Stand: 19.10.2015 19:00 Uhr

Viele Landräte und Bürgermeister halten Nebenverdienste geheim

Viele Landräte und Bürgermeister in Norddeutschland nehmen zwischen 20.000 und 30.000 Euro im Jahr durch Nebenverdienste ein. Das ergeben Recherchen des Politikmagazins "Panorama 3" im NDR Fernsehen, das Amtsträger im Norden nach Nebeneinkünften und bezahlten Ehrenämtern befragte. Ein Drittel der Landräte und Bürgermeister verweigert allerdings eine vollständige Offenlegung ihrer Einkünfte und hält sie geheim.

"Panorama 3" hat 85 Landräte, Bürgermeister von Städten mit mehr als 60.000 Einwohnern sowie Bezirksamtsleiter in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen befragt. 32 davon haben keine oder keine vollständigen Angaben zu ihren Nebeneinkünften gemacht. Besonders in Niedersachsen haben auffällig viele Kommunalpolitiker nicht umfassend geantwortet. Hartmut Brocke von Transparency International kritisiert diese Geheimniskrämerei: "Das wichtigste Mittel, um Korruption zu bekämpfen, um Interessenkollision zu vermeiden, ist Transparenz. Die Öffentlichkeit muss erfahren, welche Nebentätigkeiten man ausübt und wie viel Einnahmen daraus generiert werden." Viele Landräte sehen das offenbar anders. Jörg Bensberg beispielsweise, Landrat des Ammerlands, verweist explizit auf seine "Privatsphäre". Landrat Bernhard Bramlage aus Leer pocht auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Eigentlich gelten für Nebenverdienste von Wahlbeamten Grenzen. Je nach Bundesland und Besoldungsstufe dürfen sie in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zwischen 4900 und 6100 Euro, in Schleswig-Holstein 5550 Euro, in Hamburg 5500 Euro und in Niedersachsen zwischen 5400 und 6200 Euro pro Jahr behalten. Alle darüber hinausgehenden Einnahmen müssen an Kreis oder Kommune abgeführt werden. Aber es gibt Ausnahmen: Öffentliche Ehrenämter sind per se von dieser Regelung ausgenommen - und so kommen deutlich höhere Einnahmen zustande.

Spitzenverdiener unter den Kommunalpolitikern die geantwortet haben, ist der Pinneberger Landrat Oliver Stolz (parteilos). Er bezog im vergangenen Jahr insgesamt 28.430 Euro durch Nebenverdienste und öffentliche Ehrenämter. An zweiter Stelle folgt der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), der auf 28.170 Euro pro Jahr kommt, allerdings sind dabei Sitzungsgelder noch nicht berücksichtigt. Der Landrat des Kreises Rendsburg-Eckernförde, Rolf-Oliver Schwemer (parteilos), verdiente im vergangenen Jahr 27.534 Euro hinzu und damit am drittmeisten. Insgesamt 15 Landräte und Oberbürgermeister im Norden haben Nebenverdienste von mehr als 20.000 Euro - zumindest von denen, die auf die "Panorama 3"-Anfrage vollständig geantwortet haben.

Von den zehn Spitzenverdienern im Norden kommen fünf aus Schleswig-Holstein. Darunter sind neben Oliver Stolz und Rolf-Oliver Schwemer die Oberbürgermeister von Norderstedt und Neumünster, Hans-Joachim Grote (CDU) und Olaf Tauras (parteilos). Im "Panorama 3"-Interview verweist Oliver Stolz (Pinneberg) auf den besonderen Aufwand und die besondere Verantwortung der Tätigkeiten. Die hohen Nebeneinkünfte hält er insofern für gerechtfertigt. Ähnlich äußern sich weitere Kommunalpolitiker - und verweisen darauf, dass die Einnahmen privat seien und versteuert würden.

Haupteinnahmequelle der Amtsträger sind Nebentätigkeiten bei regionalen Sparkassen, in den meisten Fällen für Sitze in den Verwaltungsräten. Je nach Bank werden dafür pro Person bis zu 15.000 Euro pro Jahr bezahlt. Den Landräten und Bürgermeistern helfen dabei die Sparkassengesetze der Länder. Dort sind Nebentätigkeiten für Sparkassen als so genannte "öffentliche Ehrenämter" definiert. Das hat zur Folge, dass die Einkünfte nicht an Kreis oder Stadt abgeführt werden müssen. Aus der Sicht von Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen ist die Regelung "überhaupt nicht nachvollziehbar" und überholt.

Außerdem gibt es Nebentätigkeiten, die laut Definition nicht "zum Hauptamt" gehören bzw. "nicht innerhalb des öffentlichen Diensts" ausgeübt werden. Für diese Tätigkeiten gilt ebenso keine Abführungspflicht. Welche Nebentätigkeit am Ende abführungspflichtig ist und welche nicht, wird allerdings im Einzelfall vor Ort definiert. So konnte beispielweise der Braunschweiger Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD) aufgrund einer lokalen Sonderregel im Jahr 2014 alle Nebenverdienste in Höhe von 27.446 Euro behalten.

Das Grundeinkommen für Landräte beträgt zwischen 90.000 und 110.000 Euro jährlich.


Eine Übersichtskarte mit den Rechercheergebnissen für ganz Norddeutschland finden Sie unter www.ndr.de/nachrichten/nebenverdienst104.html

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"Panorama 3" läuft dienstags um 21.15 Uhr im NDR Fernsehen. Informationen zur Sendung finden Sie unter www.NDR.de/panorama3

19. Oktober 2015 / IB

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