Die Arbeit des NDR Rundfunkrats: Ausführliche Bilanz der Amtsperiode 1997 - 2002

1997

Gemäß NDR-Staatsvertrag konstituierte sich der NDR Rundfunkrat nach Ablauf seiner fünfjährigen Amtszeit am 23. Mai 1997 neu. Mit 34 von 58 Mitgliedern bestand der Rundfunkrat erstmals mehrheitlich aus Frauen. Am 13. Juni nahm das Gremium als eine seiner ersten Aufgaben die Wahl der Mitglieder des NDR Verwaltungsrates vor.

Der Rundfunkrat sah seine Hauptaufgabe in der Unterstützung und kritischen Begleitung der Ziele des NDR, sowohl im Fernsehen wie auch im Hörfunk Programme auf hohem Niveau anzubieten. Der Rundfunkrat und seine Ausschüsse unterstützten den NDR in seinem Bestreben, sich mit seinen Programmen für Mehrheiten und Minderheiten auf dem Medienmarkt leistungsstark und wettbewerbsfähig zu behaupten.

Der NDR Rundfunkrat setzte sich in Resolutionen nachdrücklich dafür ein, dass Direktübertragungen von Ereignissen besonderer gesellschaftlicher Bedeutung und insbesondere sportliche Großveranstaltungen auch zukünftig im freien Fernsehen ohne zusätzliche Kosten für den Zuschauer empfangbar sein müssen.

Bei der Entwicklung des digitalen Fernsehmarktes in der Bundesrepublik Deutschland formulierte der Rundfunkrat seine Erwartung, dass geeignete Regelungen zur Sicherung des chancen- und diskriminierungsfreien Zugangs aller Programmveranstalter zum digitalen Fernsehen geschaffen werden müssen, um eine ausgewogene Basis für die erfolgreiche Fortsetzung des dualen Systems sicher zu stellen.

Entschieden wandte sich der NDR Rundfunkrat gegen den Versuch des Verbandes privater Rundfunk- und Telekommunikation (VPRT), mit seinem Papier "Kommunikations- und Medienordnung 2000 plus" das duale Rundfunksystem in Deutschland einseitig zugunsten kommerzieller Anbieter zu verschieben.

1998

Ein Hauptaugenmerk des Rundfunkrates lag 1998 auf der Umsetzung der Programmziele des NDR. So begleiteten der Rundfunkrat und seine Ausschüsse kritisch und beratend die Reform von NDR 4 zum Informationsradio, die Reform auf NDR 2 mit dem Aufbau von Service- und Ratgebersendungen, die Reform des N3-Nachmittagsangebots und die Einführung der Talk-Sendung "Sabine Christiansen" als massenattraktives Programm.

Die Bemühungen des NDR, die Spitzenposition der ARD mit attraktiven Programmangeboten und mit der Verpflichtung erfolgreicher und bekannter Moderatoren zu stützen und auszubauen, unterstützte der Rundfunkrat mit der Zustimmung zum Produktionsvertrag mit Reinhold Beckmann und zum Optionsvertrag für die Herstellung weiterer Folgen der Produktion "Sabine Christiansen" im September bzw. Dezember 1998.

Nicht nur die Entwicklung im NDR, sondern auch die auf dem deutschen und europäischen Medienmarkt und ihre Auswirkungen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland - sei es in technischer oder programmlicher Hinsicht - wurden vom Rundfunkrat mit großem Interesse verfolgt.

Im März 1998 forderten Rundfunk- und Verwaltungsrat des NDR in einer gemeinsamen Resolution die politisch Verantwortlichen in den vier NDR Staatsvertragsländern und im Bund auf, im Rahmen ihrer Beratungen zu dem von der Europäischen Kommission verabschiedeten "Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie und ihrer ordnungspolitischen Auswirkungen" für eine Gewährleistung der Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sorgen. Die Europäische Kommission wurde ersucht, die in der Stellungnahme enthaltene Position zur Erhaltung des Kulturauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu berücksichtigen.

1999

Um weiterhin für die Anforderungen auf dem Medienmarkt gerüstet zu sein, hat der NDR 1999 programmliche und technische Neuerungen vorgenommen, die der Rundfunkrat beratend begleitete: Die Fernsehsendung DAS! wurde auf das Wochenende ausgeweitet, N-Joy Radio erfuhr Änderungen und Weiterentwicklungen, NDR 2 weitete im April sein regionales Angebot aus und der gesamte Sendebetrieb der NDR Hamburg-Welle 90,3 wurde im März digitalisiert. Auch die Intensivierung der Internet-Aktivitäten des NDR fand die breite Unterstützung des Rundfunkrates.

Neben seinen ständigen Aufgaben wie etwa der Genehmigung der Jahresabrechnung und des Wirtschaftsplans stimmte der Rundfunkrat der Fortsetzung des Produktionsvertrages der erfolgreichen Diskussionssendung "Sabine Christiansen" zu. Die Abschlüsse von Verträgen mit CTW (Childrens Television Workshop) und der Studio Hamburg Produktion für neue Folgen der "Sesamstraße" bzw. für die Herstellung einer Kinder-Abenteuerserie "Pfefferkörner" fanden die Zustimmung des Rundfunkrates- Ausdruck für den hohen Stellenwert, der dem Kinder- und Jugendprogramm durch den NDR und seine Gremien beigemessen wird.

Des weiteren widersetzte sich die ARD, unterstützt von ihren Gremien, allen Versuchen, den Verfassungsauftrag der Grundversorgung aufzuweichen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur noch als Anhängsel eines kommerziell dominierten Medienmarktes anzusehen. Der NDR Rundfunkrat vertrat hier nachdrücklich die Ansicht, dass Sparten- und Zielgruppenprogramme nicht gegen den Grundversorgungsauftrag verstoßen, keine Kollision mit dem Programm- oder dem Integrationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorliegt und dass die Sparten- und Zielgruppenprogramme mit den Grundsätzen der Rundfunkfinanzierung ebenso wie mit dem EU-Beihilferecht vereinbar sind. Vor diesem Hintergrund setzte sich der Rundfunkrat intensiv mit der Bedeutung der Gremienarbeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinander.

2000

Dem Wettbewerb und der neuen technischen Entwicklung auf dem Medienmarkt sowie den veränderten Lebensgewohnheiten des Publikums stellte sich der NDR im Jahr 2000 mit der Digitalisierung seiner Programme und seiner nochmals verstärkten Präsenz im Internet. Um diese Entwicklung kompetent begleiten zu können, gründete der Rundfunkrat eine Arbeitsgruppe "Internet/Neue Medien" und unterstützte das Engagement und die Verantwortung des NDR, der Bevölkerung im Internet einen Zugang zu seinen Qualitäts- und Informationsangeboten zu schaffen.

In der weiteren Diskussion zur Rundfunkfinanzierung war der Rundfunkrat der Auffassung, dass der auf der staatvertraglichen Grundlage beruhende Programmauftrag des NDR auch die Rechtfertigung für die Gebühren beinhaltet. Der Rundfunkrat formulierte die Erwartung, dass das tatsächliche Programm beurteilt wird, insbesondere die schwierigen und künstlerisch anspruchsvollen Stoffe, die die ARD gesendet hat und auch für die Zukunft plant. Vor diesem Hintergrund stimmte der Rundfunkrat u.a. dem Abschluss eines Vertrags zur Herstellung weiterer Folgen der international preisgekrönten Kinderserie "Die Pfefferkörner" und der Herstellung der zweiteiligen Produktion "Der Verleger" für das Jahr 2001 zu. Zudem bestärkte der Rundfunkrat in einer Resolution zum Fernsehfilm die NDR Programmdirektion Fernsehen ausdrücklich in dem Bestreben, auch in Zukunft qualitativ hochwertige und für viele Zuschauer interessante Fernsehfilm-Projekte in Angriff zu nehmen und sie zur Hauptsendezeit im Ersten Programm zu platzieren.

Ein weiteres Schwerpunktthema des Rundfunkrats war die Informationskompetenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, da der NDR mit seinen seriösen, umfassenden und aktuellen Nachrichtensendungen einen wesentlichen Teil öffentlich-rechtlicher Verantwortung und den wichtigen Auftrag der Grundversorgung gewährleistet.

Im Oktober 2000 fand in Brüssel ein rundfunkpolitisches Informationsgespräch der ARD-Gremienvorsitzenden statt. Beim Treffen mit Vertretern der Europäischen Kommission wurden u.a. Themen wie "Rundfunkgebühr und Beihilferecht der EU", "Transparenz-Richtlinie", "Europäische audiovisuelle Industrie", "Zukunft der Medienordnung" und "Projekte einer europäischen Grundrechtscharta" behandelt. In den Beratungen des NDR Rundfunkrates und seiner Ausschüsse bildete die europäische Medienpolitik, deren Entscheidungen Rückwirkungen auf den deutschen Medienmarkt haben, ebenfalls ein wichtiges Thema.

2001

Im Jahr 2001 fanden Reformen sowohl der Zentral- wie auch der Landesprogramme im Hörfunk, daneben Veränderungen und Erweiterungen im Programm des NDR Fernsehens und ferner vielfältige Angebote von Qualitätsprodukten im Online-Bereich die Unterstützung des Rundfunkrates.

Der Rundfunkrat stimmte u.a. erneut dem Abschluss eines Vertrags zur Herstellung weiterer Folgen der mit dem Fernsehpreis "Goldener Spatz" ausgezeichneten Kinderkrimiserie "Die Pfefferkörner" sowie der Produktion "Beckmann" zu. Die Zustimmung des Rundfunkrats fand ebenso der Vertrag zum Erwerb der Fußball-WM-Rechte 2002 sowie der Übertragung von Olympia-Rechten 2002 bis 2004. In diesem Zusammenhang hielt der Rundfunkrat allerdings eine grundsätzliche gesellschaftliche Debatte insbesondere über die Kostenexplosion zu Lasten der Gebührenzahler und die Sicherung der Rundfunkfreiheit für erforderlich.

Auf breite Zustimmung im Rundfunkrat traf NordwestRadio, ein seit dem 1. November 2001 laufendes gemeinsames Hörfunkprogramm mit Radio Bremen, das in dieser Form in der ARD bisher einzigartig ist.

Ein Schwerpunktthema in der Arbeit des Rundfunkrates und auf der Ebene der ARD-Gremienvorsitzenden im Jahr 2001 war die Diskussion zum Grundversorgungs- bzw. Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nach Meinung der Gremien in den Rundfunkgesetzen und vom Bundesverfassungsgericht hinreichend formuliert und bedarf keiner zusätzlichen Auflagen. Unerlässliche Voraussetzungen für ein unverwechselbares Profil der in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten als Garanten der demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung sind attraktive Programme von hoher Qualität und eine für das Publikum interessante, unterhaltsame Präsentation.

Des weiteren beriet der Rundfunkrat intensiv über der Absicht der Länder, die Struktur der Rundfunkfinanzierung nachhaltig zu verändern. In einer Resolution vertrat der Rundfunkrat u.a. die Auffassung, dass eine vollständige Umstellung der Grundlagen für das Rundfunkgebührenwesen beträchtliche finanzielle und rechtliche Risiken birgt. In jedem Fall muss die bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gesichert bleiben.
Zudem befasste sich der Rundfunkrat in einer Klausurtagung ausführlich mit den Auswirkungen der europäischen Gesetzgebung auf das deutsche Rundfunkrecht, mit den Online-Angeboten von NDR und ARD, mit den Sportrechten und dem regionalen Profil der Hörfunk- und Fernsehprogramme des NDR, der sich seit Dezember 2001 in einem modernen Design präsentiert.

2002

Zu Beginn des Jahres 2002 war eines der Hauptberatungsthemen des Rundfunkrates der Bericht der Jugendschutzbeauftragten des NDR. Speziell angesichts der in der Öffentlichkeit geführten Diskussion über die Verschärfung von Jugendschutzbestimmungen und die Rolle der Medien in Sachen Jugendschutz nach den Ereignissen in Erfurt im April sah es das Gremium als wichtig an, der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass dem Jugendschutz und der Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk allgemein und speziell beim NDR ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Durch die Aufsicht des Rundfunkrats sind die Belange des Jugendschutzes im NDR gewährleistet.

Vor dem Hintergrund weiterer Debatten zum Grundversorgungs- bzw. Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks befasste sich der Rundfunkrat im März 2002 mit einem Gutachten des Hans-Bredow-Instituts zu diesem Thema. Die im Gutachten beschriebenen Möglichkeiten, die "Selbststeuerungsfähigkeit" der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neu zu justieren und gleichzeitig zu optimieren, wurden im Gremium intensiv diskutiert.

Die aktuelle Situation auf dem Kabelmarkt sowie die Situation von DAB und DVB-T bildeten weitere wichtige Diskussionsthemen. Diese Themen - wie auch die Debatte um den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - werden u.a. sicherlich weiterhin wichtige zukünftige Beratungspunkte für den sich am 25. Mai 2002 konstituierenden Rundfunkrat sein.

Der NDR Rundfunkrat als souveränes Kontrollorgan wird unabhängig und ohne sich beeinflussen, instrumentalisieren oder missbrauchen zu lassen auch in Zukunft weiterhin die staatsvertraglich auferlegten Pflichten wahrnehmen und den NDR kritisch und konstruktiv begleiten.