NSAR: Beliebte Schmerzmittel mit Nebenwirkungen

Stand: 07.03.2023 09:07 Uhr

Medikamente aus der Gruppe NSAR wie Ibuprofen und Diclofenac sind als Schmerzmittel beliebt. Die regelmäßige Einnahme kann vor allem für ältere Menschen aber gefährliche Nebenwirkungen haben.

Medikamente aus der Wirkstoffgruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen und ASS sind in niedriger und mittlerer Dosis rezeptfrei erhältlich und werden vor allem bei Schmerzen und Entzündungen des Bewegungsapparates eingesetzt, da sie sowohl die Schmerzen lindern, als auch die Entzündung und dazu noch fiebersenkend wirken. Dass diese Arzneimittel auf Dauer Magenbeschwerden verursachen, ist vielen bewusst. Doch es kann noch zu weiteren gefährlichen Nebenwirkungen kommen, laut einer Studie sogar zu Herzinfarkt und Schlaganfall und auch zu Nierenversagen.

Schmerzmittel nehmen Einfluss auf Enzyme

Der Nutzen und das Risiko der Medikamente liegen in der Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX). Es gibt zwei Unterformen dieses Enzyms - die Cyclooxygenase-1 und -2. Sie haben eine zentrale Funktion in der Regulation von Entzündungsprozessen, sind dabei auch für die Entstehung von Schmerzen verantwortlich. Sie beeinflussen aber außerdem die Blutgerinnung und sind für den Schutz der Magenschleimhaut und der Nieren zuständig. Wird das Enzym gehemmt, werden also gleich mehrere Prozesse beeinflusst.

Nicht jeder Wirkstoff erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gleichermaßen. Die Nebenwirkungen sind abhängig davon, welche Untergruppe der Cyclooxygenase gehemmt wird. Während eine starke COX-1-Hemmung zu vermehrten Problemen im Magen-Darm-Trakt und einem erhöhten Blutungsrisiko führen kann, erhöht die Hemmung von COX-2 das Risiko von Herz-Kreislauf-Problemen. Die Wirkstoffe Ibuprofen und Diclofenac hemmen sowohl die COX-1 als auch die COX-2. Daher kann die dauerhafte und hochdosierte Einnahme der Medikamente auch das Risiko von Magenblutungen und Nierenschäden erhöhen.

Welche Wirkstoffe zählen zu den NSAR?

Es gibt eine ganze Reihe verschiedener NSAR, die sich in acht Wirkstoffgruppen zusammenfassen lassen. In Deutschland erhältlich sind:

1. Salicylsäure-Derivate

  • Acetylsalicylsäure (ASS)
  • Methylsalicylat und Hydroxyethylsalicylat (nur zur äußerlichen Anwendung)

2. Arylessigsäure-Derivate

  • Diclofenac
  • Aceclofenac
  • Felbinac (nur zur äußerlichen Anwendung)

3. Indolessigsäure-Derivate

  • Indometacin
  • Acemetacin

4. Arylpropionsäure-Derivate

  • Ibuprofen
  • Dexibuprofen
  • Naproxen
  • Ketoprofen
  • Flurbiprofen
  • Dexketoprofen

5. Anthranilsäure-Derivate (nur zur äußerlichen Anwendung)

6. Oxicame

  • Meloxicam
  • Piroxicam

7. Pyrazolidindione

  • Propyphenazon
  • Phenylbutazon

8. COX-2-Hemmer

  • Celecoxib
  • Etoricoxib

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Besonders riskant ist es, wenn vor allem ältere Menschen verschiedene Wirkstoffe einnehmen, die alle potenziell dasselbe Organ schädigen. Viele Betroffene nehmen zum Beispiel einen ACE-Hemmer gegen ihren erhöhten Blutdruck und ein Diuretikum gegen Wassereinlagerungen ein. Kommt dann noch ein Schmerzmittel aus der Gruppe der NSAR hinzu, kann es das Fass zum Überlaufen bringen und den Nieren schweren Schaden zufügen. Neben dem Nierenversagen sind Blutungen im Magendarmtrakt die zweite häufige Nebenwirkung von NSAR. Das ist besonders gefährlich, wenn Betroffene auch noch gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, um zum Beispiel einem Schlaganfall vorzubeugen. Zusammen können die Medikamente zu lebensgefährlichen Blutungen führen, die oft erst spät bemerkt werden.

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Wechselwirkungen von Medikamenten: Vorsicht bei diesen Lebensmitteln

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PRISCUS-Liste warnt vor Risiken für ältere Menschen

Um gefährliche Überdosierungen im Alter zu vermeiden, wurde die sogenannte PRISCUS-Liste erstellt. Darin sind insgesamt 177 Wirkstoffe aufgelistet, die für ältere Menschen riskant sein können. Darunter alle Schmerzmitte der NSAR-Gruppe.

Warnung der europäischen Zulassungsbehörde EMA

Inzwischen warnt die europäische Zulassungsbehörde EMA bei Patienten mit Herzschwäche, koronarer Herzkrankheit, arterieller Verschlusskrankheit oder Gefäßerkrankungen im Gehirn vor dem Einsatz des Wirkstoffs Diclofenac und rät auch bei Rauchern sowie Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes oder erhöhten Cholesterinwerten zu erhöhter Vorsicht. Hintergrund sind unter anderem Erkenntnisse, dass NSAR eine bestehende Herzschwäche verschlechtern und die Wirkung blutdrucksenkender Medikamente beeinträchtigen können.

Diclofenac und Naproxen: Große Unterschiede bei Wirkung

Dabei gibt es zwischen den einzelnen NSAR durchaus Unterschiede, die Ärzte bei der Verordnung berücksichtigen sollten:

  • So ist der Wirkstoff Naproxen besonders gefährlich für den Magen, was sich aber durch Kombination mit magenschützenden Substanzen (Protonenpumpenhemmer) nahezu aufheben lässt. Wie das chemisch verwandte Ibuprofen kann Naproxen aber auch den Nieren schweren Schaden zufügen - und das gilt bei höherer Dosierung sogar für jüngere Menschen, wie eine US-Studie an mehr als 760.000 Militärangehörigen gezeigt hat. Die Dosis sollte deshalb möglichst gering gehalten werden und wer an einer Nierenerkrankung leidet, sollte auf diese Medikamente ganz verzichten.

  • Bei Diclofenac ist dagegen das Risiko für einen Herzinfarkt und andere Gefäßkomplikationen deutlich höher als bei Ibuprofen oder Naproxen. Laut einer dänischen Studie mit rund sechs Millionen Datensätzen birgt Diclofenac ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Beschwerden, im schlimmsten Fall kann es der Untersuchung zufolge zu einem tödlichen Herzinfarkt kommen. Hinzu kommen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten wie ASS, dessen plättchenhemmende Wirkung zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Krankheiten durch NSAR eingeschränkt oder sogar aufgehoben werden kann.

  • Wer auf beide Medikamente angewiesen ist, sollte ASS deshalb in möglichst großem zeitlichem Abstand vor dem anderen NSAR einnehmen. Eine dauerhafte Anwendung von NSAR kann zudem Kopfschmerzen verursachen, die nicht mit NSAR behandelt werden dürfen, weil sie sich dann verschlimmern.

Diclofenac als Salbe und Tablette

Viele Schmerzmediziner und Rheumatologen wenden Diclofenac nur noch bei schweren Erkrankungen an, wenn keine alternativen Medikamente mehr zur Verfügung stehen. Auch als Salbe kann Diclofenac zu Problemen führen: Bei großflächiger und regelmäßiger Anwendung drohen ähnliche Risiken wie durch Diclofenac-Tabletten. Wer Diclofenac-Salbe jedoch nur gelegentlich bei akuten Schmerzen auf das betroffene Gelenk aufträgt, muss nicht mit Nebenwirkungen rechnen.

Anwendungsdauer und Dosierung möglichst gering halten

Experten empfehlen, die Anwendungsdauer und Dosierung von NSAR-Präparaten möglichst gering zu halten und bei erhöhtem Risiko auf andere Medikamente zurückzugreifen. Das Problem: Die schmerzlindernde Wirkung von Paracetamol ist geringer, gleichzeitig besteht das Risiko von Leberschäden. Das verschreibungspflichtige Metamizol/Novaminsulfon kann eine gute Alternative bei starken Schmerzen und Fieber sein, allerdings wirkt Metamizol, anders als die NSAR, nicht gegen Entzündungen und es kann in seltenen Fällen eine gefährliche Nebenwirkung verursachen, die Verringerung der Menge der weißen Blutkörperchen.

Wenn möglich, sollten Schmerzen vor allem mit nicht-medikamentösen Methoden wie Physiotherapie, Wärme, Kälte, Massagen oder Bewegungstraining bekämpft werden. Keinesfalls sollten Patienten wochenlang NSAR einnehmen, ohne der Ursache ihrer Schmerzen auf den Grund zu gehen und einen Arzt zu Rate zu ziehen.

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