Stand: 13.09.2016 01:00 Uhr

Neue Studien zu Handy am Steuer: doppelt so viele Sünder auf Autobahnen wie im Stadtverkehr

Trotz hoher Unfallgefahr nehmen Autofahrer ihr Handy auf Autobahnen doppelt so häufig in die Hand wie im Stadtverkehr. Zu diesem Ergebnis kommen zwei noch unveröffentlichte Studien der Technischen Universität Braunschweig, die den Radioprogrammen NDR Info und N-JOY vorliegen. Die Verkehrspsychologen registrierten bei ihren Beobachtungen Tippen auf dem Handy als häufigste Nebenbeschäftigung von Autobahnfahrern. 5,8 Prozent waren durch Tippen abgelenkt, weitere 1,5 Prozent hielten das Mobiltelefon ans Ohr. Damit nutzen auf Autobahnen doppelt so viele Fahrer ihr Handy vorschriftswidrig wie im Stadtverkehr. Dort tippten 2,3 Prozent, 1,4 Prozent hielten ihr Telefon zum Gespräch am Ohr.

Studienleiter Prof. Mark Vollrath sieht darin eine Ursache für viele Auffahrunfälle auf Autobahnen. "Das ist die stärkste Form der Ablenkung: Eine Hand weg vom Lenkrad und insbesondere den Blick weg von der Straße - und das häufig erstaunlich lange. Bei den hohen Geschwindigkeiten auf den Autobahnen fährt man da schnell 50 oder 100 Meter blind."

Die Wissenschaftler der TU Braunschweig hatten im Frühjahr das Verhalten von 2022 Autofahrern auf der A2 zwischen Hannover und Helmstedt dokumentiert, während sie neben ihnen fuhren. Im selben Zeitraum beobachteten sie 2966 Autofahrer im Stadtverkehr von Braunschweig. Obwohl laut Forschern die Handynutzung im Stadtverkehr im Vergleich zum vergangenen Jahr leicht zurückgegangen ist, stellt sie immer noch die größte Ablenkung beim Fahren dar. Mit Essen, Trinken und Rauchen beschäftigten sich demnach insgesamt nur 4,4 Prozent der Beobachteten auf der Autobahn und 3,5 Prozent im Stadtverkehr.

Vollrath: "Gerade bei den häufig langweiligen, langen Fahrten auf der Autobahn ist die Versuchung offensichtlich groß, sich ablenken zu lassen. Das Smartphone spielt dabei eine zentrale Rolle. Die meisten haben das Smartphone in der Hand - nicht nur zum Telefonieren, sondern auch, um zu lesen, zu chatten und Apps zu bedienen. Das liegt auch am Reiz des Handys, das ja nicht mehr wegzudenken ist: Man braucht ja ständig den sozialen Kontakt, muss ständig Nachrichten austauschen."

Wie oft Handynutzung Ursache von Unfällen und vor allem Auffahrunfällen auf Autobahnen ist, wissen die Experten mangels aussagekräftiger Erhebungen nicht. Statistiken aus Ländern wie den USA oder Österreich nennen die Nutzung von Handys als eine der Hauptunfallursachen. Das Schreiben einer SMS oder das Eintippen einer Telefonnummer erhöht das Unfallrisiko laut Studien um das Sechs- bis Zwölffache. Auf Autobahnen haben Auffahrunfälle vor einigen Jahren Geschwindigkeitsübertretungen als Unfallursache überholt. 2015 waren laut Statistischem Bundesamt 48 Prozent der Unfälle mit Personenschaden Auffahrunfälle.

Im Gespräch mit N-JOY und NDR Info vermutete Mark Vollrath einen Zusammenhang mit der starken Handynutzung: "Dreieinhalb Sekunden bei 120 - dann sind Sie 120 Meter blind gefahren. In 120 Metern kann wirklich viel passieren. 120 Meter vorauszuschauen, was der andere tun wird, ob der bremsen wird, ob da ein Stau-Ende auftaucht - das ist eigentlich unmöglich. Die Gefahren, denen man sich aussetzt, sind immens."

Handys dürfen laut Straßenverkehrsordnung während der Fahrt nicht in die Hand genommen und benutzt werden. Verstöße von Autofahrern werden mit 60 Euro Bußgeld und einem Punkt beim Flensburger Kraftfahrtbundesamt geahndet. N-JOY, das junge Radioprogramm des NDR, weist seit April in einer Kampagne auf die Gefahren der Handynutzung im Straßenverkehr hin. Bei der Aktion "Kopf hoch. Das Handy kann warten." werden Hörerinnen und Hörer regelmäßig daran erinnert, auf die Straße zu schauen und nicht auf das Display.

Informationen, Bild- und Videomaterial zum Download finden Sie unter N-JOY.de/downloads online.

14. September 2016 / RC

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