Lungenkrebs: Neue Therapien steigern Lebenserwartung
Lungenkrebs gehört in Deutschland zu den häufigsten Krebserkrankungen. Mit zielgerichteten Medikamenten und Immuntherapien lässt sich das Bronchialkarzinom besser behandeln, sodass die Lebenserwartung steigt.
Erkrankte können durch neue Therapien viel länger überleben als noch vor einigen Jahren - und das bei guter Lebensqualität. Lange waren die Aussichten bei Lungenkrebs eher schlecht und die Behandlungsoptionen sehr belastend. Zu den Säulen der Therapie gehören nun neben Operation, Chemo-, und Strahlentherapie auch immunonkologische und zielgerichtete Therapien, die auf einer genauen Analyse des Tumors beruhen.
Lungenkrebs: Gentest Grundlage für Behandlung
Heute ist die Lungenkrebstherapie sehr individuell, denn es gibt ganz verschiedene Arten von Tumoren, die auch sehr unterschiedlich behandelt werden. Wird ein Lungenkrebs diagnostiziert, wird zuerst ein Gentest durchgeführt. Dies sollte nach neuesten technischen Standards passieren - als Grundlage für eine optimale Behandlung. Daher sollten Betroffene ein Lungenkrebs-Zentrum aufsuchen, das von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert ist. Dort gibt es eine umfassende Beratung und Betreuung.
Bei dem Gentest wird nach Genmutationen (zum Beispiel EGFR- und ALK-Mutationen) im Tumorgewebe gesucht, die eine gezielte Behandlung des Tumors ermöglichen. Über 20 verschiedenen Mutationen sind bereits bekannt. Sie treten meistens beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom auf. Wird eine solche Mutation entdeckt, können Tabletten zum Einsatz kommen, die direkt auf den Tumor wirken. Und es werden immer neue Substanzen entwickelt, die gezielt gegen bestimmte genetische Eigenschaften der Tumorzellen wirken.
Zielgerichtete Therapie: Tabletten stoppen Tumor-Wachstum molekular
Handelt es sich um ein nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom, die mit 76 Prozent Anteil häufigste Lungenkrebsart, ermitteln die Ärztinnen und Ärzte mithilfe des Gentests, ob eine Tabletten-Therapie infrage kommt. Dies ist dann der Fall, wenn der Tumor ein bestimmtes Treiber-Gen besitzt. Dies sorgt - wie ein innerer Motor - dafür, dass sich die Krebszellen ständig teilen und der Tumor laufend wächst.
Ist ein solches Treiber-Gen vorhanden, schluckt die oder der Erkrankte regelmäßig eine Tablette. Sie wirkt direkt an den Tumorzellen: Dort blockiert sie ein bestimmtes Signal, die Krebszellen können sich nicht mehr teilen und gehen zugrunde. Verschiedene zielgerichtete Krebsmedikamente hemmen die Wachstumssignale und damit auch das Tumorwachstum. Die Wirkung der Tabletten kann über Jahre anhalten. Lässt die Wirkung des Medikaments nach, kann der Wechsel auf ein ähnliches Arzneimittel sinnvoll sein. Nebenwirkungen treten vergleichsweise selten auf.
Hemmung der Blutversorgung
Ein anderer Wirkmechanismus von zielgerichteten Therapien ist die Hemmung der Gefäßneubildung. Wie alle Zellen brauchen auch Tumorzellen Sauerstoff und Nährstoffe, um sich zu vermehren und zu wachsen. Ab einer gewissen Größe bildet der Tumor hierfür neue Blutgefäße. Sogenannte Angiogenese-Hemmer unterdrücken diese Gefäßneubildungen und schneiden den Tumor vom Nachschub ab.
Immuntherapie unterstützt Immunsystem gegen den Krebs
Immunonkologische Therapien richten sich nicht direkt gegen den Tumor, sondern nutzen die natürlichen Fähigkeiten des körpereigenen Immunsystems. Krebszellen können sich durch Tarnung vor dem Immunsystem verstecken oder chemische Stoffe freisetzen, die eine Immunantwort unterdrücken. Die dafür notwendigen Signalwege werden durch Immuntherapien unterbrochen: Bestimmte Medikamente, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, mobilisieren das Immunsystem nachhaltig und versetzen es in die Lage, die Krebszellen zu erkennen und zu zerstören.
Eine regelmäßig per Infusion verabreichte immunonkologische Therapie kann, abhängig von den Laborwerten, allein oder in Kombination mit einer Chemotherapie eingesetzt werden. Dafür werden die Zellen im Labor auf bestimmte Rezeptoren getestet, zum Beispiel den PD-L1-Rezeptor. Je mehr dieser Rezeptoren vorhanden sind, desto besser können die Checkpoint-Inhibitoren wirken.
Neue Therapie auch bei kleinzelligem Lungenkrebs
Das kleinzellige Bronchialkarzinom ist mit einem Anteil von 13 Prozent sehr viel seltener. Auch hier werden im fortgeschrittenen Stadium inzwischen immunonkologische Wirkstoffe eingesetzt - in Kombination mit einer Chemotherapie: Die Betroffenen erhalten neben Zytostatika auch den Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab, der das von den Krebszellen produzierte Protein PD-L1 hemmt.
Dieses Protein hindert das Immunsystem daran, gegen den Krebs vorzugehen. Durch die Blockade von PD-L1 kann das Medikament die Unterdrückung der Immunabwehr aufheben und diese in die Lage versetzen, Krebszellen verstärkt anzugreifen. Allerdings schlägt diese Therapie nicht bei allen Betroffenen an.
Weniger Tote auch aufgrund sinkender Raucherzahlen
Die im vergangenen Jahrzehnt sinkende Sterblichkeit an Lungenkrebs führen Forscher vor allem auf die zurückgehende Anzahl der Zigarettenraucher, aber auch auf die genetische Testung und die neuen Therapien zurück. Trotzdem sterben in Deutschland jährlich rund 45.000 Menschen an fortgeschrittenem Lungenkrebs, die Fünf-Jahre-Überlebensrate lag nach Daten aus dem Jahr 2020 für Frauen bei 25, für Männern bei 19 Prozent.
Um das Potenzial der Testung und Therapien in frühen Krankheitsstadien bestmöglich zu nutzen, wären insbesondere für Raucher und andere Menschen mit hohem Lungenkrebsrisiko Untersuchungen zur Früherkennung von Lungenkrebs vorteilhaft. Bislang werden solche Untersuchungen nicht von den Krankenkassen bezahlt. In Norddeutschland läuft zurzeit eine Studie (Hanse-Studie Solace), in deren Rahmen mehrere Kliniken Menschen mit hohem Risiko eine einmalige Früherkennungsuntersuchung (Niedrigdosis-Computertomographie) anbieten.
Eine große US-amerikanische Datenauswertung mit 90.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hat gezeigt: Wenn die Erkrankung früh erkannt wird, steigt die Überlebensrate auf 81 Prozent. Deshalb fordern Expertinnen und Experten die Einführung eines krankenkassenfinanzierten Screenings für Menschen, die aktuell rauchen oder in der Vergangenheit stark geraucht haben. Mit der Einführung eines solchen risikoadaptierten Screenings wird für 2025 gerechnet.
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