Detailaufnahme eines künstlichen Gelenkes. © Colourbox Foto: -

Kunstgelenke können zu Metallablagerungen im Knochen führen

Stand: 25.01.2021 11:28 Uhr

Metall kann sich durch Abrieb von Prothesen lösen. Untersuchungen zeigen nun, dass bei Hüftprothesen auch eine elektrochemische Reaktion der Grund sein kann, dass sich das Material löst.

Ein neues Hüftgelenk - das bedeutet für fast 200.000 Menschen pro Jahr allein in Deutschland endlich wieder ohne Schmerzen gehen und sogar Sport treiben zu können. Gelenkprothesen sind eine Erfolgsgeschichte – obwohl der Materialabrieb an solchen Implantaten manchmal zu Problemen führt. Nun zeigen neue Untersuchungen, dass sich auch unabhängig vom Abrieb Teile des Materials lösen und den Knochen angreifen können.

Welche Arten von Prothesen verursachen Probleme?

Jeder oder jede Betroffene kann im Prothesenpass sehen, aus welchen Materialien die eigene Prothese besteht. Falls nicht, oder falls kein Pass mehr da ist, kann man sich in der Klinik erkundigen.

 

Eine Hüftprothese besteht in der Regel aus drei Teilen: einem Schaft, der im Oberschenkelknochen verankert wird, einem Kopf, der auf den Schaft aufgesteckt wird und den natürlichen Hüftkopf ersetzt, sowie einer halbkugelförmigen Pfanne, die in die natürliche Hüftpfanne eingesetzt wird.

Chrom, Kobalt und Titan reagieren miteinander

Um die mechanische Stabilität des Gelenks zu gewährleisten, werden in der Regel Materialien mit verschiedenen Metallverbindungen verwendet. Und das kann zu Problemen führen, denn trifft zum Beispiel ein Chrom-Kobalt-Kopf auf einen Titan-Schaft, kommt es zu einer elektrochemischen Reaktion der Metalle mit ihrer Umgebung und auch untereinander – unabhängig von mechanischer Belastung.

20 Prozent Metall-Metall-Prothesen noch immer eingesetzt

Auch wenn mittlerweile Prothesen mit Keramikkopf Standard sind, werden Metall-Metall-Prothesen noch immer in rund 20 Prozent der Fälle eingesetzt. Besonders bei sehr alten Menschen lässt sich mit dem Keramik-Kopf oder einer Voll-Titan Prothese die nötige Stabilität nicht erreichen. In diesen Fällen kommen immer noch Titan-Schaft und Chrom-Kobalt-Kopf zum Einsatz. Zusätzlich gibt auch der Schaft, der im Oberschenkelknochen steckt, beständig Metallionen an seine Umgebung ab.

Knieprothesen bestehen aus Chrom und Kobalt

Knieprothesen bestehen komplett aus Chrom-Kobalt, da Titan oder Keramik für die Belastung im Knie nicht stabil genug wären. Aufgrund der großen Oberfläche der Prothesen werden auch hier Metallionen ins Gewebe abgegeben. In der Folge kommt es häufig zu einer biologischen Reaktion wie einer Verdickung der Gelenkkapsel und einer eingeschränkten Beweglichkeit. Dass künstliche Kniegelenke in der Regel nicht länger als zehn Jahre gut funktionieren, könnte laut Experten darauf zurückzuführen sein.

Welche Symptome verursachen die Metallionen im Gewebe?

Ob die Metallionen im Körper zu gesundheitlichen Problemen führen, hängt von mehreren Faktoren ab, wie zum Beispiel der Beschaffenheit der Knochenstruktur oder der Fähigkeit des Immunsystems, mit den Fremdkörpern fertigzuwerden.

Menschen reagieren ganz unterschiedlich: Bei vielen wird kaum Chrom und Kobalt freigesetzt, bei einigen ein bisschen mehr und bei anderen wiederum verursachen die Metallionen massive Beschwerden wie Verdickungen der Gelenkkapsel und Unbeweglichkeit.

Metallablagerung im Körper als Ursache

Bei Problemen mit dem Kunstgelenk wie eingeschränkter Beweglichkeit und Funktion oder auch einer veränderten Wahrnehmung des Patienten sollte immer eine mögliche Metallablagerung im Körper als Ursache in Betracht gezogen werden.

Sollte man das Gelenk unbedingt austauschen?

Ein Kunstgelenk auszutauschen will gut überlegt sein. Denn es ist eine weitere OP, bei der wieder Knochensubstanz eingebüßt wird. Eine Wechsel-OP sollte deshalb erst bei größeren Problemen erfolgen. Wichtig ist, dass die Kunstgelenke engmaschig überwacht werden, möglichst immer von den gleichen Ärzten, damit Veränderungen auch bemerkt werden.

Titan, Chrom und Kobalt lassen sich im Blut nachweisen. Unabhängig davon, ob eine Prothese Ärger macht oder nicht, sollte daher alle fünf Jahre kontrolliert werden, wie hoch die Metallkonzentration im Blut ist.

Dr.-Ing. Sven Geißler, Projektleiter Zellbiologie
Julius Wolff Institut für Biomechanik und Muskuloskeletale Regeneration
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Föhrer Straße 15
13353 Berlin
jwi.charite.de

Weitere Informationen
Studie zum Thema
Schoon J, Hesse B, Rakow A, et al. Metal‐Specific Biomaterial Accumulation in Human Peri‐Implant Bone and Bone Marrow. Advanced Science 2020. Online verfügbar unter: 
onlinelibrary.wiley.com

 

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Visite | 26.01.2021 | 20:15 Uhr

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