Stand: 09.12.2015 15:30 Uhr

Gül Pinar auf NDR 90,3: Aussage von Beate Zschäpe nur Taktik

von Stephan Heller (Moderator NDR 90,3)

Die Hamburger Anwältin Gül Pinar vertritt die Familie des Opfers aus Bahrenfeld Süleyman Tasköprü.
Sie haben die aussagen live gehört.
Wie nehmen Sie die Stimmung heute wahr?

Gül Pinar: Die Stimmung war heute Morgen natürlich sehr gespannt, wir alle wollten hören, was da gesagt wird. Und es ist nahezu enttäuschend, was dann gekommen ist, und dementsprechend ist die Stimmung denk‘ ich auch. Licht ins Dunkle hat das Ganze nicht gebracht.

Stephan Heller: Beate Zschäpe hat nun unter anderem bestritten, jemals Mitglied in der NSU-Terrorgruppe gewesen zu sein, bestreitet jegliche Beteiligung an den Morden. Wie glaubwürdig sind aus Ihrer Sicht diese Aussagen?

Gül Pinar: Es ist eine Aussage, die man jetzt gehört hat, aber natürlich nicht glauben muss. Und eine Aussage muss sich einer Glaubhaftigkeitsüberprüfung unterwerfen. Und das findet bei Gericht nun 'mal durch Fragen und Antworten statt. Und dem hat sie eigentlich auch einen Riegel vorgeschoben, indem sie sagt: "Erstens werde ich nicht spontan auf Fragen antworten und zweitens nicht auf alle Fragen. Und Fragen der Nebenklagevertreter und Nebenkläger persönlich werde ich per se nicht beantworten", sodass wir einfach 'mal gucken müssen, wie das Gericht auch damit umgeht, beispielsweise werden wir aus der Sicht der Hamburger Fragen formulieren und den Senat bitten, diese Fragen als die eigenen zu stellen. Ob sie dem auch stattgeben werden und wie Beate Zschäpe damit umgeht.

Stephan Heller: Hat sie sich denn eigentlich zum Fall in Hamburg Bahrenfeld konkret geäußert?

Gül Pinar: Also man muss sagen, dass sie sich überhaupt zu keiner Tat konkret geäußert hat. Ihre Aussage war sehr detaillos. Insbesondere zu Hamburg hat sie überhaupt nichts gesagt, also nicht einmal den Namen Süleyman Tasköprü in den Mund genommen.

Stephan Heller: Sie hat sich bei den Opfern entschuldigt aufrichtig, nehmen Sie ihr das ab?

Gül: Pinar: Ich finde, dass der Zeitpunkt einer Entschuldigung so spät kommt, das ich ihr das nicht abnehmen kann. Ich habe immer gesagt, dass sie auch ohne Schuldeingeständnis, also ohne irgendwas zu ihrer Tatbeteiligung zu sagen, hätte von Anfang an sagen können: "Das was geschehen ist, tut mir aufrichtig leid" Dass das jetzt kommt, klingt nach Taktik.

Stephan Heller: Und wie geht´s jetzt Ihrer Meinung nach im Prozess weiter?

Gül Pinar: Der Senat wird sich genau überlegen, welche Fragen jetzt zu stellen sind, um die Glaubhaftigkeitsprüfung soweit es geht, vornehmen zu können. Ich gehe davon aus, dass dafür einige Zeit benötigt wird und Beate Zschäpe gesagt hat, dass sie mündlich nicht antworten wird, wird sie auch wiederum mit ihren Verteidigern Zeit benötigen, um die Antworten vorzubereiten. Ich gehe davon aus, dass der Senat ihr diese Zeit auch geben wird. Es ist nun 'mal ein wichtiges Beweismittel in einem Prozess, wenn der Angeklagte sich äußert.

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