Stand: 16.10.2013 10:15 Uhr

Das Trauma von Lengede

von Hanna Legatis

Sendung am Sonntag, 20. Oktober 2013 um 13.00 Uhr im NDR Fernsehen

Was war das vor fünfzig Jahren in diesem kleinen Ort in Niedersachsen, den keiner kannte? Ein Wunder? Ein Unglück? Lengede - der Wassereinbruch in ein Erzbergwerk ließ auf jeden Fall eines zurück: Wunden und Einschnitte in zahlreichen Lebensläufen.

"Das Trauma von Lengede" heißt deshalb die NDR Dokumentation fünfzig Jahre nach dem Geschehen. Die Fakten: Am Abend des 24. Oktober 1963 ist es ruhig in Lengede. Nur im Schacht Mathilde wird noch gearbeitet, die Männer der Spätschicht sind unter der Erde. Der Schlammteich 12, eine ehemalige Tagebaugrube voller Wasser über dem Schacht, wirkt Stunden vor der Katastrophe nahezu unberührt. Aber nur wenig später tut sich etwas am Grunde des Sees: Die Tonschicht über den Stollen bricht ein! 500 000 Kubikmeter Wasser stürzen in das unterirdische Gewirr aus Gängen und Tunneln, schlammiges Geröll wälzt sich hinab. 129 Kumpel sind da unten. Ein Teil kann sich nach dem Unglück selber an die Oberfläche retten, 29 sterben, und einige Männer überleben zwei Wochen lang in einem gefährlichen stillgelegten Stollen.

Adolf Herbst ist heute 70. Er gehört zu den Überlebenden. Viele Jahre konnte er über das, was in der Tiefe geschah, nicht sprechen. Über die Hoffnungslosigkeit, die Sterbenden, die Dunkelheit. Wie überlebten die Menschen ein solches Trauma? Mit dieser Frage gingen Hanna Legatis und ihr Filmteam auf die Suche - fünfzig Jahre nach der Katastrophe. Sie fanden: Männer und Frauen, deren Leben das Unglück für immer geprägt hat, Kinder von Überlebenden, Psychiater, Bergbau-Experten. Außerdem konnte das Filmteam zum ersten Mal Teile des Untersuchungsberichtes drehen, den eine Sonderkommission nach dem Unglück erstellte. Brisantes Material, das zeigt, nicht nur die psychologische, auch die juristische Aufarbeitung der Katastrophe hat schwere Belastungen zurückgelassen.

Für Adolf Herbst wurde das Sprechen zur Befreiung, aber: "Etwas bleibt im Innern verschlossen. Wie eine Blackbox. Ich werde sie nie öffnen - sonst reißt es mich fort."

Der Film lebt von dem historischen Filmmaterial, das der NDR vor fünfzig Jahren während der Rettung der Bergleute drehte, von den Gesprächen, auf die sich Überlebende einließen und von erstaunlichen Bildern eines kleinen Ortes, der kurz im Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit stand und der seitdem fast in Vergessenheit geraten ist.

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Fotos: www.ard-foto.de

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