Viel Arbeit, kein Personal: Aus für Lungenfacharzt in Elmshorn
Das Telefon klingelt im Minutentakt, im Flur warten vor der Sprechstunde die Patienten. Langeweile kommt in der Lungenfacharztpraxis von Dr. Tahsin Balli nicht auf. Trotzdem muss die Praxis wohl bald schließen.
Die Praxis von Lungenfacharzt Dr. Tahsin Balli in Elmshorn im Kreis Pinneberg versorgt nach eigenen Angaben bis zu 2.500 Patienten pro Quartal. Damit hier alles reibungslos und nach Plan läuft, ist Dr. Balli auf seine Medizinischen Fachangestellten, kurz MFA, angewiesen. Sie organisieren Termine, empfangen die Patienten, assistieren bei Untersuchungen. "Ohne sie könnte ich nicht arbeiten", erklärt der Lungenfacharzt. Im wahrsten Sinne: Denn der Elmshorner Praxis droht nun die Schließung. Seit Monaten fehlt Personal.
Vier Stellen frei, eine halbe Stelle besetzt
Dr. Balli könnte eigentlich fünf medizinische Fachangestellte in Vollzeit beschäftigen, sagt er. Doch seine letzte Vollzeitkraft hat vergangene Woche gekündigt, nun bleibt nur noch seine Praxismanagerin Katrin Schidkow, die in Teilzeit arbeitet. "Eine halbe Stelle für eine ganze Praxis - das reicht nicht", klagt der Pneumologe. Seit etwa sieben Monaten sucht er zusätzliches Personal und hat schon vieles probiert: klassische Stellenausschreibungen im Internet, Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und Personalvermittlungsagenturen.
Nur wenige melden sich laut Dr. Balli auf seine Anzeigen, noch weniger fangen wiederum bei ihm an, kaum jemand bleibt längerfristig. Immer wieder würden Mitarbeiter aufgrund der hohen Arbeitsbelastung wieder abspringen. Der Mediziner betont, dass er übertariflich zahle und mehr Urlaub als gesetzlich vorgeschrieben gewähre. Außerdem würden die Mitarbeiter am Ende des Jahres eine Sonderzahlung erhalten. Aber reicht das?
Viel Stress, aber kaum Wertschätzung
Während Dr. Balli eine Asthma-Patientin untersucht, hält Katrin Schidkow vorne am Empfangstresen alles zusammen. Ein älterer Herr wünscht einen kurzfristigen Termin, er habe seit Tagen Atemnot. Eine Dame benötigt ein Überweisung zum Kardiologen, gerne alsbald. Schließlich fahre sie demnächst zu ihrer Schwester. Gleichzeitig klingelt das Telefon. Katrin Schidkow arbeitet mit viel Ruhe, Geduld und Fingerspitzengefühl. Sie mag ihren Job, sagt sie, aber auf Dauer sei die Belastung nur schwer auszuhalten. Der Job sei eben anstrengender als viele dachten.
Hinzu kommt, dass es offenbar an Wertschätzung für den Beruf mangelt. Mehrmals die Woche erlebt das Praxisteam nach eigenen Angaben Pöbeleien, Anfeindungen und laute Patienten. Dr. Balli hat sogar schon über einen Sicherheitsdienst nachgedacht, gemeinsam mit anderen Praxen aus Elmshorn.
Zu wenige Medizinische Fachangestellte?
Laut Verband medizinischer Fachberufe e.V. ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Medizinischen Fachangestellten in Schleswig-Holstein zwischen 2016 und 2024 zwar um rund zehn Prozent gestiegen. Jedoch sind dabei vor allem mehr MFA in Teilzeit hinzugekommen. In Schleswig-Holstein liegt die Teilzeitquote sogar bei 53 Prozent und damit über dem Bundesdurchschnitt. "Das hat den Fachkräftemangel bei den MFA in Schleswig-Holstein verschärft und nicht wie erwartet entspannt", so Hannelore König, Präsidentin des Verbands.
In den kommenden Jahren dürfte sich die Lage außerdem noch verschärfen: Inzwischen prognostiziert das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) für 2027 eine Fachkräftelücke von bundesweit 16.060 MFA. Das hat demnach bereits jetzt Auswirkungen auf die ambulante medizinische Versorgung, denn diverse Arztpraxen haben die Sprechzeiten und das Leistungsangebot bereits reduziert.
Folgen für die Patienten
Auch in der Praxis von Dr. Balli sind bestimmte Untersuchungen nicht mehr möglich. Außerdem wurden mehr als 200 bereits vereinbarte Termine wieder abgesagt. Dr. Balli fürchtet, dass er seinem medizinischen Versorgungsauftrag bald nicht mehr gerecht wird. Sollte er seine Praxis endgültig schließen, müssten seine Patienten teils sehr weite Wege in Kauf nehmen oder im Krankenhaus behandelt werden. "Es gibt sowieso schon zu wenig Pneumologen. Wenn ich dicht mache, ist das ein Riesenpoblem", ärgert sich der Arzt. In seiner Not hat sich der Elmshorner auch an die Kassenärztliche Vereinigung gewandt - schließlich müsse diese die medizinische Versorgung im Land sichern. "Diesem Auftrag wird die KVSH aber nicht gerecht", so die Ansicht von Dr. Ballis.
KVSH verweist an Politik
Die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein weist diesen Vorwurf von sich, verweist stattdessen an die Bundespolitik. Die KVSH fordert demnach unter anderem die Budgetierung auch für Fachärztinnen und Fachärzte abzuschaffen. So könnten die Praxen laut KVSH bessere Gehälter zahlen und auch als attraktivere Arbeitgeber auftreten.
Doch für Dr. Balli und seine Praxis kommen solche Forderungen wohl zu spät - er muss seine Praxis nach eigenen Angaben noch diese Woche schließen - bis er zusätzliches Personal findet.
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