Stand: 15.04.2010 09:22 Uhr

"Panorama" -- Wehrbeauftragter Robbe: Bundeswehr lässt verwundete Soldaten im Stich

Bundeswehrsoldaten, die im Dienst verwundet wurden, kämpfen oft jahrelang und häufig vergeblich um die Anerkennung ihrer Wehrdienstbeschädigung. Das bezeichnet der noch amtierende Wehrbeauftragte Reinhold Robbe im ARD-Politikmagazin "Panorama" (Sendung: Donnerstag, 15. April, Das Erste) als einen "Skandal". Betroffene Soldaten würden "im Stich gelassen". Das sei "verheerend." Vor allem Soldaten mit "posttraumatischen Belastungsstörungen" (PTBS) stünden mit ihren Erkrankungen oft allein da.

Bis heute haben nach Auskunft des Wehrbeauftragten rund 600 Soldaten mit PTBS -Erkrankungen einen Antrag auf Wehrdienstbeschädigung (WDB) eingereicht. Weniger als ein Drittel der Anträge wurden anerkannt. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums auf Anfrage von "Panorama" ist die Zahl solcher Verfahren rasant gestiegen. Waren es 2009 erst 109 Verfahren, sind es derzeit schon 197. Zur Anerkennungsquote machte das Ministerium bisher keine Angaben.

Typisch für diese Fälle sind nach "Panorama"-Recherchen eine lange Verfahrensdauer und eine geringe Anerkennungsquote. Dabei spielen die Voten externer, ziviler Gutachter offenbar eine erhebliche Rolle. Eine solche Gutachterin aus Bremen etwa reduziert den Beschädigungsgrad mit folgender Begründung, die "Panorama" vorliegt: "Unter Beschuss zu stehen", könnte für einen Soldaten im Auslandseinsatz "nicht als außergewöhnlich belastend angesehen werden." Nach Auskunft des Verteidigungsministeriums sind für solche gutachtlichen Stellungnahmen nur drei Bundeswehr-Mitarbeiter fest eingeteilt, während insgesamt 22 Außengutachter für diese Aufgabe eingesetzt werden.

Die Vergabe von Gutachten "an Sachverständige, die von militärischer Materie offensichtlich keine Ahnung haben", kritisiert der Wehrbeauftragte Robbe in "Panorama" massiv: "Hier muss unterstellt werden, dass der Dienstherr, der einen Auftrag gibt, ein bestimmtes Ergebnis haben will." Offenbar, so Robbe, stecke System dahinter. Er müsse manchmal den Eindruck haben, dass in den "Wehrdienstbeschädigungsverfahren immer erst einmal für den Staat entschieden wird und gegen den betroffenen Patienten". Zu diesem Vorwurf äußerte sich das Verteidigungsministerium bisher nicht.

Auch der ehemalige Leiter der Psychiatrie im Bundeswehrkrankenhaus Bad Zwischenahn, Oberfeldarzt a.D. Dr. Klaus Pellnitz, bestätigt in "Panorama" den Eindruck, es werde in den Gutachten gezielt nach Gründen gesucht, um den Schädigungsgrad herabzusetzen: "Ich habe nie erlebt, dass ein Grad der Schädigung heraufgesetzt wurde ... ich habe immer häufiger erlebt in den letzten Jahren, dass der Grad der Schädigung herabgesetzt wurde."

Ein weiteres Problem bei der Versorgung kranker Soldaten sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten. Nach Entlassung aus der Bundeswehr sind die Versorgungsämter der Länder zuständig, doch die scheinen überfordert zu sein. Manche Anträge von Soldaten werden monatelang nicht bearbeitet. Ein ehemaliger Soldat aus Leipzig, Steven Ruhnke, steht nach einem mittlerweile 15 Jahre dauernden Verfahren mittellos da. Das Versorgungsamt hat ihn nun an das Sozialamt verwiesen. Jetzt muss der ehemalige Bundeswehrsoldat Sozialhilfe beantragen. Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen, wird der Wehrbeauftragte Robbe den Ex-Soldaten am Donnerstag (15. April) beim Gang zum Sozialamt Leipzig begleiten.

14. April 2010/RP

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