Stand: 18.05.2010 15:04 Uhr

Landesrundfunkrat zum "Fall Rapior": Kein Verstoß gegen journalistische Grundsätze bei geprüften Berichten

Der Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein hat im "Fall Rapior" die Berichte des ehemaligen NDR Fernsehredakteurs Gerd Rapior einer intensiven und umfassenden Prüfung unterzogen. Das für die Programmkontrolle zuständige Aufsichtsgremium kommt zu dem Ergebnis, dass eine einseitige Platzierung von Themen oder Berichten durch Rapior nicht festzustellen ist. "Die von uns gesichteten Berichte haben journalistischen Grundsätzen entsprochen", sagte der Vorsitzende Peter Eichstädt. Außerdem habe die Analyse der redaktionellen Kontrollmechanismen durch den Landesrundfunkrat ergeben, dass eine Manipulation des Programms oder eine interessengeleitete Einflussnahme durch einen einzelnen Mitarbeiter auszuschließen sei. Eichstädt unterstrich, dass es im "Fall Rapior" um die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit des NDR, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Journalismus insgesamt gehe. Bei der Prüfung der Berichte sei sich der Landesrundfunkrat als Gremium der Programmkontrolle deshalb seiner besonderen Verantwortung bewusst gewesen. "Im Ergebnis können wir feststellen, dass Rapior keine unzulässige Einflussnahme auf das Programm ausgeübt hat", so Eichstädt. Der Landesrundfunkrat machte außerdem deutlich, dass seine Prüfung einzig der Programmkontrolle gedient habe, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hinsichtlich der strafrechtlichen Relevanz davon jedoch unberührt blieben.

Friedrich-Wilhelm Kramer, Direktor des NDR Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, betonte, auch wenn bei den Berichten von Rapior kein Verstoß gegen journalistische Grundsätze festzustellen sei, so habe er dennoch mit Medientrainings für Politiker und mit Beraterverträgen in gravierender Weise Dienstvorschriften und Interessen des NDR verletzt. "An der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Berichterstattung darf es keinen Zweifel geben", so Kramer. Rapior hatte nach seiner Suspendierung Ende März von sich aus fristlos gekündigt, um einer bereits vorbereiteten fristlosen Kündigung durch den NDR zuvor zu kommen. In diesem Zusammenhang begrüßte das Gremium noch einmal das schnelle und entschiedene Vorgehen des NDR im "Fall Rapior".

Der Landesrundfunkrat Schleswig-Holstein hatte in mehreren Sitzungen rund 100 Berichte von Gerd Rapior aus den vergangenen Jahren untersucht sowie die redaktionellen Abläufe und Kontrollmechanismen im Fernsehbereich des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein analysiert. Die Prüfung umfasste alle Berichte, die im Zusammenhang mit den laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und den Beratertätigkeiten von Rapior stehen und die Rapior selbst als Autor realisiert bzw. als Tages- oder Nachrichtenredakteur verantwortet hatte. Dabei stellte der Landesrundfunkrat fest, dass alle Themen der von Rapior selbst realisierten Berichte auch Themen in der Tagespresse gewesen sind. Peter Eichstädt: "Der Landesrundfunkrat hat diese Sachlage als klaren Beleg für die Relevanz der Themen und der Berichte gewertet." Lediglich in einem Fall konnte eine Berichterstattung in der Presse nicht festgestellt werden. Es handele sich dabei um einen 35 Sekunden langen Nachrichtenfilm über eine Kundenbox der Deutschen Bahn als Pilotprojekt in Travemünde. Das Thema sei von den Gremienmitgliedern als nur bedingt relevant erachtet worden, so Eichstädt.

Zu den redaktionellen Abläufen und Kontrollmechanismen teilte Eichstädt nach einer intensiven Analyse mit, dass es sich dabei nach Auffassung des Landesrundfunkrates um ein professionelles, transparentes und effektives System handele. Jedes Thema werde in verschiedenen Konferenzen mehrfach redaktions-öffentlich diskutiert, jeder Beitrag werde zudem stets von einem zuständigen Redakteur abgenommen. "Einseitige oder interessengeleitete Einflussnahme eines Einzelnen ist innerhalb dieses Systems so gut wie ausgeschlossen", so Eichstädt. Was den ehemaligen Fernsehredakteur Rapior betreffe, so sei dieser beim NDR weder in leitender noch in hierarchischer Funktion tätig gewesen.

Friedrich-Wilhelm Kramer wies gegenüber dem Landesrundfunkrat darauf hin, dass der NDR die Staatsanwaltschaft weiter in jeder Hinsicht unterstütze. Man wisse jetzt, dass der ehemalige Fernsehredakteur Rapior eine ganze Reihe von Beraterverträgen abgeschlossen hatte und zum Beispiel bei der Damp Holding in einer Leistungsbilanz Berichte auflistete, mit denen er gar nichts zu tun hatte. Der NDR habe von den Beraterverträgen und den Medientrainings keine Kenntnis gehabt und sei bewusst getäuscht worden, so Kramer. Für den Landesrundfunkrat ergänzte der Vorsitzende Peter Eichstädt, dass auch die Rolle der Unternehmen und Institutionen kritisch zu bewerten sei, die Geldzahlungen an Rapior geleistet hätten.

Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt gegen Gerd Rapior wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und sieht den ehemaligen NDR Redakteur wegen seiner Beschäftigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Amtsträger. Rapior hat seine Verfehlungen bezüglich der nicht genehmigten Nebentätigkeiten eingeräumt und sich dafür entschuldigt. Den Vorwurf der Bestechlichkeit weist er zurück.


18. Mai 2010/TK

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