Dankbarkeit durch Achtsamkeit ist gut für die Seele
Warum Dankbarkeit durch Achtsamkeit zu Zufriedenheit und Glück im Leben beiträgt, zeigen verschiedene psychologische Forschungsansätze. Doch ein Allheilmittel ist Dankbarkeit nicht.
Dankbarkeit wirke wie ein Vergrößerungsglas, schreibt der Psychologe Philip Watkins in seiner "Amplifying-the-good"-Theorie: Wer häufiger dankbar ist, fokussiert sich demnach automatisch stärker auf das Positive im eigenen Leben. Das Glas erscheint mit Dankbarkeit eher halbvoll als halbleer - und das macht zufrieden.
Positive Rückkopplung: Dankbarkeit stärkt soziale Beziehungen
Zahlreiche Studien belegen zudem, dass Dankbarkeit die Beziehung zu anderen Menschen positiv beeinflusst. Die Psychologin Sara Algoe hat dies in ihrer "Find-remind-and-bind"-Theorie zusammengefasst: Wir fühlen uns mit jemandem, der uns Gutes tut, positiv verbunden. Und wenn wir uns bei unserem Gegenüber dann noch für die Wohltat bedanken, findet der uns meistens auch automatisch sympathischer. Wie wichtig gute soziale Kontakte sind, belegen viele wissenschaftliche Studien: Wer sich mit anderen Menschen verbunden fühlt, lebt glücklicher.
Mit Achtsamkeit zur Dankbarkeit: Praktische Übungen
Es gibt eine ganze Reihe an Übungen, um im Alltag Dankbarkeit zu praktizieren. Fast immer geht es darum, die Aufmerksamkeit auf die positiven Dinge im Alltag zu richten. Und dafür braucht es vor allem eins: mehr Achtsamkeit.
Dankbarkeitstagebuch führen: So geht’s
Durch das Ritual eines Dankbarkeitstagebuches fokussiert man sich auf positive Erfahrungen und trainiert die eigene Achtsamkeit. Dafür geht man abends vor dem Schlafengehen den vergangenen Tag noch einmal gedanklich durch und versucht, sich zwei oder drei Situationen bewusst zu machen, für die man dankbar ist. Das können und sollen Kleinigkeiten sein: Die Sonne hat morgens kurz durch die Wolkendecke ins Schlafzimmer geblinzelt? Das Gemüse in der Kantine war knackig-lecker? Die Frau im Supermarkt hat kurz nett rüber gelächelt?
Es hilft, sich auch im Alltag immer mal wieder bewusst auf die eigenen sinnlichen Eindrücke zu konzentrieren: genauer hinschauen, richtig schmecken, die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut spüren, das Vogelgezwitscher hören. Dafür braucht es Geduld: Achtsamkeit ist eine Herausforderung und gelingt selten von jetzt auf gleich.
Idee: Eine Dankbarkeits-Girlande
Statt in ein Tagebuch kann man das, wofür man dankbar ist, auch auf kleine Zettelchen schreiben und sich diese als Girlande über das Bett oder den Schreibtisch hängen. Wenn die Zettelgirlande dann langsam wächst, sieht man richtig, wie viele positive Kleinigkeiten sich über die Wochen und Monate ansammeln. Das macht gleich noch mal dankbar.
Mehr als Selbstoptimierung: Anderen dankbar sein
Dankbarkeit, die lediglich zur Selbstoptimierung eingesetzt wird, kann zwar die Stimmung kurzfristig heben, eine nachhaltige Wirkung ist dann allerdings weniger zu erwarten. Wer sich also beispielsweise täglich ausschließlich seine eigenen Erfolge oder Anschaffungen notiert, kann damit vielleicht Motivation für weitere Anstrengungen generieren. Beim eigentlichen Dankbarkeitstraining geht es aber immer auch darum, anzuerkennen, dass Erfolge und Fortschritte häufig auch von anderen abhängen, die dazu beigetragen haben und denen gegenüber man Dankbarkeit empfinden kann. Das Gefühl, dass jemand anderes wohlwollend Gutes für einen selbst getan hat, ist Balsam für die Seele. Menschen, die dieses Miteinander erfahren, fühlen sich weniger einsam. Fachleute betonen bei der Dankbarkeit daher die soziale Funktion, die den entscheidenden Impuls für die psychischen und gesundheitlichen Effekte bietet.
Positive Effekte: Weniger Sorgen und Grübelgedanken
Dankbarkeit wird zunehmend als mögliches Behandlungstool in der Psychotherapie entdeckt. Erforscht werden auch App-gestütze Programme für die psychische Gesundheit. Nach einem fünfwöchigen Training hatten die Probanden deutlich weniger Sorgen und Grübelgedanken. Die Dankbarkeitsübungen konnten depressive Symptome, Angstzustände und Schlafbeschwerden bessern. Die positiven Effekte hielten über mehrere Monate hinweg an.
Dankbarkeit im Alltag: Sich bei anderen bedanken
Man kann sich vornehmen, im Alltag bewusst Gelegenheiten zu suchen, um sich bei anderen Menschen zu bedanken. Viel zu oft wird Gutes als selbstverständlich hingenommen - zum Beispiel die Arbeit von Paketboten oder einer Putzkraft. Hilfreich ist es auch, sich bewusst bei einer Person zu bedanken, die etwas Wichtiges für einen getan hat. Dabei sollte man seinen Dank zunächst in einem Brief formulieren und möglichst konkret benennen, wofür man dem Anderem dankbar ist. Es ist sehr wirkungsvoll, wenn man den betreffenden Menschen besucht und ihm den Brief persönlich vorliest. Natürlich kann man den Brief auch verschicken - und selbst wenn er aus irgendeinem Grund doch nicht abgesendet wird, profitiert man bereits durch das Gefühl von Dankbarkeit, das beim Verfassen des Dankes entsteht.
Zwanghafte Dankbarkeit ist nicht das Ziel
Dankbarkeit zu praktizieren, kann helfen, den Blick wieder mehr auf das Positive im eigenen Leben zu lenken. Das Ziel ist aber nicht, alles Erlebte zwanghaft durch eine rosarote Brille zu betrachten. Wer ständig versucht, selbst negative Erlebnisse unter den Teppich der Dankbarkeit zu kehren, wird wichtigen Gefühlen wie Traurigkeit, Wut oder Ärger nicht gerecht. Diese Emotionen brauchen ihren Raum und sind wichtig, damit Probleme gelöst, Missstände angepackt und verändert werden.
Dankbarkeitstraining: Grenzen und Nebenwirkungen
Bei schweren psychischen Problemen wie Traumata, Schicksalsschlägen oder Depressionen braucht es professionelle Hilfe, etwa in Form einer Psychotherapie. Ein unbegleitetes Dankbarkeitstraining kann bei einigen psychischen Erkrankungen sogar schaden: Menschen mit einer Depression etwa sind oft schlichtweg nicht in der Lage, ihren Fokus "einfach" mal auf das Positive zu richten und Dankbarkeit zu praktizieren. Dann entsteht leicht ein Gefühl des Scheiterns und das kann eine Depression sogar noch verstärken.
Auch bei chronischen Krankheiten, nach Unfällen oder einer einschneidenden Diagnose ist es wichtig, die Gefühle wie Wut, Trauer und Schmerz zuzulassen. Der Ratschlag, dankbar zu sein für das, was noch funktioniert, mutet dann eher zynisch an und wird der Situation des Menschen nicht gerecht. Dankbarkeitstraining ist also kein Allheilmittel. Zu einem späteren Zeitpunkt können Dankbarkeitsübungen aber durchaus auch von schwer kranken Menschen als hilfreich empfunden und sinnvoll genutzt werden, um mit den großen Belastungen zurecht zu kommen.
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