Stand: 29.07.2011 16:45 Uhr

Unsere Geschichte - Als die Talsperren in den Harz kamen

von Hanna Legatis

Sendung: Mittwoch, 3. August 2011, 22.50 Uhr, NDR Fernsehen

Es ist soweit, alle Bewohner haben ihre Sachen gepackt, ein letztes Mal schließen sie ihre Türen ab. 231 Menschen haben hier gelebt, in 16 kleinen Häusern. Sie werden sie nie wieder betreten, morgen kommen die Abrissbagger - nur ein paar Monate, dann wird ihr Dorf überflutet sein.

Schulenberg heißt der Ort, den sie gerade verlassen. Er liegt im Harz und wir schreiben das Jahr 1954. Das gesamte Tal, in dem die Dorfbewohner seit Generationen gelebt und gearbeitet haben, soll zu einem Stausee werden. Eine dringend notwendige Maßnahme, sagen Politiker, Wasserbauer und Ingenieure. Denn nach den letzten Wintern waren mit der Schneeschmelze Wassermassen aus dem Mittelgebirge in die nahegelegenen Orte geströmt und hatten verheerende Überschwemmungen angerichtet - in Wolfenbüttel zum Beispiel oder in Braunschweig. Mit einer 75 Meter hohen Betonmauer soll die Oker jetzt kurz hinter Schulenberg gestaut werden. Sie hat unzählige Zuflüsse und kann sich vom plätschernden Flüsschen während der Sommermonate in einen reißenden Strom im Winter und im Frühjahr verwandeln. Es dauert zwei Jahre, bis der Bau des Sperrwerks fertig ist - und noch länger bis tatsächlich ein Stausee entsteht.

Heute ist die Okertalsperre zum Baden, Bootsfahren und Tauchen freigegeben. Die Bewohner des versunkenen Dorfes bekamen einen neuen Ort. Er wurde auf dem "Kleinen Wiesenberg" gebaut und liegt 60 Meter über der Okertalsperre. Seit dem 16. Jahrhundert hatten die Schulenberger in den tiefen Stollen der Harzer Bergwerke gearbeitet, später verdienten sie ihr Geld als Holzfäller in den dichten Wäldern. Heute leben sie vom Tourismus. Der "neue" kleine Ort Schulenberg mit seinen 430 Einwohnern bietet 700 Gästebetten an.

Im Harz gibt es außergewöhnlich viele Talsperren. Über dem Mittelgebirge regnet es reichlich, und das Wasser, das durch unzählige Bäche und Flüsse zu Tal fließt, hat eine herausragende Qualität. Deshalb ist der Harz der größte Trinkwasserspeicher in ganz Norddeutschland, Städte wie Hannover, Braunschweig bis hin zu Bremen werden mit seinem Wasser versorgt. Außerdem wird an den Talsperren Strom erzeugt, und sie dienen dem Hochwasserschutz. Die Geschichte der Talsperren im Harz reicht im Grunde viel weiter zurück. Schon im 16. Jahrhundert schufen Wasserbauer und Bergleute das Oberharzer Wasserregal, ein System aus Teichen, Staubecken und Gräben. Es trieb die Wasserräder in den Bergwerken an und sorgte gleichzeitig für eine Entwässerung der Stollen und Schächte.

Der Film von Hanna Legatis über die Geschichte der Talsperren im Harz lebt von der uralten dramatischen Spannung zwischen Mensch und Natur. Dass Einwohner ihr Dorf für einen Stausee verlassen müssen, birgt immer eine gewisse Tragik, andererseits wäre eine Trinkwasserversorgung Norddeutschlands oder ein Hochwasserschutz der Region heute ohne die Sperrwerke gar nicht möglich. Die Talsperren mit ihren gigantischen Mauern, mit reißendem Wildwasser, wenn ihre Schleusen geöffnet sind und die sie umgebenden Wälder des Harzes bieten opulente Filmaufnahmen, Unterwasserbilder liefern Spannung, eine gekonnte Mischung aus hochwertigem aktuellen Material und Archivsequenzen machen einen solchen Film zu einem "Geschichtsgenuss".

Unsere Geschichte - Als die Talsperren in den Harz kamen. Zu sehen ist der 45-minütige Film von Hanna Legatis am Mittwoch, den 3.8.2011 um 22.50 Uhr im NDR Fernsehen. Wiederholt wird die Sendung am 13.8.2011 um 11.30 Uhr.



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