NDR Team entdeckt Insel im arktischen Eis

von Sven Glagow

"Du spinnst!", sagte NDR Moderator Peter von Sassen als ihn der Geophysiker Ken Zerbst anrief und erklärte, erneut nach der nördlichsten Landmarke der Welt suchen zu wollen. Bereits 2007 hatte ein Team des Nordseereports den US-Amerikaner auf der Jagd nach dem nördlichsten Flecken Erde begleitet. Damals war die Expedition mit ihrem Eisbrecher im arktischen Packeis steckengeblieben und musste schließlich umkehren. Fantastische Filmaufnahmen und die Erinnerung an bewegende Augenblicke, aber kein neuer geografischer Rekord waren das Ergebnis der abenteuerlichen Reise. Jetzt wollte es Ken Zerbst erneut versuchen. Trotz Bedenken hinsichtlich des Erfolgs der Expedition, wollte von Sassen den US-Amerikaner bei seinem Abenteuer unbedingt begleiten und für den Nordseereport aus dieser gewaltigen und doch so zerbrechlichen Region der Welt berichten. Von Spitzbergen flog das Team zunächst nach Peary Land im Norden Grönlands, um dort am Kap Morris Jesup ein Basislager aufzuschlagen. Neben Ken Zerbst und Peter von Sassen gehörten das amerikanische Abenteurer-Ehepaar Heinz und Lindy Fischer, ihr Landsmann, der Bergsteiger Brian Beatty, sowie das NDR Kamerateam mit Jörg Teiwes und Friederike Castenow zur Expedition, die im Juli 2008 unter dem Namen "2008 Ultima Thule" aufbrach, um das nördlichste feste Land der Erde zu suchen. Was ein Abenteuer werden sollte, endete diesmal als kleine Sensation.

83°41.207 N': "2008 Ultima Thule"

Der Wettlauf um die Entdeckung der nördlichsten Landmarke der Erde dauert seit mehr als 200 Jahren an. Abenteurer und Forscher unternahmen immer wieder unter zum Teil abenteuerlichen Bedingungen Expeditionen, um möglichst dicht am Nordpol bislang unentdecktes Land zu finden. Die letzte als gesichert geltende Höchstmarke setzte 1921 ein dänisches Team, das die bei rund 83°40' nördlicher Breite gelegene "Kaffeeklubben"-Insel entdeckte. Seit 1978 galt dann die kleine Insel Oodaaq (83°40.325') als nördlichster Fleck Erde des Planeten. Dieser gilt allerdings nicht mehr als Insel. Eine Überraschung gelang nun der Expedition "2008 Ultima Thule": Am 26. Juli 2008 entdeckten die Teilnehmer in den Mittagsstunden eine Landfläche bei 83°41.207' nördlicher Breite. Abmessung und Beschaffenheit der Landfläche lassen vermuten, dass es sich tatsächlich um eine Insel handelt. In der Vergangenheit waren auf dem Packeis gelegene Sand- und Geröllbänke wiederholt vorschnell zu Inseln erklärt worden. Das nun entdeckte und nach der Expedition "2008 Ultima Thule" benannte Land besteht überwiegend aus festem Gestein. Derzeit liegt ein etwa 100 Meter langer Landstreifen frei. Wieviel von der Insel noch von Eis bedeckt ist, lässt sich derzeit nicht sagen.

Keine Zeit für große Gefühle

"Das war ganz seltsam", beschreibt Peter von Sassen den Augenblick der Entdeckung. "In dem Moment, als das Ziel der Expedition endlich erreicht war, stellte sich professionelle Geschäftigkeit ein. Für große Gefühle war zunächst keine Zeit." Nur für wenige Stunden stand der Expedition ein Hubschrauber zur Verfügung. Ein Luxus in dieser Region der Welt. Der Helikopter war 80 Kilometer südlich stationiert und gehört einer kanadischen Minengesellschaft, die dort nach Zinkvorkommen sucht. Für kurze Zeit durfte die Expedition die Dienste der beiden norwegischen Piloten in Anspruch nehmen, um das ewige Eis aus der Luft abzusuchen. So konzentrierte sich die erste Begegnung mit dem neu entdeckten Land auf die Untersuchung der neuen Insel. Der Helikopter landete neben dem Land auf dem Packeis."Zunächst wurde still beobachtet", sagt von Sassen. "Die Insel wurde untersucht, umrundet, angefasst. Dann wurde gekratzt, gescharrt, gehämmert. Handelt es sich wirklich um festes Land?" Bereits nach zwei Stunden musste das Expeditionsteam wieder den Rückweg antreten. Mit einem sogenannten "Cairn", einem Steinhügel, haben de Entdecker "ihre" Insel markiert. Im Inneren des "Cairn" haben sie Aufzeichnungen über ihre Expedition hinterlassen, um den historischen Moment zu dokumentieren. Der Geophysiker Ken Zerbst ist sich sicher, hier die nördlichste bislang bekannte Insel der Welt entdeckt zu haben. "Erst im letzten Moment vor dem Abflug habe ich noch zwei kleine Steine aufgehoben", berichtet der NDR Moderator. Auf seinem Schreibtisch erinnern sie ihn nun an dieses einzigartige Erlebnis.

Erste Deutsche auf dem nördlichsten Berg der Welt

Die Entdeckung von "2008 Ultima Thule" war nicht das einzige Abenteuer auf der Expeditionsreise. Als in tagheller arktischer Nacht ein Eisbär das Camp besucht, ist Vorsicht geboten. Und ganz nebenbei besteigt das Team des Nordseereports als erste deutsche Expedition den nördlichsten Berg der Welt, den "Peak 6". Im "Cairn" auf dem rund 1.800 Meter hohen Gipfel 14 Kilometer südwestlich des Kap Morris Jesup haben sie die deutsche Nationalfahne mit ihren Namen und Angaben zu ihrer Expedition hinterlassen. Ein Nordseereport spezial über die spannende Entdeckungsreise wird Ende des Jahres unter dem Titel "Ultima Thule - Die Jagd nach dem nördlichsten Landpunkt der Erde" im NDR Fernsehen gesendet.

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