György Kurtág: "Kafka-Fragmente" mit Gringolts & Vargas
Vierzig "Kafka-Fragmente", dargeboten von einem Sopran und einer Violine - das komplexe Werk von György Kurtágs sucht seinesgleichen. Am 9. Dezember ist es mit Johanna Vargas und Ilya Gringolts im Kleinen Saal der Elbphilharmonie zu erleben.
György Kurtág: Kafka total

György Kurtágs Annäherung an Kafka war eine sehr behutsame: Über Jahre hinweg sammelte er Tagebuch-Notate, las fasziniert in Kafkas Briefen, verzettelte seine Kafka-Bibliothek und kam immer wieder auf zentrale Wort- und Sinnprägungen des Prager Autors zurück. 1985 war es so weit, dass er sein lange geplantes Stück beginnen konnte - für die bemerkenswert schlichte und sozusagen literarisch "klare" Besetzung von Sopran und Violine. Über einen Zeitraum von anderthalb Jahren lebte der Komponist nach eigener Auskunft mit und in diesem Stück - Kafka total.
In vier Abteilungen werden von Kurtág vierzig Erkenntnisfragmente, Spontaneindrücke, Sinnfragen, Gefühlslandschaften, seelische Explosionen und Implosionen in Töne gebracht - mit einem Sopran, dessen Ambitus durch zwei Oktaven geht, und einer Geige, an die spieltechnisch die höchste Anforderungen gestellt werden. Manche der Fragmente umfassen nur wenige Sekunden, andere können sich auf fast acht Minuten steigern, und überall lässt die Intensität keinen Augenblick nach. Wenn man will, gibt es gar keine rechte Gattung für das Stück: Theater, Varieté, Psychologiesprechstunde, Selbstgespräch - es ist dies alles zugleich und dennoch viel mehr.
Ein Glücksfall der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts

Dass sich Kafka und Kurtág sozusagen in diesem Projekt trafen, das 1987 erstmals auf die Bühne kam, gehört zu den Glücksfällen in der Musik des 20. Jahrhunderts. Denn auf geheimnisvolle Weise verdeutlicht Kafka vieles an Kurtág - und der ungarische Komponist bringt Kafkas Verrätselungen und Vieldeutigkeiten musikalisch so zum Fliegen, wie es kein anderer vermocht hätte.
Eines der wichtigsten literaturinspirierten Werke der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt damit erstmals in die Elbphilharmonie: Gestaltet von Johanna Vargas und dem Geiger Ilya Gringolts, ist es eine späte Hommage an das Kafka-Jahr 2024.
