Rom und Räumungsklage

von Branka de Veer
Garten und Außenansicht der Villa Romana in Florenz. © Foto: Verein Villa Romana Foto: Elisabeth Giers
Garten und Außenansicht des Künstlerhauses Villa Romana in Florenz.

"Die Intermezzi im Süden haben ihm immer sehr wohl getan" *(1) schrieb Carl Georg Heise, Publizist, Kunsthistoriker und Museumsleiter,1939 über Blumenthal. Damit verkannte er aber die tatsächliche Lebenssituation des Künstlers. Damals, 1937, in der Berliner Ateliergemeinschaft Klosterstraße, lähmte die politische Situation seine Schaffenskraft. Die massenhaft auftretende Begeisterung für die Nationalsozialisten setze dem Bildhauer zu. Ohne öffentliche Aufträge und Verkäufe litt er zudem an Geldnot. Sein Atelier, indem er auch wohnte, sollte er wegen einer Räumungsklage verlassen. Ein beredtes Zeugnis der damaligen Lebensumstände sind seine Briefe.

 

Aufenthalt in Rom und Florenz

Die erneute Verleihung des Rompreises*(2) bedeutete für Blumenthal ein Entkommen aus seiner misslichen Lage und einen neuen Schaffensschub. Das bezeugt die Schnelligkeit und Intensität mit der er in wenigen Monaten zwei Kleinplastiken, den Campagnahirten und den Sternengucker, ein Porträt und eine große Figur, den Römischen Mann, formte.*(2) Um den Florentiner Mann fertigzustellen, benötigte Blumenthal noch Zeit. Zurück in Berlin wäre seine schöpferische Kraft erlahmt, deshalb forcierte er auch eine Verlängerung des Italienaufenthaltes. Im Künstlerhaus Florenz erhielt er noch einmal für drei Monate Wohnung, freie Ateliernutzung und ein monatliches Stipendium von 150 RM. *(3)

 

Blumenthals unverwechselbarer Stil

Im Vergleich mit allen in Italien geschaffenen Jünglingsfiguren wird die Gestaltungsweise des Florentiner Mannes noch deutlicher. Die italienische Werkgruppe zeigt Blumenthals typischen, individuellen Stil. Die Figuren zeichnen sich jeweils durch Symmetrie und Formenstrenge, völlige Bewegungslosigkeit und Weltabgewandtheit aus. Die Köpfe sind stilisiert, die Körper mit einer Vorliebe für Geraden und Winkel modelliert. Die vier männlichen Figuren - der Sternengucker, der Campagnahirte, der Römische und der Florentiner Mann - verharren in ihrer eigenen Sphäre, sie nehmen keinen Blickkontakt mit dem Betrachter auf.

 

Der Campagnahirte

Der Campagnahirte gehört heute zum Bestand des Germanischen Museums in Nürnberg. Blumenthal schuf die Figur - mit Kappe und Tuch - während seines Italienstipendiums. Die Beine zum Körper hingezogen und die Arme vor dem Brustkorb verschränkt, wendet sich der Campagnahirte von der Umgebung ab. Der Daumen der rechten Hand weist zum Körper hin und die stilisiert geformten Gesichtszüge suggerieren den Blick nach Innen. Das Tuch im Rücken ist Schutz und Grenze zugleich. Kleidung, Mimik und Gestik korrespondieren: dieser Mensch schließt sich von der Umwelt ab.

 

Der Sternengucker

Der Sternengucker sitzt in entspannter Haltung. Die Beine leicht geöffnet, die Arme finden am Handgelenkt zueinander. Der Kopf ist aus der Achsensymmetrie gedreht, der erhobene Blick in unbestimmte Ferne gerichtet. Mimik und Gestik - der rechte Daumen zeigt vom Körper weg - weisen im Gegensatz zum Campagnahirten in den Umraum. Der Sternengucker befindet sich heute in der Pinakothek der Moderne in München.

 

Römischer Mann

Der Römische Mann, ein stehender Jüngling in Lebensgröße, hat den Oberkörper aus dem Schutz der Arme befreit und öffnet sich der Umgebung. Auch das Schrittmotiv bedeutet Bewegung in den Raum. Der Kopf - eingeschlossen in die gekreuzten Arme, wie beim Florentiner Mann - erhält eine besondere Rahmung und die gesamt Figur einen nach oben geschlossenen Umriss. Der Blick schweift wiederum in die Ferne. Der Schritt in den Raum bedeutet kein Entgegenkommen im Sinne der Kontaktaufnahme mit einem Gegenüber. Die Figur schuf Blumenthal ursprünglich fest verankert auf einer Standplatte. Anhand einer Markierung auf der Platte wird deutlich, dass der Römische Mann diagonal in den Raum schreitet.*(4) Das Sprengel Museum in Hannover besitzt einen Abguss des Römischen Mannes, ein weiterer steht auf dem Gelände der Universität Kiel.

 

 

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