Stand: 12.05.2020 00:40 Uhr

Chat-Protokoll: Knie-Arthrose, Herzneurose und neue Hüfte

Porträt von Dr. Helge Riepenhof, im Hintergrund ein Gymnastikraum. © Jens Jarmer/BG Klinikum Hamburg
Dr. med. Helge Riepenhof ist Sportmediziner und Orthopäde am BG Klinikum Hamburg.

Bewegung als Medizin: Wie kann ich selbst vorbeugen oder meine Erkrankung lindern? Was kann ich etwa bei Knie-Arthrose oder bei einer Herzneurose tun? Welche Übungen gibt es, um die Muskulatur nach einer Hüftprothesen-OP zu aktivieren? Um diese Themen ging es am Montag, 11. Mai 2020, ab 21 Uhr bei den Bewegungs-Docs.

Nach der Sendung hat Sportmediziner Helge Riepenhof Ihre Fragen im Chat beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen.

Renate: Darf ich mit meiner neuen Hüfte nach acht Monaten wieder tanzen?

Dr. Helge Riepenhof: Hallo Renate, nach acht Monaten ist die Hüftprothese sicher fest eingewachsen und Sie können mit dem Tanzen wieder starten. Wichtig dabei ist nur, dass Sie langsam starten und nicht gleich mit wilden Bewegungen und Drehungen anfangen.

Ferdinande: Ich leide an einer Herzneurose und traue mich daher auch nicht ein Belastungs-EKG beim Kardiologen zu machen. Dies ist aber die Voraussetzung zur Teilnahme an einer Herzsportgruppe. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wüssten Sie eine Lösung?

Riepenhof: Liebe Ferdinande, leider ist ein EKG die Basis für diese Kurse, um den betreuenden Ärzten eine Übersicht über den Gesundheitszustand der Teilnehmer zu geben. Versuchen Sie doch in kleinen Schritten dem EKG näherzukommen. Anfangen kann man zum Beispiel, indem Sie einfach eine EKG-Elektrode mit nach Hause nehmen und sie selber aufkleben. Und dann Schritt für Schritt mehr, ehe das EKG geschafft ist.

Frank G.: Helfen Hyaluronspritzen ins Knie bei Diagnose "Knorpelglatze des Femoropatellargelenks"? Die Schmerzen sind besonders stark beim Treppenabstieg. Was würde helfen?

Riepenhof: Lieber Frank G., sehr häufig hilft Hyaluronsäure und verbessert die Symptome für kurze Zeit. Eine vergleichbare Methode wäre die Injektion von thrombozytenreichem Plasma. Beides injiziert man bis zu dreimal mit ein paar Tagen Abstand dazwischen. Das Schöne ist, dass diese Spritzen häufig helfen, solange die Knorpeldefekte noch nicht zu ausgeprägt sind. Bei fortgeschrittener Arthrose helfen sie dann leider nicht mehr. Insgesamt handelt es sich dabei um eine Maßnahme, die das Fortschreiten einer Arthrose herauszögern kann, heilen kann man die Arthrose damit aber leider nicht.

Helga G.: Welche Meinung haben Sie zur Akupunktur bei Knie-Arthrose?

Riepenhof: Akupunktur kann die Arthrose an sich meiner Meinung nach nicht verbessern. Der Knorpel wird durch die Akupunktur nicht erreicht. Was die Akupunktur aber erreichen kann, ist die positive Beeinflussung der Weichteilstrukturen um das Kniegelenk herum. Und daher sind viele Patienten nach der Akupunktur auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis und die Behandlung lohnt sich.

Kg: Wie nennen sich die schwimmenden Bretter, auf denen der Kniepatient in der Sendung trainierte?

Riepenhof: Es gibt verschiedene Hersteller solcher "Aqua Boards". Wichtig ist dabei gar nicht die Marke, sondern dass auf dem Wasser eine schöne Instabilität erzeugt wird, gegen die Sie trainieren können.

Karl: Ich (männlich, 67 Jahre alt) habe vor fünf Monaten ein neues Hüftgelenk (totale Prothese) bekommen und bin noch sexuell aktiv. Ich habe etwas Bedenken, dass bei der ein oder anderen Stellung das Hüftgelenk rausspringen könnte. Gibt es sexfreundliche Stellungen für Menschen mit Prothesen? Etwas peinlich, das den Orthopäden oder die Krankengymnastin zu fragen, daher wende ich mich an Sie.

Riepenhof: Diese Fragen beschäftigen tatsächlich viele Patienten und leider trauen sich nur wenige, sie zu stellen. Daher vielen Dank für die wichtige Frage! Die "gefährlichen Bewegungen" bei einer künstlichen Hüfte hängen immer vom OP-Zugang zum Hüftgelenk ab. Eine pauschale Antwort kann ich Ihnen daher leider nicht geben. Die meisten Patienten, wie auch Herr Hadamik aus der heutigen Sendung, sollten darauf verzichten, dass die Hüfte so gedreht wird, dass die Füße nach innen zum anderen Fuß zeigen. Insbesondere in Kombination mit einer Hüftbeugung kann dieses zur Luxation führen.

Jule: Ich habe Knie-Arthrose, einen angerissenen Innenmeniskus, meine Kniescheiben sitzen zu weit außen und ich habe sehr starke Schmerzen hinter der Kniescheibe in beiden Knien, wenn ich mich hinknie und beim Treppenabwärtssteigen. Was kann ich tun (bin weiblich, 45 Jahre)?

Riepenhof: Liebe Jule, leider lässt sich diese Frage pauschal nicht beantworten, aber ich versuche ein paar Tipps zu geben. Wenn die Kniescheiben zu weit außen stehen und Treppensteigen wehtut, dann spricht dieses dafür, dass die Kniescheiben Druck auf die äußere Gelenkfläche des Oberschenkelknochens im Kniegelenk ausüben. Dagegen kann man zumindest versuchen zu trainieren. Insbesondere Übungen zur Kräftigung der Oberschenkelinnenseite können die Symptome mindern. Wir haben uns mit einem ähnlichen Fall in der letzten Staffel sehr ausführlich beschäftigt. Dort hatte ein Tanzlehrer ähnliche Beschwerden, schauen Sie doch mal nach.

Nicole B.: Ich hatte 2016 einen Unfall. Februar 2019 wurde ich dann operiert. Ich habe seit dem Unfall bis heute Schmerzen. Werde von den Schmerzen nachts wach. Und ich habe im rechten Knie einen Knorpelschaden vierten Grades. Es wird einfach nicht besser. Was kann ich machen, damit ich endlich schmerzfrei bin?

Riepenhof: Liebe Nicole B., leider kann ich so nicht viel zu Ihrem Kniegelenk sagen. Es ist aber eher ungewöhnlich, dass man nachts von den Schmerzen des Knorpelschadens aufwacht. Das spricht viel mehr für ein muskuläres Problem. Ich würde Ihnen daher empfehlen, noch einmal ihren Arzt aufzusuchen und ihm genau von den Symptomen zu berichten. Dann wird er Sie sicher noch einmal genau untersuchen.

Georg: Laut MRT habe ich schwere Innenmeniskusdegeneration, rupturierte Bakerzyste, Bursitis infrapatellaris, leichtgradige Abflachung des Gelenkknorpels. Mir hat eine Injektion von Hyaluronsäure sieben Monate Beschwerdefreiheit gebracht. Jetzt sind sie wieder da. Ich bin 73 Jahre alt und begeisterter Wanderer, Schwimmer und Radfahrer.

Riepenhof: Danke für die Frage, Georg. Mit Hyaluronsäure können Sie vermutlich etwas Zeit gewinnen. Heilen kann man die Arthrose damit leider nicht. Informieren Sie sich aber vielleicht auch über thrombozytenreiches Plasma (PRP). Dieses ist körpereigen und hat in Studien vergleichbare Effekte gezeigt.

Bernd: Ich (50) habe beidseitig Arthrose im Knie mit heftigen Schmerzen. Könnte die Einnahme von Speisegelatine den Schmerzpegel lindern?

Riepenhof: Lieber Bernd, leider gibt es keine Studie, die belegt, dass die Einnahme von Gelatine irgendeinen positiven Effekt auf Arthrose hat. Auch wurde mir von Patienten bisher nichts davon berichtet. Grundsätzlich ist es ohnehin sehr schwierig, im Gelenkknorpel durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln eine ausreichend hohe Konzentration zu erzielen, die etwas bewirken könnte. Versuchen Sie lieber mehr in Bewegung zu kommen, dann wird der Restknorpel viel besser durch die nährstoffreiche Flüssigkeit im Kniegelenk ernährt.

Tanja: Ich hatte eine dreifache Patellafraktur durch einen Autounfall. Dabei wurde der Knorpel beschädigt, sodass seitdem Knochen auf Knochen reibt. Eine Bakerzyste ist stets vorhanden. Kniebeugen, Sprünge und Ausdauerläufe beispielsweise sorgen oft im Nachhinein für Schmerzen. Halten Sie diese Bewegungen trotzdem langfristig für förderlich oder würden Sie ein anderes Training empfehlen?

Riepenhof: Liebe Tanja, bei fortgeschrittenem Knorpelschaden sind Start-Stopp-Sportarten eher ungünstig. Viele Sprünge sind auch nicht ganz ideal, insbesondere auf hartem Boden. Aber Joggen sollte eigentlich gehen. Ich sage immer: "Man muss fit sein, um zu joggen und nicht joggen, um fit zu werden." Grund für diese Meinung ist, dass viele Läufer nicht ausreichend Rumpfkraft haben und nach einer gewissen Zeit ihre Bewegungsqualität beim Laufen nachlässt. Läuft man dann "nicht mehr ganz rund", belastet dieses sehr stark die Kniegelenke und die Beschwerden treten insbesondere nach dem Laufen auf. Schauen Sie doch mal, ob sie am Ende des Laufes genauso gut laufen wie am Anfang. Viele Rumpfkraftübungen und ein paar Tests dazu finden Sie auch auf der Website oder in unserem Buch.

Marta: Ich bin 72 Jahre alt und habe Arthrose im rechten Knie. Ansonsten bin ich topfit und betreibe seit einigen Jahren Nordic Walking im "sportlichen" Stil. Im Januar traten dabei plötzlich heftige Schmerzen am Innenmeniskus auf. Im Februar bekam ich fünf Hyaluronspritzen. Das Knie ist okay, der Meniskus schmerzt nach wie vor. Meine Frage: Gibt es Übungen für den Meniskus, die ich zu Hause machen kann, oder wäre der Besuch eines Fitnessstudios effektiver?

Riepenhof: Liebe Marta, Ihre Beschwerden lassen mich vermuten, das Sie die Innenseite des Kniegelenkes zu stark belasten. Was viele, auch sportliche Menschen, nicht wissen, ist, dass die Po-Muskulatur ganz entscheidend ist, um die Innenseite des Kniegelenkes zu entlasten. Mein Tipp ist daher, trainieren Sie ihre Po-Muskulatur. Ein schöner Test ist dabei die Kniebeuge, idealerweise einbeinig. Gehen Sie etwas in die Knie und schauen Sie mal, was das Kniegelenk macht. Zeigt es nach Innen, so sollten Sie unbedingt zusätzlich Ihren Po trainieren.

Samson: Besteht generell die Option, dass Verordnungen von Reha-Sport zum Aufbau verloren gegangener Rückenmuskulatur auch als Wassergymnastik ausgeführt werden kann? Derzeit haben bei uns sämtliche Sporteinrichtungen geschlossen. Einzelgymnastik im Wasser ist jedoch möglich.

Riepenhof: Lieber Samson, wenn Ihnen Reha-Sport verordnet wurde, kann dieser viele Formen haben. Erkundigen Sie sich bei Ihren lokalen Sportvereinen oder in ambulanten Rehazentren. Häufig lassen sich dort auch Angebote im Wasser finden.

Jenny Busch: Ich leide seit Längerem unter Schmerzen in der Schulter bei Bewegungen der Abduktion gegen Widerstand. Zum Beispiel wenn der Arm unter einer Decke liegt. Kann es durch Muskelverspannungen im Schulter-Nackenbereich kommen? Was kann ich machen?

Riepenhof: Liebe Frau Busch, Sie beschreiben sehr häufige Schulterprobleme, die entstehen, wenn "der Oberarmkopf nicht richtig in der Gelenkpfanne zentriert ist". Vermutlich steht der Oberarmkopf bei Ihnen zu hoch. Auch hier haben wir schon mal einen Fall gezeigt. Schauen Sie sich doch mal die Übungen des Dachdeckers, den ich betreuen durfte, aus der letzten Staffel an. Sollte meine Vermutung richtig sein, werden Ihnen diese Übungen schnell helfen.

KK: Ich bin auf der Suche nach einer konservativen Therapie für meinen Meniskusriss (Unterflächenriss des Innenmeniskushinterhorns). Können Sie mir zu PRP-Behandlung/Autologen-Therapie mit Eigenblut oder Refixierung durch Kleben des Risses (mit Fibrin-Kleber) aus Ihrer Erfahrung etwas sagen? Beides allerdings wohl keine Leistungen, die von meiner gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Gibt es weitere Therapien, die Sie mir empfehlen können?

Riepenhof: Guten Abend KK, es ist natürlich pauschal sehr schwer, etwas zu Ihren Symptomen und Befunden zu sagen. Ich bin allerdings allgemein der Meinung, dass ein abgerissener Meniskus so gut wie nie positiv auf eine PRP-Injektion reagiert. Dadurch wächst er meiner Meinung nach nicht wieder zusammen und leider ist auch das Kleben aus meiner Erfahrung keine erfolgreiche Methode, einen Meniskusriss zu behandeln. Häufig bleibt daher leider nur das Abwarten und Trainieren, ehe die Beschwerden verschwinden, die Resektion oder bei ansatznahen Verletzungen die Naht.

Ulla: Beide Hüften sind operiert nach Cam-Impingement, leider habe ich trotzdem beidseits einen Knorpelschaden. Schmerzen sind leider immer noch vorhanden, trotz Physiotherapie. Was kann ich noch tun?

Riepenhof: Liebe Ulla, auch hier ist es insbesondere ohne eine Untersuchung schwer, etwas Konkretes zu empfehlen. Wir sehen aber häufig Patienten, die nach einer Hüft-Arthroskopie Beschwerden haben. Diese bessern sich immer erst, wenn wieder ausreichend Muskulatur die Hüfte umgibt und das Gelenk dadurch zentriert. Ihr Orthopäde oder Physiotherapeut sollte Sie noch einmal ganz genau untersuchen und schauen, ob die Hüfte wirklich noch funktionell gut steht, also da, wo sie nach Entfernung des Knochens stehen sollte. In solchen Situationen hilft nämlich kein Röntgenbild, sondern nur die funktionelle Untersuchung. Man findet fast immer eine Richtung, in die das Gelenk zieht und dagegen sollte man dann intensiv trainieren.

Dieses Thema im Programm:

Die Bewegungs-Docs | 12.05.2020 | 21:00 Uhr

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