Stand: 20.04.2011 10:09 Uhr

Ungeeignete Medikamente gefährden ältere Menschen - NDR Feature über Fehler im Gesundheitswesen

Sendetermin: Ostersonntag, 24. April, 11.05 Uhr, NDR Info

Zu viele und falsch dosierte Medikamente stellen insbesondere für ältere Menschen ein bisher kaum beachtetes Risiko dar. In der Reihe "das ARD radiofeature" beleuchtet eine Produktion von NDR Info am Ostersonntag, 24. April, wie millionenfach verabreichte Präparate täglich Gesundheit und Leben von Senioren bedrohen: Wegen unerwünschter Wirkungen von Arzneimitteln werden demnach jährlich 300.000 Deutsche in Krankenhäusern behandelt, darunter überdurchschnittlich viele ältere Patienten. 16.000 bis 24.000 Menschen sterben durch die unkoordinierte Behandlung mit Arzneimitteln. Die Hälfte bis zwei Drittel dieser Todesfälle wären vermeidbar, so das einstündige Feature "Riskante Rezepte" der NDR Autorin Martina Keller (Redaktion: Ulrike Toma).

Viele für Kinder verschriebene Präparate wurden eigens für die jüngsten Patienten untersucht und zugelassen. Für Senioren gilt das nicht. Dabei sind etliche millionenfach verabreichte Medikamente für die Behandlung älterer Patienten potentiell ungeeignet. "Wir machen hier einen großen Feldversuch", sagt der Hausarzt Wolfgang Dörr. Oft bekommen betagte Patienten neun, zwölf oder noch mehr Medikamente verordnet. Der Bremer Arzneimittelexperte Gerd Glaeske nennt diese Praxis einen "Anschlag auf die Gesundheit". In Pflege- und Altersheimen bekommt laut der Pharmakologin Petra Thürmann von der Helios Klinik in Wuppertal jeder dritte Bewohner ein Neuroleptikum gegen Verhaltensstörungen verabreicht - teils mit verheerenden Folgen. "Demenzpatienten sterben mehr und häufiger, wenn sie über mehrere Monate mit Neuroleptika behandelt werden", warnt Glaeske. Das Sterberisiko für Demenzpatienten steige bei der langfristigen Behandlung mit Neuroleptika auf das 1,6-Fache.

Erste Ansätze zur Problemlösung gibt es: Ein Team um Thürmann hat mit Förderung des Bundesforschungsministeriums die sogenannte Priscus-Liste zusammengestellt. Darauf sind 83 Medikamente, die für Ältere potenziell gefährlich sind. In Hessen erprobt eine Gruppe von Hausärzten ein Arzneimittelinformationssystem, das bedenkliche Dosierungen und Wirkstoffkombinationen anzeigt. Zu Wort kommt auch die erste Fachapothekerin für geriatrische Pharmazie in Deutschland. Sie berichtet vom sorglosen Umgang in Altersheimen mit den "Mittelchen" aus den Labors der umtriebigen und geschäftstüchtigen Pharmaindustrie.

Die Autorin Martina Keller (*1960, Bochum) arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin in Hamburg. Ihr Interesse gilt vor allem Themen an der Schnittstelle von Medizin und Gesellschaft. Sie recherchierte Hintergründe des Organhandels und schrieb über die Unterwanderung von Selbsthilfegruppen durch die Pharmaindustrie. Mehrere ihrer Arbeiten wurden mit Journalistenpreisen ausgezeichnet, zuletzt "Der Fall des Chirurgen Broelsch" (WDR/NDR/DLF 2010) mit dem Featurepreis 2010 der Stiftung Radio Basel und dem Goethe Medienpreis.

Das Feature läuft in der Reihe "das ARD radiofeature". Diese startete im Januar 2010 und legt den Fokus auf investigativ-journalistische Produktionen. Jedes Feature wird in den Kultur- und Wortprogrammen der sieben beteiligten ARD-Sender gesendet. Alle Produktionen stehen nach Ausstrahlung für zwölf Monate unter www.radiofeature.ard.de zum Download zur Verfügung. Insgesamt neun einstündige Features sind 2011 in der Sendereihe zu hören. Damit knüpfen die Wort- und Kulturwellen BR 2, HR 2-Kultur, SR 2 KulturRadio, SWR 2, NDR Info, Nordwestradio und WDR 5 an den erfolgreichen Auftakt dieser Reihe im Vorjahr an.



20. April 2011 / RC

***************************************
NDR Presse und Information
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
presse(at)ndr.de
www.ndr.de

NDR Logo
Dieser Artikel wurde ausgedruckt unter der Adresse: https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/pressemeldungndr8103.html