Andrea Röpke im Portrait. © picture alliance/dpa | Jens Büttner Foto: Jens Büttner

Fehler im Fall Röpke: LKA will Staatsschutz-Akten durchleuchten

Stand: 02.08.2022 16:15 Uhr

Gibt es weitere rechtswidrig gesammelte Dateien bei der Polizei? Das Landeskriminalamt will jetzt prüfen, welche Daten beim Staatsschutz gespeichert worden sind.

von Stefan Schölermann und Angelika Henkel

Grund ist ein politisch brisanter Fall: die Erfassung einer Fachjournalistin in Folge eines kritischen Artikels über die rechtsextreme Szene. Die Führung des Landeskriminalamtes will sich mit einem Brief persönlich bei der freien Journalistin Andrea Röpke entschuldigen. Dem LKA seien Fehler unterlaufen, sagte eine Sprecherin dem NDR in Niedersachsen. Fehler, die nun grundsätzlich aufgearbeitet werden sollen. "Derzeit wird geprüft, wie es zu dieser unzureichenden Prüfung kommen konnte und ob es Vergleichsfälle gibt."  

Die Prüfung soll so schnell wie möglich starten

Doch das ist nach Informationen des NDR nicht so einfach: Als ersten Schritt will das LKA nun Kriterien überlegen, um mögliche weitere Falschspeicherungen im System zu entdecken. Wie viele Daten insgesamt überprüft werden sollen, kann das Landeskriminalamt nicht beziffern. Die Revision soll sich nicht nur auf Journalisten und Blogger, sondern auch auf weitere Personen beziehen, teilte das Landeskriminalamt dem NDR mit.

Was war passiert?

Rechtsextremismus-Expertin Röpke hatte 2018 einen Artikel über ein mutmaßliches Terrornetzwerk geschrieben. Die preisgekrönte Journalistin hatte nach ihren Recherchen dabei auch einen Lokalpolitiker der AfD erwähnt. In der Folge stellte dieser eine Anzeige wegen Verleumdung. Während ein Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde, speicherte der Staatsschutz die persönlichen Daten von Röpke - und zwar nicht nur im landesweiten Polizeisystem Nivadis, sondern sogar bei Inpol, einem bundesweiten Verzeichnis.

Fälle von bundesweit "erheblicher Bedeutung"

Delikat dabei ist, dass hier Fälle "politisch motivierter Straftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung" verzeichnet werden - eine Datensammlung, die auch relevante Straftäter und sogenannte Gefährder erfasst. Röpke war darin also deutschlandweit als sogenannte staatsschutzrelevante Person verzeichnet, und zwar auf Grundlage eines Artikels - in Gang gesetzt durch das Instrument einer schlichten Anzeige, die strafrechtlich ins Leere lief.

Verwaltungsgericht Stade findet klare Worte

Das Verwaltungsgericht Stade hatte vor zwei Wochen festgestellt, dass das Landeskriminalamt Niedersachsen über Jahre zu Unrecht Daten über Röpke gespeichert hat. Im Urteil, das dem NDR in Niedersachsen vorliegt, heißt es, Journalisten hätten ein hohes Risiko, Ziel haltloser oder querulantisch motivierter Strafanzeigen zu werden. "Eine weite Auslegung der Norm würde dazu führen, dass polizeiliche Datenbanken als Speichermedium zur Überwachung von Journalistinnen und Journalisten missbraucht werden könnten", schreiben die Verwaltungsrichter. Das LKA hatte argumentiert, man wolle einen möglichst umfassenden Überblick über die kriminelle Aktivität und "Karriere" einer Person erhalten, im Sinne einer "vorbeugenden Verbrechensbekämpfung".

Schwerwiegende berufliche Folgen für Journalisten

"Das geht gar nicht, dass die Polizei Personen im Sinne von 'da wird schon etwas dran sein' erfasst", sagte Annette Rose von der Deutschen Journalisten Union (DJU), die bei ver.di die Interessen von Journalistinnen und Journalisten. "Für Reporter kann das schwerwiegende berufliche Folgen haben, in solchen Dateien erfasst zu sein. Zum Beispiel wenn es um Akkreditierungen geht!" Irritierend sei, dass das LKA zunächst selbst Röpkes Speicherung überprüft, aber daran nichts auszusetzen hatte - bis zum Urteil des Gerichts.

Nicht das erste Mal rechtswidrig gespeicherte Daten

Offenkundig entgangen war den Verantwortlichen im LKA zudem, dass Journalistin Röpke bereits früher bei einer anderen Sicherheitsbehörde, nämlich dem Verfassungsschutz, rechtswidrig gespeichert worden war. 2013 hatte das für großes politisches Aufsehen gesorgt. Auch die damalige Behördenleiterin entschuldigte sich öffentlich bei Röpke und gab eine Revision durch eine externe Task-Force in Auftrag.

Diese stellte fest, dass 21 Prozent der Speicherungen umgehend gelöscht werden mussten, das betraf fast 2.000 Personen. Für die Erfassung hatte es keine ausreichenden Gründe gegeben. Eine solche externe Revision sieht das Landeskriminalamt derzeit nicht vor. Das Innenministerium wollte den Fall zunächst nicht kommentieren.

Weitere Informationen
Andrea Röpke, Journalistin, sitzt im Studio. © NDR

Gericht: LKA hat zu Unrecht Daten über Journalistin gespeichert

Andrea Röpke schreibt seit Jahren über Rechtsextremismus. Ein AfD-Ratsherr aus Papenburg hatte Röpke angezeigt. (14.07.2022) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 02.08.2022 | 08:00 Uhr

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Rechtsextremismus

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