herz des Nahostkonfliktes ist, dann wird die Zukunft der israelischen Siedlungen im Westjordanland das Schicksal der Region dramatisch beeinflussen. Obwohl zwischen 1948 und 1967 fast keine Juden im historischen Kernland von Judäa und Samaria lebten, nennen es heute etwa 400.000 jüdische Siedler ihre Heimat. Und die Bevölkerung dort wächst dreimal so schnell wie im Rest von Israel.

Wer sind diese Siedler, die weltweit als eines der entscheidenden Hindernisse für den Frieden in der Region angesehen werden? Wie sind sie in das umstrittene Gebiet gekommen, wie konnten sie ihre Häuser inmitten der ihnen feindlich gesinnten Bevölkerung bauen und warum weichen sie nicht, trotz aller Terrorgefahr?

Historische und ideologische Beweggründe

Der Dokumentarfilm "Die Siedler der Westbank" aus dem Jahre 2016 bietet packende Einblicke in das Phänomen der Siedlerbewegung: von den Ursprüngen kurz vor dem Sechstagekrieg bis heute. Sehr wenig ist bislang über die historischen und ideologischen Kräfte bekannt, die zur Gründung der ersten versprengten Siedlungen führten, die über die Jahre zu Ortschaften und Städten anwuchsen. Bekannt ist dagegen, was diese Entwicklung für den Friedensprozess bedeutet. Doch kaum jemand weiß, wer diese Siedler eigentlich sind: eine Gemeinschaft, fast so unterschiedlich in Ansichten, Herkunft, Ideologien und sozioökonomischem Status wie die israelische Gesellschaft selbst.

Zugang zu einer verschlossenen Welt

Mit beispiellosen Zugängen zu den Siedlungen und den Siedlern gelingen Regisseur Shimon Dotan Einsichten in eine verschlossene Welt, die die Siedler sich im Herzen des jahrhundertealten Konfliktes geschaffen haben. Dotan analysiert die verschiedenen Phasen der Siedleraktivitäten und die zugrunde liegenden Motive - vom messianischen Eifer unmittelbar nach Ende des Sechstagekrieges über den ideologisch motivierten Siedlungsbau auf den Hügeln im Herzen des Westjordanlandes nach dem Jom-Kippur-Krieg bis hin zu den unpolitischen Wirtschaftssiedlern auf der Suche nach besserer Lebensqualität fernab der dicht besiedelten Küstenstädte Israels.

Immer wieder gewalttätige Konfrontationen

Führende Köpfe der Bewegung erzählen Shimon Dotan von ihrer Radikalisierung nach den Verträgen von Oslo. Die Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin durch einen radikalen Anhänger der Siedlerbewegung trug wesentlich zum Scheitern des Friedensprozesses bei. Heute brechen Gruppen wie die Hilltop Youth immer wieder das Gesetz und gründen neue illegale Outposts. Allzu oft bleiben die Behörden tatenlos und schauen weg, um sich nicht mit dem "eigenen Fleisch und Blut" auf eine gewalttätige Konfrontation einzulassen.

Der Einfluss der Siedler auf die israelische Regierung

Dotan spricht mit Siedlern und mit Experten der Siedlerproblematik und wägt ab, welche Auswirkungen dieses politische Phänomen auf den jüdischen Staat hat. Der Regisseur ist überzeugt, dass Israel vor der existenziellen Entscheidung steht, ob es eine Demokratie mit jüdischer Bevölkerungsmehrheit sein will oder sich vom Gedanken der Demokratie verabschiedet, um die Kontrolle über das Land der Bibel mit der Bevölkerungsmehrheit der Palästinenser zu behalten.

Die Übermacht der Religiösen im politisch einflussreichen Block der Siedler hat das Verhältnis von Synagoge und Staat zu deren Gunsten neu definiert. Aber Religion ist nur ein Faktor im Verhältnis zwischen Siedlern und der israelischen Regierung. Der Dokumentarfilm "Die Siedler der Westbank" zeigt auf, wie eine kleine, aber stimmgewaltige Minderheit innerhalb der Siedlerbewegung einen unverhältnismäßigen Einfluss auf die politischen, militärischen und juristischen Instanzen des Staates hat.

In einer umfassenden Verknüpfung von Geschichte mit aktuellen Schlagzeilen beleuchtet dieser Dokumentarfilm Schlüsselfaktoren der gegenseitigen Abhängigkeit der Siedler und der israelischen Regierung und der andauernden Besetzung des Westjordanlandes - damals und heute. Regisseur Shimon Dotan gelingt ein intimer und einmaliger Einblick in Leben und Denken der Siedler, die den Sturm entfesselt haben, bis heute willentlich im Auge des Sturms leben und gleichzeitig vom Staat Schutz einfordern. Erstmalig gelingt in diesem eindrucksvollen Dokumentarfilm ein eindrucksvoller differenzierter Blick, der die Zuschauerinnen und Zuschauer verstehen lässt, warum es politisch so schwer ist, eine Lösung für diesen gefährlichen Konflikt zu finden und umzusetzen.

Redaktion
Barbara Biemann
Regie
Shimon Dotan
Producer
Estelle Fialon
Yonathan Roch
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