Vertell-Gewinner: Jury zeichnet beste plattdeutsche Geschichten aus
Nach zwei virtuellen Preisverleihungen sind sich Schauspieler, Musiker, Autoren und Zuschauer wieder direkt im Ohnsorg-Theater begegnet - zum 34. plattdeutschen Schreibwettbewerb "Vertell doch mal". Ausgezeichnet wurden Wolfgang Krischke und Heiko Thomsen aus Hamburg, Holger Wittschen aus Niedersachsen sowie Martha-Luise Lessing und Regine Wroblewski aus Schleswig-Holstein.
Großes Hallo am Eingang zum Ohnsorg-Theater am Heidi-Kabel-Platz 1: Viele Autoren und Gäste aus der Norddeutschen Plattdeutschszene hatten sich mehr als zwei Jahre nicht gesehen und es gab viel zu beschnacken. Mittendrin erheiterte Klappmuul Werner Momsen die gespannten Besucher mit locker flockigen Sprüchen auf.
Thema: "Op dat Leven!"
Rund 1.300 Geschichten auf Plattdeutsch gingen beim NDR und bei Radio Bremen zum Schreibwettbewerb "Vertell doch mal" ein. Das Thema in diesem Jahr: "Op dat Leven!“. Eine Fach-Jury wählte die fünf besten Geschichten und die Gewinnerin des Ü18-Jugendpreises (Ünner 18) aus. Heute trugen in einer Gala im Hamburger Ohnsorg-Theater Schauspielerinnen und Schauspieler des Hauses die besten Geschichten vor. Die Geehrten erhielten Preise im Wert von insgesamt mehr als 5.000 Euro.
Ilka Brüggemann moderiert
Mit dabei waren zwei Mitglieder der Band Santiano, die in diesem Jahr Botschafter des Wettbewerbs waren: Hans-Timm "Timsen" Hinrichsen trat mit seinem Song "Mien Land" auf, und Axel Stosberg trug eine der Siegergeschichten vor. Moderiert wurde die Gala von NDR Plattdeutsch Redakteurin Ilka Brüggemann. Die 26 besten Geschichten von 2022 erscheinen in dem diesjährigen "Vertell doch mal!"-Buch.
Hamburger auf den ersten zwei Plätzen
Die Jury war sich schnell einig: Der erste Preis von "Vertell doch mal" 2022 ging an Wolfgang Krischke. In seiner Geschichte "Doden Winkel" spielt er mit dem bekannten Erzählmotiv des Besuchs des Sensenmanns. Er schaffe es jedoch, es neu und sprachgewandt zu erzählen, so die Jury. Sie hebt dabei besonders die "gelungene Verbindung" von Humor und Sentiment hervor. Die Erwartungen, die das Motto "Op dat Leven!" weckt, werden demnach uneingeschränkt erfüllt.
Zweiter Platz für Heiko Thomsen
Heiko Thomsen, auf Platz Zwei, ebenfalls Hamburger, überraschte die die Leser- und Hörerinnen mit einem Vexierspiel. In seinem Stück "Wi mööt hier rut!" reiht er über eine lange Zeit genussvoll eine klischeehafte Klage über angeblich ungerechtfertigte Schutzmaßnahmen aneinander. Erst am Schluss wird klar, dass es sich um das genaue Gegenteil handelt.
Plattdeutsche Geschichte über kranken Jungen
Holger Wittschen beschreibt in seiner Geschichte "Levenswunner" eindrücklich das Leben eines schwer nierenkranken Jungen, der nur ein sehr eingeschränktes Leben führen kann. Er wartet 'op dat Leven' in Form einer Spenderniere und wünscht sich, wieder unbeschwert Fußball spielen zu können. Holger Wittschen, so heißt es in der Jurybegründung, habe eine Geschichte der Hoffnung geschrieben, die den Lesern und Leserinnen jeden Alters Mut mache und zuversichtlich in die Zukunft blicken lasse. Dafür sprach ihm die Jury den 3. Preis bei "Vertell doch mal 2022" zu.
Vierter Platz an Schleswig-Holsteinerin
Über den vierten Preis freute sich Martha-Luise Lessing aus Trappenkamp in Schleswig-Holstein mit der Geschichte "1962 (Negenteihn-hunnert-twee-un-sösstig)". Bildreich und spannend wird darin die Entwicklung eines Helden erzählt, der, in der Not einer Sturmflut, eine unerwartete und ungewöhnliche Partnerschaft eingeht und über sich hinaus wächst.
Geburt aus der Sicht eines Geborenen
Auf den fünften Platz schließlich kam Regine Wroblewski, die ebenfalls in Schleswig-Holstein lebt. In der Situation, in die uns die Autorin mitnimmt, deutet alles auf ein spannendes, gefährliches Abenteuer hin. Erst im letzten Viertel der Geschichte wird klar, dass wir mit ihr einen beschwerlichen Weg nachvollziehen, den wir alle als unsere Geburt kennen gelernt haben. Ein fantasievolles Spiel mit Seh- und Lesegewohnheiten.
Nachwuchs in der Platt-Szene
Erneut gab es auch einen Ü 18-Preis, eine besondere Würdigung für ganz junge plattdeutsche Schriftstellerinnen und Schriftsteller. In diesem Jahr ging er an Ronja Sievertsen aus Viöl (Kreis Nordfriesland) für "Dat Leven fangt erst richtig an". In ihrer Geschichte beschreibt die Schülerin anschaulich und stellvertretend für viele Jugendliche aus ihrer Generation, welche Auswirkungen Corona auf ihr Leben hatte. Die Nordfriesin spielt nicht nur bei der mehrfach ausgezeichneten plattdeutschen Theatergruppe "Junge Lüüd ut Löwenstedt" mit, sondern engagiert sich darüber hinaus bei der Freiwilligen Feuerwehr.