Stand: 09.11.2010 14:55 Uhr

60 Jahre Studio Flensburg: Von öffentlich-rechtlichem Programmauftrag und deutsch-dänischer Verständigung

von Thorsten Kleine

Musikalisch war es ein sprichwörtlich galaktischer Auftakt, mit dem vor 60 Jahren in Flensburg das erste Hörfunk-Studio des damaligen Nordwestdeutschen Rundfunks in Schleswig-Holstein an den Start ging: Mit der Jupiter-Sinfonie von Mozart startete am 12. November 1950 im Deutschen Haus in Flensburg der Neuanfang des Rundfunks im nördlichsten Bundesland nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor dem Hintergrund des deutsch-dänischen Grenzkampfes hatte sich der NWDR damals ganz bewusst für Flensburg als Standort entschieden. In seiner Eröffnungsrede betonte NWDR-Generaldirektor Adolf Grimme vor 1400 Gästen, dass man mit dem Studio ein Zeichen für die Deutsche Kultur in der Grenzregion setzen wolle. Genauso betonte er auch, dass es Auftrag des neuen Studios sei, Brücken zu bauen.

Der erste "Brückenbauer" war Thomas Viktor Adolf als Gründungsredakteur und Studioleiter der ersten Stunde. Der Zeitfunkredakteur aus Hamburg stieß in Flensburg eher zufällig auf den ehemaligen Musikpavillon des Deutschen Hauses. Den kreisrunden Bau verlängerte man schließlich um einen "Kometenschweif" und brachte dort die Studios unter. Am einzigartigen Charakter des Gebäudes hat sich seitdem nichts geändert. 2007 wurde es als Beispiel für die 1950er-Jahre-Architektur unter Denkmalschutz gestellt.

Ursprünglich war der Standort Flensburg als eine Art Außenbüro des NWDR geplant, das die Zentrale in Hamburg mit Beiträgen für die Mittelwellenprogramme versorgen sollte. Aber die Aufgaben des Studios in Flensburg wuchsen schnell. Die neue UKW-Technik machte es zum ersten Mal möglich, regionale Magazine im Hörfunk zu senden. Bereits am 16. Mai 1951 startete in Flensburg "Von Binnenland und Waterkant" - Geburtsstunde für die mittlerweile älteste Radiosendung in Schleswig-Holstein. Schon 1952 wurde es im Flensburger Studio zu eng: Nach nur zwei Jahren wurde zum ersten Mal angebaut.

Das Studio Flensburg war in seinen Anfangsjahren für ganz Schleswig-Holstein zuständig. Reporter Waldemar Kuckuck knatterte mit seinem Motorrad nach Brunsbüttel, Fahrten nach Lübeck wurden zu Expeditionen. Wo der Ü-Wagen des NWDR auftauchte, spielte die Dorfmusik, etwa wenn "Bi uns in´t Dörp" übertragen wurde. Reporterlegende Herrmann Rockmann gab ein Gastspiel in Flensburg, die Väter der "Aktuellen Schaubude", Rolf Eschenbach und Werner Buttstädt, lernten dort ihr Radiohandwerk. Max Rehbein und Ingrid Lorenzen waren lange dabei und von Anfang an auch Rolf-Heinrich Wecken, der 1965 der zweite Studioleiter wurde. In seiner Nachfolge wurde das Studio Flensburg 17 Jahre lang von Peter Axmann geleitet, ehe im März 2005 Werner Junge ins runde Chefbüro einzog.

Schon Mitte der 1950er Jahre war klar: Von Flensburg aus ließ sich nicht länger das ganze Bundesland betreuen. Doch die Neugliederung der Rundfunklandschaft mit der Auflösung des NWDR, aus dem heraus sich der Sender Freies Berlin (SFB), der Westdeutsche Rundfunk (WDR) und der NDR entwickelten, band zunächst alle Kräfte. Erst 1965 entstand daher das Studio Kiel. Der Standort in der Landeshauptstadt war nun die Zentrale im nördlichsten Bundesland und wurde 1970 zum Landesfunkhaus. Damit war das nördlichste Studio in Flensburg "nur noch" für den Landesteil Schleswig zuständig. Nichts geändert hat sich jedoch am Blick über die Grenze ins südliche Dänemark, der wie schon in der Anfangszeit in den 1950er Jahren auch heute noch unverändert zum Auftrag des Studios gehört.

Anlässe für spannende und bewegende Berichte gab es in 60 Jahren Studio Flensburg viele: 1955 begleiteten die Flensburger Reporter akustisch Taucher, die im Haddebyer Noor nach Spuren der Wikingersiedlung Haithabu suchten. Ende der 1970er Jahre berichtete Thietmar Hambach als Reporter live aus einem fliegenden Militärjet. Und auch als Teile Hamburgs in der Sturmflut von 1962 versanken, war das Studio Flensburg im Einsatz. Deutschlandweit bekannt wurden die Reporter aus Flensburg urch die Berichterstattung über die Schneekatastrophe zur Jahreswende 1978/79, die insbesondere den hohen Norden traf, ganze Landstriche lahm legte und die Stromversorgung kappte. In dieser Zeit waren die Berichte und Informationen aus dem Studio Flensburg für viele Menschen die einzige Brücke zur Außenwelt. Kreisreform, Autobahnbau, deutsch-dänische Großprojekte, der Streit um den Nationalpark Wattenmeer - die Themen gingen nicht aus. Und als einziges Studio berichten die Flensburger Reporter nicht nur auf Hoch- und Plattdeutsch sondern auch regelmäßig auf Friesisch aus dem "Sprachenland" an der Grenze.

Technisch hat sich in den ersten 40 Jahren wenig geändert am Handwerkszeug der Radiomacher. Bis zum Ende der 1990er Jahre produzierte der Rundfunk auf und mit Tonband. Erst 1998 kam mit der Digitalisierung im Hörfunk der technische Umschwung. Seit dem Jahr 2000 ist Flensburg auch Fernsehstandort des NDR und heute ist das Studio in der Fördestadt mit modernster Radio- und Fernsehtechnik ausgestattet. Über 2.000 Beiträge im Jahr werden im Studio Flensburg von Studioleiter Werner Junge und seinem Team für die NDR 1 Welle Nord, die anderen NDR Hörfunkprogramme und die gesamte ARD produziert, darunter täglich zwei Nachrichtensendungen und ein Veranstaltungskalender für die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg, die Stadt Flensburg und das dänische Grenzland. Im Fernsehen steuert das Studio Flensburg jährlich rund 400 Beitrage für das Schleswig-Holstein Magazin, das NDR Fernsehen und die ARD bei. Die wenigste Zeit verbringen die Reporterinnen und Reporter dabei im alten umgebauten Musikpavillon an der Friedrich-Ebert-Straße 1 in Flensburg - meistens sind sie vor Ort im Sendegebiet, drehen auf Sylt, reportieren aus Kappeln, recherchieren in Schleswig oder begeleiten das Hafenfest in Husum.

Aus Anlass des Jubiläums "60 Jahre NDR Studio Flensburg" zeigt der Museumsberg Flensburg noch bis zum 23. Januar 2011 eine Sonderausstellung im Hans-Christiansen-Haus, zur der seit ihrer Eröffnung vor einem Monat schon mehr als 1000 Besucher kamen. Die Schau präsentiert 60 Jahre Radio- und Fernsehgeschichte zum Sehen, Hören und Anfassen, ergänzt durch Highlights aus der Kunstsammlung "Weite und Licht" des NDR. Die Ausstellung ist geöffnet dienstags bis sonntags von 10.00 bis 16.00 Uhr, donnerstags bis 20.00 Uhr. Mehr Informationen unter www.museumsberg.flensburg.de.

Mehr zur 60jährigen Geschichte des NDR Studios Flensburg finden Sie im Internet unter: www.ndr.de/unternehmen/organisation/ndr_geschichten


Hinweis an der Redaktionen:
Zum Thema "60 Jahre NDR Studio Flensburg" haben wir für Sie ein umfangreiches und vielfältiges Bildangebot zusammengestellt. Bei Interesse melden Sie sich bitte unter der Tel.-Nr. (0431) 9876-382.

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