Stand: 13.06.2016 13:15 Uhr

Der Klassiker - die Tagesschau und ihr neues Studio

von Dr. Kai Gniffke

Und als 2012 der Umbau des Studios begann,  glaubten wir, bald am Ziel zu sein. Von wegen. Zur Jahreswende 2012/13 war unsere Stimmung am Tiefpunkt. Das Grafiksystem funktionierte nicht wie gewünscht. Zeitweise glaubten wir, den kompletten Grafik-Auftrag neu vergeben zu müssen. Doch durch das zupackende Krisenmanagement unseres Produktionsdirektors, Dr. Rombach, der die Grafik-Firma - sagen wir - an die Hand nahm, war Mitte 2013 klar: Wir schaffen es! Nach intensiver Frustphase machte die Zusammenarbeit auf allen Ebenen wieder Spaß.

Dann eben Ostern!

Im Dezember 2013 dann der Augenblick der Wahrheit: Das Datum für die Premiere steht - wir starten Ostern 2014! Ab diesem Zeitpunkt arbeitete das sogenannte on air-Team nahezu ohne Pause.

Regie der Tagesschau um 20 Uhr. © NDR
Ein Blick in die Regie der Tagesschau, Deutschlands meistgesehener Nachrichtensendung.

Eine gemischte Gruppe aus Redaktion und Produktion, über Monate in einem gemeinsamen Raum „eingesperrt“, arbeitete minutiös Fehlerlisten ab. Für diese Menschen hätte der Starttermin nicht später kommen dürfen, denn alle sind in den letzten Monaten ans Limit gegangen. Jeder von uns fährt mittlerweile auf den Felgen - heute vor allem nervlich.

Nur noch eine Viertelstunde

Nach und nach treffen diejenigen ein, die in der Projektphase dabei waren, und jetzt den Moment miterleben wollen, wenn unser gemeinsames Baby auf die Welt kommt. Man schaut sich tief in die Augen mit einer Mischung aus Sorge und Vorfreude. Im Newsroom ist es jetzt ganz ruhig. Jeder Satz, jedes Foto ist zigfach kontrolliert. Mehr Konzentration geht nicht. Im Studio Tagesschau-Sprecher Jan Hofer - natürlich Chefsache.

"Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau"

Erstmals können die Menschen aus ihrem Wohnzimmer in unseres schauen! Wir sind on air! Es läuft, verdammt nochmal, es läuft - 15 quälend lange Minuten lang. Beim Abspann rase ich vom Newsroom rüber zum Studio. Auf diesen Moment haben Dutzende von Menschen jahrelang hingearbeitet. Und die liegen sich jetzt in den Armen. So eine Heulerei habe ich lange nicht erlebt. Die ganze Plackerei, die zermürbende Sorge vor schlechter Presse und einem öffentlichen Imageschaden für die Tagesschau, die heimliche Angst vor einem Scheitern, die Freude über den Erfolg - all das entlädt sich jetzt.

Tagesschau Studio mit Jan Hofer © ARD, Marcus Krüger Foto: M, Marcus Krüger
Da muss er durch: Chefsprecher Jan Hofer liest am 19. April 2014 die erste Tagesschau aus dem neuen Studio.

Ich bin froh, dass ich schon wieder gefasst bin, als NDR Intendant Lutz Marmor anruft und die ganze Mannschaft beglückwünscht. Ich gebe die Grüße weiter, als ich eine kurze spontane Dankesrede halte. Auch der Produktionsdirektor wirkt wie von einer Zentnerlast befreit, als er die beispielhafte Zusammenarbeit von Redaktion und Produktion bei diesem Projekt würdigt.

Spannungsabfall - welch' ein Glück!

Nun warten wir auf die Tagesthemen. Wenn auch die sicher laufen, sind wir erstmal an Land. In den sozialen Netzwerken ist richtig was los. Das Social Media-Team hat flott zu tun. Die erste Bilanz ist besser als ich es zu hoffen gewagt hätte: Rund drei Viertel der Nutzerinnen und Nutzer findet das Studio gut. Als auch noch die Tagesthemen fehlerfrei über den Sender gegangen sind, finde ich durch Zufall dann doch noch einen Kasten Bier in meinem Auto. Weitere Zufälle dieser Art sorgen dafür, dass die Nacht mit einer eher informellen Nachbetrachtung der Sendungen ausklingt. Bis die Spannung wirklich abfällt, wird es noch Tage dauern.