Die Nordreportage: Naturparadies Truppenübungsplatz

Das Schutzgebiet am Ostseestrand

Sonntag, 28. April 2024, 03:40 bis 04:10 Uhr

Fledermauskenner, Wildbienen- und Nachtfalterfänger, Botaniker, Natur- und Artenschützer: Sie alle kommen regelmäßig zur Kasernenwache in Putlos bei Oldenburg in Holstein. Sie ist der Eingang zu einem einmaligen Schutzgebiet: 1.000 Hektar, mehr als 90 Prozent der Landfläche des Truppenübungsplatzes direkt an der Ostsee, sind streng geschütztes, europäisches Natura 2000-Gebiet. Und das, obwohl hier regelmäßig Schießübungen mit Flugabwehrraketen, Handgranaten, Panzern, Maschinengewehren, Artilleriegeschützen, sogar mit Hochleistungs-Laserwaffen stattfinden.

Militärische Sicherheitsbegleitung für einen Biologen

Direkt an der Ostseeküste in der Hohwachter Bucht liegt der Truppenübungsplatz Putlos. © NDR/Fa. Joker Pictures
Direkt an der Ostseeküste in der Hohwachter Bucht liegt der Truppenübungsplatz Putlos.

Biologe Björn-Henning Rickert darf nur in der in der schießfreien Zeit und nur mit militärischer Sicherheitsbegleitung die bunt blühenden Trockenrasenflächen mitten im hochmunitionsbelasteten sogenannten Zielgebiet inspizieren. Sein Auftrag: Flächen zu finden, auf denen noch Klappertopf, Flockenblume und Wilde Möhre sowie andere, vom Aussterben bedrohte heimische Wildpflanzen blühen.

Eine Art "Arche Noah"

Die Fledermausschützer Matthias Göttsche (l.) und Ulrich Lensinger (r.) richten den Eiskeller vom ehemaligen Gut Putlos als Überwinterungsquartier her. © NDR/Fa. Joker Pictures
Die Fledermausschützer Matthias Göttsche (l.) und Ulrich Lensinger (r.) richten den Eiskeller vom ehemaligen Gut Putlos als Überwinterungsquartier her.

Weil in Putlos seit Beginn des Schießbetriebes im Jahr 1935 keine intensive Landwirtschaft betrieben und vor allem nicht gedüngt oder gespritzt wurde, bieten die artenreichen Wiesen, Dünen und Heiden hier ein reiches Nahrungsangebot für Schmetterlinge, Wespen, Hummeln und viele andere Insekten. Experten sprechen vom besonders artenreichen Hotspot an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste, einer Art "Arche Noah".

Die sogenannte "Mahdgutübertragung"

Wo sonst der Handgranatenwurf geübt wird erntet die Stiftung Naturschutz im August Mahdgut, um die Samen seltener Pflanzen vom Truppenübungsplatz Putlos auf andere Naturschutzflächen zu übertragen. © NDR/Fa. Joker Pictures
Wo sonst der Handgranatenwurf geübt wird erntet die Stiftung Naturschutz im August Mahdgut, um die Samen seltener Pflanzen vom Truppenübungsplatz Putlos auf andere Naturschutzflächen zu übertragen.

Im Auftrag der Stiftung Naturschutz soll Björn-Henning Rickert vergleichbare Biotope auch anderswo mit einer Samenspende von Pflanzen auf dem Truppenübungsplatz wiederherstellen, der sogenannten Mahdgutübertragung. Doch wegen möglicher Blindgänger dürfen die munitionsbelasteten Flächen nur mit einem gepanzerten Spezialfahrzeug gemäht werden. Vor ein paar Jahren hatte eine scharfe Granate die Motorhaube eines Treckers glatt durchschlagen. Naturparadies Truppenübungsplatz: ein ganz besonderes Schutzgebiet am Ostseestrand von Schleswig-Holstein.

Autor/in
Mario Göhring
Produktionsleiter/in
Thorsten Köpp
Redaktion
Sven Nielsen
Redaktionsleiter/in
Katrin Glenz