Der brennende Frachter "Fremantle Highway" liegt vor Ameland auf dem Meer. © Rijkswaterstaat

Mehr Vorschriften für Transport von E-Autos auf See geplant

Stand: 02.08.2023 11:43 Uhr

Die Weltschifffahrtsorganisation IMO hat Sicherheitsvorkehrungen für den E-Auto-Transport auf Schiffen "ganz oben auf der Tagesordnung". Die in Brand geratene "Fremantle Highway" liegt zunächst weiter vor Schiermonnikoog.

Es gebe bereits geltende Vorschriften - diese sollten aber noch erweitert werden, teilte eine Sprecherin der in London ansässigen Organisation mit. Dies sei eine "Reaktion auf die zunehmende Zahl von Zwischenfällen mit Bränden, die auf die Beförderung von Fahrzeugen mit alternativen Energien, einschließlich Autos mit Lithium-Ionen-Batterien, zurückzuführen sind". Es seien noch weitere Sitzungen und Experten-Diskussionen hierzu geplant. Die IMO ist eine Unterorganisation der Vereinten Nationen (UN). Sie ist für die internationale Regulierung des Schiffsverkehrs zuständig und setzt weltweit verbindliche Standards.

VIDEO: Allianz-Studie: E-Autos erhöhen Brandrisiko auf Schiffen (31.07.2023) (2 Min)

"Löschsysteme wie vor 50 Jahren"

"Die Löschsysteme sind immer noch die gleichen wie vor 50 Jahren und haben mit der Größenentwicklung und den Brandlasten der Schiffe nicht Schritt gehalten", kritisierte Uwe-Peter Schieder, Kapitän und Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. "Wir müssen sowohl die Brand-Detektion als auch die Löschsysteme auf und unter Deck grundlegend ändern. Sonst bleiben die meisten Brände unbeherrschbar, Brände von Lithium-Ionen-Akkus sowieso." Nach Angaben der Allianz-Versicherung sind Brände die häufigste Ursache für Totalverluste von Schiffen. Gleichzeitig würden immer mehr Elektrofahrzeuge und batteriebetriebene Güter mit Lithium-Ionen-Akkus transportiert. Das Problem sei, dass die Schiffe - Autofrachter ebenso wie Container- und andere Schiffe - keine wirksamen Mittel gegen solche Brände hätten, sagte Schieder. Herkömmliche Feuerlöscher mit Kohlenstoffdioxid (CO2) könnten da nichts ausrichten. Lithium-Ionen-Batterien produzieren Sauerstoff, wenn sie brennen. "Das CO2 ist bei einem solchen Brand also vollkommen wirkungslos. Das Gleiche gilt für Schiffe, die anstatt mit CO2 mit Schaum löschen."

Kühlen mit Hochdruck-Wassernebel

Wirklich löschen ließen sich solche Brände nicht. "Man kann sie eigentlich nur kontrolliert abbrennen lassen", erklärte Schieder. Dazu müsse die Umgebung stark gekühlt werden. "Dafür könnte man zum Beispiel Systeme installieren, die einen Hochdruck-Wassernebel versprühen. Das kühlt enorm und braucht wenig Wasser", sagte Schieder. "Geringere Wassermengen lassen sich besser beherrschen beziehungsweise ableiten und gefährden die Stabilität des Schiffes nicht." Drohende Instabilität war auch das Argument gegen das Löschen des brennenden Autofrachters "Freemantle Highway". Möglicherweise hatte eine E-Auto-Batterie den Brand an Bord ausgelöst, das wird noch untersucht.

Reedereien setzen unter anderem auf "Löschteller"

Norddeutsche Reedereien sehen sich derweil gut vorbereitet, um Brände auch bei E-Autos bekämpfen zu können. Die Reederei Norden-Frisia mit Sitz auf Norderney setzt an Bord ihrer Fähren auf sogenannte "Löschteller", die zum Kühlen eines Brandes unter ein Fahrzeug geschoben werden können. Die Fähren der Norden-Frisia verkehren ganzjährig zwischen Norddeich und Norderney sowie Juist.

Warum Akkus Feuer fangen

Als Hauptursachen für Brände durch Lithium-Ionen-Akkus nennt die Allianz in ihrem aktuellen Schifffahrtsbericht zum einen Produktionsfehler, zum anderen beschädigte Batteriezellen oder Geräte, eine Überladung oder Kurzschlüsse. Brände in E-Fahrzeugen seien tückisch, weil sie sich spontan wieder entzünden können. "Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen", erklärte Justus Heinrich, Leiter der Schifffahrtsversicherung der AGCS in Zentral- und Osteuropa, in dem Bericht. "Die Branche sollte sich auf vorbeugende Maßnahmen und Notfallpläne konzentrieren, um dieser Gefahr zu begegnen." Dazu gehörten unter anderem Trainings für die Besatzung und geeignete Löschausrüstung.

Brände auf Autofrachtern in den vergangenen Jahren

  • 26. Juli 2023: Die "Fremantle Highway" gerät mit knapp 3.800 Autos vor der niederländischen Nordseeinsel Ameland in Brand. Zu der Fracht gehören auch rund 500 E-Autos.
  • 5. Juli 2023: Die "Grande Costa D´Avorio" gerät im Hafen von Newark im US-Bundesstaat New Jersey in Brand. An Bord: rund 1.200 Fahrzeuge und 157 Frachtcontainer. Bei den Löscharbeiten sterben  zwei Feuerwehrleute; sechs weitere werden verletzt.
  •  16. Februar 2022: südwestlich der Azoren brennt die "Felicity Ace". Ihre Fracht rund 4.000 Fahrzeuge aus VW-Produktion. Darunter etliche E-Autos sowie Luxusfahrzeuge der Konzerntöchter Porsche, Bentley und Lamborghini. Nach zwei Wochen versinkt der Frachter noch immer brennend im Atlantik.
  • 4. Juni 2020: Die "Höegh Xiamen" mit gut 2.400 Gebrauchtwagen an Bord gerät im Hafen von Jacksonville (US-Bundesstaat Florida) in Brand. Als Auslöser wird später eine nicht ordnungsgemäß angeschlossene Starterbatterie bei einem gebrauchten Verbrenner ermittelt.
  • 15. Mai 2019: An Bord der "Grande Europa" bricht nahe Mallorca ein Brand aus. Das Schiff hat fast 1.700 Fahrzeuge geladen - neben Pkw auch Lastwagen und Baufahrzeuge. Nachdem es der Crew gelang, ein erstes Feuer auf einem Fahrzeugdeck zu löschen, brennt wenige Stunden später ein weiteres Auto auf einem anderen Deck. Wie die Ermittlungen ergeben, waren unabhängig voneinander zwei Neufahrzeuge in Brand geraten.
  • 10. März 2019: Ein Feuer bricht auf der "Grande America" auf dem Weg von Hamburg in die marokkanische Hafenstadt Casablanca aus. An Bord 860 Tonnen gefährliche Güter und 2.100 Neu- und Gebrauchtwagen. Zwei Tage später sinkt das Schiff in der Biskaya
  • 24. Februar 2017: Auf dem Weg von Southampton (England) nach Baltimore (US-Bundesstaat Maryland) bricht ein Feuer auf dem oberen Fahrzeugdeck der "Honor" aus. Der Brand kann mithilfe des schiffseigenen CO2-Systems gelöscht werden. Ein Crew-Mitglied wird verletzt. An Bord hatte die "Honor" rund 5.000 zivile und militärische Fahrzeuge.
  • 2. Juni 2015: Der Car-Carrier "Courage" gerät auf dem Weg von Bremerhaven ins englische Southampton in Brand. Der Frachter hat Mercedes- und BMW-Neuwagen sowie zivile und militärische Gebrauchtfahrzeuge an Bord. Der Schaden wird auf 40 Millionen US-Dollar geschätzt. Das Schiff wird verschrottet.
(Quelle: gcaptain.com)


02.08.2023 11:41 Uhr

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes war fälschlicherweise zu lesen, dass die "Felicity Ace" am 16. Februar 2023 brannte. Korrekt ist das Datum 16. Februar 2022. Wir bitten für diesen Fehler um Entschuldigung.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 01.08.2023 | 12:00 Uhr

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Schifffahrt

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