Stand: 29.09.2011 14:23 Uhr

21 Jahre nach der Deutschen Einheit: Wolfgang Schäuble spricht über Wortbruch bei Steuererhöhungen

Wolfgang Schäuble (CDU) gesteht 21 Jahre nach der Wiedervereinigung ein, dass er es für einen Fehler hielt, im Wahlkampf Ende 1990 Steuererhöhungen zur Finanzierung der Einheit auszuschließen. In der NDR-Dokumentation "Mein vereintes Deutschland - Wilde Jahre nach der Wende" (Montag, 3. Oktober, 23.00 Uhr, Das Erste) von Tom Ockers berichtet er, dass er damals vergeblich versucht habe, seine Partei zu überzeugen, bei der Wahl zum ersten gesamtdeutschen Parlament keine falschen Versprechungen zu machen: "Ich fand falsch, dass wir 1990 vor der Wahl gesagt haben, wir wollen keine Steuererhöhungen. Und es war nicht nur ein finanzielles Problem, sondern es hat natürlich ein Stück Glaubwürdigkeit gekostet."

Schäuble, der damals Innenminister war und neun Tage nach der Einheit bei einem Attentat schwer verletzt wurde, sagt im NDR-Interview, er habe im Krankenhaus erfahren, dass die Bundesregierung öffentlich davon reden wolle, die Einheit ohne Steuererhöhungen zu schaffen: "Ich war Mitglied der Regierung. Als Mitglied der Regierung hat man eine gewisse Disziplin einzuhalten. Wir hatten noch abgesprochen, dass wir eine solche Festlegung nicht machen, und (...) als ich wieder in gewisser Weise ins politische Leben zurückgekehrt bin (...), habe ich festgestellt, nun haben sie sich alle festgelegt, es gibt keine Steuererhöhungen. Ich hab dann Theo Waigel, als er mich im Krankenhaus besucht hat - er war Finanzminister -gefragt: Was habt ihr denn gemacht? Wir hatten doch darüber gesprochen, wir dürfen unter gar keinen Umständen sagen, es gibt keine Steuererhöhungen. Und dann hat er gesagt: 'Ja, weißt du...‘ Dann sag‘ ich: 'Oh Gott. Es wird furchtbar‘."

Im Bundestag hatte sich Schäuble damals heftige Wortgefechte mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine geliefert. Die CDU/CSU Fraktion bestand darauf, die erheblichen Kosten der Einheit ohne Steuererhöhungen finanzieren zu können. Schäuble dazu in der NDR-Dokumentation: "Das hat uns ja auch die erste Legislaturperiode ziemlich schwer gemacht, weil wir mit der Tatsache konfrontiert waren, dass wir etwas, was wir vor der Wahl gesagt haben, nicht einhalten konnten und dann versuchen mussten, nicht so ganz offen einen Wortbruch zu machen."

Im Januar 1991 wurde der Solidaritätszuschlag angekündigt. Als Begründung wurde neben der Wiedervereinigung auch der Golfkrieg genannt. Hinzu kamen weitere Steuererhöhungen: 1993 die Mehrwertsteuer (von 14 auf 15 Prozent), später die Mineralölsteuer, die Versicherungssteuer, die Tabaksteuer und die Erdgassteuer. Dennoch ist Wolfgang Schäuble mit der Deutschen Einheit zufrieden: "Nun ist es so geworden, wie es ist. Ich finde es insgesamt gut, jedenfalls politisch ist es die glücklichste Phase in meinem Leben gewesen."

29. September 2011/IB

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