Weltbilder

Amerikas Eltern im Kontrollwahn

Samstag, 06. August 2022, 12:45 bis 13:15 Uhr

Sandra Ratzow ist ARD-Korrespondentin in den USA. Ihre drei Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter hat sie an ihren neuen Arbeitsort mitgenommen. Sie musste feststellen, dass Kindheit und Elternsein in den USA ganz anders ist als in Deutschland. Ihre Kinder lässt sie jetzt ungern allein draußen spielen. Denn sonst müsste sie damit rechnen, dass Polizei und Jugendamt vor der Tür stehen.

Sorge vor Unheil immer präsent

Das Land der Freiheit ist inzwischen ein Land der Angst, der Angst um die Kinder. In Amerikas Mittelschicht verbringen nur noch wenige Kinder Zeit außerhalb der Kontrolle ihrer Eltern. Spielen auf der anderen Seite der Straße? Unmöglich. Nachbarn könnten die Polizei rufen. Alleine ins Schwimmbad? Ausgeschlossen. Verletzung der Aufsichtspflicht. Alleine einkaufen? Geht gar nicht. Die Eltern fürchten, nur ein einziger Fehler könne zu verheerenden Folgen führen, zu Unfall, Entführung oder Mord.

Hightech-Schnuller und Webcams

Und so verbringen die Kinder aus der amerikanischen Mittelschicht ihre Kindheit nur bei angeleiteten Aktivitäten, zu denen sie mit dem Auto kutschiert werden oder einfach überwiegend drinnen: vor dem Fernseher oder am Computer. Freunde treffen sie nur unter Aufsicht bei organisierten Playdates. Und wenn die Eltern nicht selbst anwesend sein können, setzen sie auf technische Überwachung: Webcams in Kindergärten, damit auch der Umgang der Erzieherinnen mit dem kleinen Liebling überwacht werden kann. Apps, die den Eltern erlauben, die SMS ihrer Kinder zu lesen oder ihre Anrufe nachzuvollziehen. Vom Säugling mit Hightech-Schnuller bis zum Studenten wird das Leben vieler junger Amerikaner inzwischen lückenlos von ihren Eltern überwacht.

Treffen mit Amerikas "Worst Mum"

Izzy Skenazy durfte als 9-Jähriger allein in New York U-Bahn fahren - als Experiment zur Stärkung seines Selbstbewusstseins. Ausgestattet mit Fahrplan, Fahrgeld und genauen Instruktionen. Das brachte seiner Mutter erst jede Menge Ärger und dann einen Job als Gastgeberin einer eigenen Fernsehshow ein: Americas worst mum - Amerikas schlechteste Mutter. Heute ist Izzy 16 und fährt immer noch U-Bahn... © NDR
Izzy Skenazy durfte als 9-Jähriger allein in New York U-Bahn fahren. Das brachte seiner Mutter erst jede Menge Ärger und dann einen Job als Gastgeberin einer eigenen Fernsehshow ein

Sandra Ratzow trifft Amerikas Eltern und fragt sich, warum im Land der Freiheit die Angst umgeht, besucht die Elektronikmesse in Las Vegas, auf der man sich mit der neuesten Überwachungstechnik rüsten kann und trifft Amerikas "worst mum". Lenore Skenazy wurde als schlechteste Mutter Amerikas berühmt, weil sie ihr Kind in New York allein mit der U-Bahn fahren ließ. Heute ist sie Gastgeberin einer bekannten Fernsehshow, in der sie die Exzesse der Kindsüberwachung anprangert und Eltern Tipps zum Loslassen gibt.

Redaktionsleiter/in
Claudia Buckenmaier
Redaktion
Christine Hasper
Produktionsleiter/in
Stefanie Roehrig
Autor/in
Sandra Ratzow
Regie
Sandra Ratzow

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