Stand: 15.02.2018 11:09 Uhr

NDR Verwaltungsratsvorsitzende Kerssenbrock: „KEF Forderungen missachten Gebot der Staatsferne“

Im Rahmen einer Klausurtagung des NDR Verwaltungsrats übte dessen Vorsitzende, Dr. Dagmar Gräfin Kerssenbrock, am Donnerstag (15. Februar) in Hamburg deutliche Kritik an der Stellungnahme der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) zum Bericht von ARD, ZDF und Deutschlandradio über „Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Die KEF war von den Bundesländern um eine Stellungnahme zu dem Bericht vom September 2017 gebeten worden. Inhaltlich entspreche sie den Äußerungen einiger Ministerpräsidenten, die die Vorschläge der ARD zur Einsparung von 951 Millionen Euro bis 2028 als finanziell zu gering bewertet und Einschnitte in das Programm gefordert hatten.

Dr. Dagmar Gräfin Kerssenbrock: „Die Stellungnahme der KEF kollidiert unmittelbar mit den Aufgaben und Befugnissen der Kommission. Sie kann nicht die Programmautonomie der Rundfunkanstalten bestätigen und gleichzeitig der Politik Empfehlungen zum Eingriff in die Kernprodukte der Sender geben. Damit verlässt die KEF ihre gebotene Position der Staatsferne und fordert die Länder zu Änderungen im Rundfunkstaatsvertrag bei der konkreten Beauftragung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen auf.“

Um dem Wunsch der Politik nach Beitragsstabilität in den kommenden Jahren zu genügen, erwarte die KEF jenseits sachlicher Anforderungen an den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks größere Einschnitte beim „Kernprodukt“ der Sendeanstalten, so Kerssenbrock weiter. Die KEF fordere eine grundlegende Strukturreform, „die über die Optimierung administrativer Prozesse hinausgeht“, wie zum Beispiel eine stärkere Verzahnung von Programminhalten der Landesrundfunkanstalten.

„Die KEF beurteilt nicht die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Rundfunkanstalten, sie versucht ausschließlich einen Weg für die politische Vorgabe der Beitragsstabilität zu finden“, sagte Kerssenbrock. Für eine relative Beitragsstabilität mit Teuerungsausgleich und die Sicherstellung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten seien auch andere Wege denkbar, wie zum Beispiel feste Budgets für die Sender und eine Indexierung bei der Ermittlung des Finanzbedarfs.

Kerssenbrock: „Ob und wie die Rundfunkanstalten mit ihren Programmen ihren Auftrag zur Information einer Gesellschaft ausfüllen, wird jedoch allein durch die Rundfunk- und Verwaltungsräte der Rundfunkanstalten bewertet. Dazu gehört auch die Einschätzung des Personalaufwandes, um die erforderliche Qualität sicherzustellen.“ Die KEF fordere erneut einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen und erkenne den seit Jahren betriebenen Personalabbau der Anstalten nicht wirklich an. Die massiven Stellenstreichungen der vergangenen Jahre führten nach Kerssenbrocks Auffassung schon jetzt zu einer Minderung der Programmqualität aufgrund von Stress und Arbeitsüberlastung. „Das Programm wird von Menschen gemacht. Die Behauptung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu viel Geld für Personal und zu wenig für Programm ausgibt, ist schlichtweg falsch. Mit dem Personalabbau muss auch einmal Schluss sein, wenn nicht die Programmqualität darunter leiden soll.“

Insgesamt haben die ARD-Anstalten von 1993 bis 2014 etwa 4.200 Arbeitsplätze abgebaut, das sind 17 Prozent aller Planstellen – bis 2020 sollen weitere 700 Arbeitsplätze entfallen. Allein der NDR hat seit Anfang der 90-er Jahre 708 Arbeitsplätze oder 17,2 Prozent seiner Planstellen sozialverträglich abgebaut: 1993 gab es insgesamt 4.109 Vollzeitstellen, im Jahr 2017 waren es noch 3.401 Stellen. Auch bei seiner mittelbaren Beteiligung, der Studio Hamburg Gruppe, sind von 2012 bis 2017 insgesamt 106 Arbeitsplätze abgebaut worden.

Kerssenbrock wies darauf hin, dass die Programmangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausschließlich der staatsfernen Gremienkontrolle unterliegen, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem ZDF-Urteil deutlich hervorgehoben habe: „Die Gremien beurteilen die Programmangebote der Rundfunkanstalten, gleichen sie mit dem Funktionsauftrag für die Gesellschaft ab und setzen den entsprechenden finanziellen Bedarf in den Wirtschaftsplänen fest.“ Die KEF könne und dürfe nur beurteilen, ob dies nach Kriterien von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfolge. Diese Kontrolle dürfe sich nicht auf die Vernünftigkeit oder Zweckmäßigkeit der jeweiligen Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten beziehen, sondern allein darauf, ob sie sich im Rahmen des rechtlich definierten Rundfunkauftrags hielten. Hinzu komme die Prüfung, ob der aus den Programmentscheidungen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend und im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt worden ist. Bei dieser Kontrolle handele es sich nicht um eine politische, sondern um eine fachliche Aufgabe, so das Bundesverfassungsgericht.

15. Februar 2018

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