Stand: 23.05.2012 14:15 Uhr

NDR Info: Ex-Innenminister Beckstein vermutete frühzeitig Ausländerfeindlichkeit hinter Neonazi-Morden

Der frühere bayerische Innenminister Günther Beckstein hat bereits im Jahr 2000 nach der ersten Tat der Neonazi-Mordserie Ausländerfeindlichkeit als Motiv vermutet. Die Nürnberger Polizei sah nach einer mehrwöchigen Prüfung aber keine Anhaltspunkte für einen ausländerfeindlichen Hintergrund. Das geht aus Unterlagen hervor, die dem Radioprogramm NDR Info vorliegen. Im Mai 2006 erkundigte sich Beckstein erneut. Nach inzwischen neun Morden hielt dann auch die Polizei ein fremdenfeindliches Motiv für denkbar. Beckstein sagt an diesem Donnerstag im Bundestags-Untersuchungsausschuss aus.

Am 12. September 2000, nur drei Tage nach dem Mord an dem Blumenhändler Simsek in Nürnberg, notierte Günther Beckstein an den Rand eines Zeitungsartikels dazu: "Bitte mir genau berichten. Ist ausländerfeindlicher Hintergrund denkbar?" Damit sprach der CSU-Politiker ein Motiv an, das die bayerischen Ermittler erst im Frühjahr 2006 in Erwägung zogen. Wie von Beckstein gewünscht berichtete die Nürnberger Kriminalpolizei Anfang Oktober 2000 über den aktuellen Sachstand im Fall Simsek: "Derzeit sind weder das Motiv für die Tat, noch Anhaltspunkte für eine Täterschaft vorhanden." Am ehesten sei ein "Motiv im persönlichen oder geschäftlichen Umfeld zu suchen". Und: "Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass derzeit keine Anhaltspunkte für einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Tat vorliegen."

Nach inzwischen neun Morden mit derselben Waffe notierte der bayerische Innenminister im Mai 2006 abermals neben einem Zeitungsartikel: "Könnte bei den Türken-Morden Fremdenfeindlichkeit das Motiv sein?" Diesmal bestätigten die Fahnder die Vermutung des Ministers. Sie verwiesen auf eine gerade fertiggestellte neue Fallanalyse bayerischer Profiler. Danach wurde neben der These, die Täter gehörten einer kriminellen Organisation an, nun auch die Alternativhypothese verfolgt, es könnte sich um einen Einzeltäter mit "Abneigung gegen türkisch aussehende Personen" und einer "möglicherweise vorhandenen fremdenfeindlichen Einstellung" handeln. Dafür wurde am 1. Juni 2006 eine eigene Ermittlungsgruppe gegründet, die auch in der rechten Szene ermittelte.

23. Mai 2012/RC

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