Stand: 02.01.2009 11:38 Uhr

Hochleistungstraining am Schreibtisch: Hans-Ulrich Wehler zu Gast bei "Wickerts Bücher"

Sendung: Sonntag, 4. Januar, 13.00 Uhr, NDR Kultur

Was die Kraft eines Einzelnen zu überfordern schien, hat dieser Einzelne nun geschafft: Hans-Ulrich Wehler hat seine "Deutsche Gesellschaftsgeschichte" vollendet. In der Sendung "Wickerts Bücher" am Sonntag, 4. Januar, ab 13.00 Uhr auf NDR Kultur spricht Ulrich Wickert mit Wehler über den Abschluss dieses großen Unternehmens, über deutsche Identitäten und Mythen, über die Leistungsgesellschaft und deren vermeintliche Erosion sowie über Wehlers Liebe zu den USA.

Als junger Mann war Hans-Ulrich Wehler Leistungssportler: Er spielte Handball beim VfL Gummersbach und war als Mittelstreckenläufer Westdeutscher Meister sowie Studentenmeister über 400 und 800 Meter. "Diese acht Jahre im Leistungssport haben mich schon sehr geprägt", sagt Wehler. "Es gibt Freunde, die sagen, ich hätte das kontinuierliche Training eigentlich nur an den Schreibtisch verlegt. Man braucht natürlich einen längeren Atem als sonst üblich, um solche Bände fertig zu stellen." Anfang der 80er-Jahre hat der Bielefelder Historiker mit seinem Projekt einer Gesellschaftsgeschichte der Deutschen begonnen, einer Geschichte von 1700 bis 1990, immer ausgerichtet an den Leitmotiven Wirtschaft, Herrschaft, Kultur und soziale Ungleichheit. Mit dem kürzlich erschienenen fünften Band, der die Geschichte der Bundesrepublik und der DDR behandelt, ist das 5000-seitige Werk vollständig.

1931 wurde Hans-Ulrich Wehler im Siegerland geboren. Während des Studiums der Geschichte, Ökonomie und Soziologie träumte er zunächst davon, Journalist zu werden. Schnell drängte sich ihm aber das Gefühl auf, dass schöpferisches Arbeiten unter permanentem Zeitdruck nicht das Richtige für ihn sei, also entschied er sich für die universitäre Karriere. Schon als junger Historiker erarbeitete er sich das Renommee eines respektlosen, scharfsichtigen, ungewöhnlich pointiert formulierenden Wissenschaftlers. Wehlers Anliegen war es, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften als wichtige Zweige der Geschichtsforschung zu etablieren und damit bei der Analyse besonderes Gewicht auf die Strukturen und die Umstände, unter denen Menschen agieren und Geschichte machen, zu legen. Ob der Mensch aus der Geschichte lernen könne, sei allerdings fraglich - die historische Forschung jedenfalls könne keine Prognosen darüber ermöglichen, wie Gesellschaften sich künftig entwickeln werden, sagt Wehler aus eigener Erfahrung als irrender Wissenschaftler; es gehe "lediglich" darum, die "kritische Erinnerung" zu schärfen.


2. Januar 2009 / JS

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