"Maskenmann"-Opfer erheben Vorwürfe gegen Betreuer und Heimbetreiber
Zwei Wochen vor Beginn des Prozesses in Stade gegen den mutmaßlichen Mörder und Kinderschänder Martin N. erheben Opfer neue Vorwürfe. Einige von ihnen beklagen, dass ihnen der Missbrauch in den Ferienfreizeiten nicht geglaubt wurde. "Die Betreuer haben das teilweise als Traum abgetan, das hat mich sehr wütend gemacht", sagt Lukas (Name geändert) in der Sendung "Menschen und Schlagzeilen" im NDR Fernsehen (Sendung: Dienstag, 27. September, 21.15 Uhr).
Auch Lehrer und Schulen haben offensichtlich die Schilderungen häufiger nicht ernst genommen. Nach Angaben der Mutter eines der Missbrauchs-Opfer reagierten diese abweisend auf Nachfragen: "Ich hätte mir gewünscht, dass die Schule einmal mit mir spricht und das nicht als Traum abfertigt, dass man mir zugehört hätte." Die Heimbetreiber haben in einigen Fällen die Vorkommnisse offenbar ebenfalls nicht gemeldet. Sie verstärkten zwar ihre Sicherheitsmaßnahmen, informierten aber nicht immer die umliegenden Heime und den Dachverband. Willi Schäfer, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender im Dachverband "AG Bremer Schullandheime" bestätigte gegenüber "Menschen und Schlagzeilen", dass er von einer Vielzahl der Fälle erst jetzt erfahren habe. "Ich bin darüber erschüttert." Dabei besuchte der mutmaßliche Täter einige Schullandheime gleich mehrfach, ohne dass Betreuer, Betreiber oder die Polizei zunächst einen Zusammenhang erkennen wollten.
Dass der mutmaßliche Täter von dem Wegschauen profitiert hat, glaubt Carmen Kerger-Ladleif von der Kinderschutzorganisation "Dunkelziffer": "Dieses Schweigen schützt die Täter. Es gibt ihnen Sicherheit, weiterzumachen."
Trotz der Serie von Taten dauerte es auch bei der Polizei lange, bis ein Serienzusammenhang erkannt wurde. Als eine Lehrerin bei einem der ersten Fälle in Hepstedt (Landkreis Rotenburg) einen schwarzen Mann auf dem Flur bemerkt haben wollte, fühlte sie sich von der Polizei als "hysterisches Weib" behandelt. Die Kriminologin Monika Frommel von der Uni Kiel: "Nach dem dritten, vierten Fall hätte man eine Sonderkommission gründen müssen, denn wieso sollte ein Serientäter, der ein gutes Doppelleben hat und sich gut auskennt, aufhören?" Die Ermittlungsbehörden wollten sich mit Blick auf den beginnenden Prozess nicht äußern.
Tatverdächtig ist der Hamburger Martin N., der nach seiner Verhaftung im April 2011 gestanden hatte, der "Maskenmann" zu sein. Ihm werden drei Morde und mehr als 40 Missbrauchsfälle an Jungen im Alter von sechs bis 14 Jahren vorgeworfen. Die meisten der Übergriffe fanden in Schullandheimen und Zeltlagern statt.
Im Schullandheim Zeven-Badenstedt ermittelt die Polizei in insgesamt sieben Fällen. Im Schullandheim Hepstedt soll der "Maskenmann" innerhalb nur eines Jahres neun Mal gewesen sein. "Wenn sogar mehrere Taten in einem Jahr an ein und derselben Stelle passieren, da stelle ich mir schon die Frage, wieso man nicht darauf kam, dass es vielleicht ein Serientäter sein könnte", sagt Lukas im NDR. Auch die Tatorte, an die die Mordopfer Dennis K. und Dennis R. gelockt wurden, besuchte der Täter mehrfach: Nach Aktenlage tauchte der "Maskenmann" im Schullandheim Wulsbüttel (Landkreis Cuxhaven) insgesamt drei Mal auf, im Zeltlager "Selker Noor" ebenfalls drei Mal.
27. September 2011/IB
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