Stand: 16.05.2016 17:27 Uhr

Landklau: Bauern beackern öffentlichen Grund

von Philipp Hennig & Nils Naber

Wer durch die Natur spaziert kann nur schwer erkennen, wenn ein Acker größer ist, als er eigentlich sein darf. Doch dies ist an vielen Stellen in Norddeutschland der Fall. Bewusst oder unbewusst pflügen Landwirte die Randstreifen ihrer Felder um, die eigentlich der Gemeinde gehören und als Rückzugsort für die Natur dienen sollen. Ludger Pott, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde im Emsland, geht davon aus, dass allein in seinem Landkreis auf diese Weise rund 400 bis 500 Hektar Gemeindeland "nach und nach überackert worden sind".

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Einen landesweiten Überblick über diese Form der Landnahme gibt es nicht, weil es sich dabei um ein kommunales Problem handelt. Und in vielen Kommunen dürfte nicht einmal genau bekannt sein, wo Gemeindeland illegal überackert wurde. Jahrelang hat sich dafür kaum jemand interessiert. Viele Bürgermeister waren vielleicht sogar froh darüber, dass die Landwirte die Randstreifen irgendwie nutzen. So musste sich die Gemeinde nicht selbst um die Pflege kümmern.

Umweltschützer sind alarmiert

Doch mittlerweile stellen Umweltschützer die Folgen davon fest, dass naturbelassene Feldränder oder grasbewachsene Feldwege immer mehr zurückgegangen oder sogar ganz in einem Acker "verschwunden" sind. Für Ludger Pott ist klar: "Wir merken das ganz stark am Rückgang der verschiedensten Arten, die roten Listen werden nicht kürzer sondern sie werden eher länger. Und zwar in allen Bereichen." Dass bedeutet, sowohl die Zahl der Pflanzen-, als auch der Tierarten nimmt ab. Diese Entwicklung aufzuhalten ist sein Ziel und das von vielen anderen Natur- und Umweltschützern im Norden.

Poller markieren Feldgrenze

Frank Faber lässt nun immer wieder den Bagger anrollen, um deutlich zu markieren, wo ein Feld zu Ende ist. Als Geschäftsführer des Unterhaltungsverbands West- und Südaue ist er für die Pflege von Bächen und kleineren Flüssen in einem Gebiet westlich von Hannover zuständig. Mit dem Bagger lässt er dicke Eichenspaltpfähle in die Erde rammen, um den Gewässerrandstreifen, die ebenfalls der Natur dienen sollen, wieder den nötigen Platz zu verschaffen. Teilweise sind Ackerflächen auf Kosten der Randstreifen mehrere Meter größer als zulässig. Zwar versucht Frank Faber immer, sich mit den Landwirten zu einigen, doch ohne die Poller am Feldrand kommt er oft nicht aus.

Ludger Pott
Ludger Pott vom Landkreis Emsland geht davon aus, 400 bis 500 Hektar Gemeindeland nach und nach überackert worden sind.

Im Emsland hat Ludger Pott sich eine andere Strategie ausgedacht, wie das zweckentfremdete Gemeindeland wieder reaktiviert werden kann. Er deklariert die überackerten Gebiete zu Ausgleichsflächen für den Naturschutz. Das bedeutet, wenn irgendwo in der nahen Umgebung beispielweise eine Straße gebaut wird, soll diese Fläche für die verlorene Natur als Ersatz dienen. Besonders für die Gemeinden lohnt sich dieses Verfahren. Denn sie gewinnen Ausgleichsflächen, die sie sonst teuer ankaufen müssten.

"Natürlich wurde das Ganze erst einmal skeptisch beäugt, das ist völlig klar. Aber nachdem der Landkreis Emsland das System erklärt hat, haben sowohl das emsländische Landvolk als auch die Vertreter der Landwirtschaft dafür positiv geworben", sagt Ludger Pott. Die Folge sei ein "Win-Win-System für alle Bereiche". Mittlerweile versucht auch der Landkreis Osnabrück, dem emsländischen Vorbild zu folgen.

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 17.05.2016 | 21:15 Uhr

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