Stand: 19.03.2013 17:30 Uhr

Mobbing: Spioniert der ADAC Mitarbeiter aus?

von Lena Wendt & Jenny Witte
Ein Mitarbeiter des ADAC steht an der geöffneten Heckklappe seines Einsatwagens und bedient einen Monitor. © NDR Foto: Bernd Reiser
Die Gelben Engel können auch anders: Jahrelanges Mobbing und heimlich gelesene E-Mails beim ADAC.

Wenn es Ärger mit dem Auto gibt, dann sind die Gelben Engel vom ADAC unverzüglich zur Stelle. Hilfsbereit, schnell und zuverlässig, so das Image der umtriebigen Helfer. Marion Wille sagt, sie habe den ADAC von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Seiner teuflischen. Als Leiterin der IT-Abteilung des ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt habe sie E-Mails nach Stichwörtern durchsucht, Nachrichten kopiert und Screenshots von Mitarbeiter-PCs angefertigt.

Die Anweisung dazu seien von der Geschäftsführung gekommen: "Ich habe immer wieder Aufträge erhalten", erzählt Wille. "Ich habe zum Beispiel Emails eingesehen und der Führungskraft zur Verfügung gestellt. Man war der Meinung, der Betriebsrat gibt Informationen an Externe weiter oder an die Medien." Es habe ein Klima des Misstrauens, der Kontrolle geherrscht. Hauptfeindbild offenbar: der Betriebsrat. Die Unterstellung: Die Herausgabe interner Informationen nach außen.

VIDEO: Mobbing: Spionierte der ADAC Mitarbeiter aus? (7 Min)

Offenbar Lügen mit denen die IT-Leiterin wohl unter Druck gesetzt werden sollte. Erst Monate später realisiert sie, dass sie instrumentalisiert worden ist: "Da habe ich erst gemerkt, dass ich da ja eigentlich ein Opfer geworden bin beim ADAC. Dass ich dort als Spitzel missbraucht werde, hätte ich vom ADAC nie erwartet. Der ADAC hat ja einen guten Ruf, die 'Gelben Engel', also das hätte ich nie geglaubt."

ADAC will sich nicht äußern

Offenbar besonders im Fokus: Betriebsratschef Johannis Mantziouras. Ihn trafen die Vorwürfe wie der Schlag: "Das haut glaube ich jeden von den Socken, einfach wenn man sich mal in die Situation hinein versetzt und sich vorstellt, das wäre mein Email-Account", berichtet der Mantziouras. Ein schwerer Verdacht gegen den eigenen Arbeitgeber. Der ADAC in Hannover will sich dazu auf Nachfrage nicht äußern. Sämtliche Interview-Anfragen werden immer wieder abgelehnt. Stattdessen meldet sich eine vom ADAC beauftragte Kommunikationsagentur und bezeichnet die umfangreichen Anschuldigungen lediglich als "Gerüchte".

Betriebsrat erstattet Anzeige

Ein ADAC-Abschleppfahrzeug zieht einen Wagen aus dem Graben. © dpa Foto: Jens Büttner
Der Betriebsrat hat Strafanzeige erstattet: In diesem Fall steht die Polizei nicht auf der Seite des ADAC.

Der Betriebsrat seinerseits hat jedenfalls Strafanzeige erstattet, die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt. Verantwortlich für die Bespitzelungen soll der Geschäftsführer des ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt sein: Hans-Henry Wieczorek. In den vergangenen fünf Jahren gab es am Arbeitsgericht in Hannover bereits 92 Verfahren zwischen dem ADAC und seiner Belegschaft - bei gerade mal 140 Mitarbeitern.

Auch am vergangenen Freitag gibt es gleich zwei Termine vor dem Arbeitsgericht. Thema unter anderem: Ein vom Betriebsrat geladener Referent durfte nicht einmal das ADAC-Gelände betreten. Handelt es sich um eine systematische Behinderung des Betriebsrates? Diese Frage würden wir Hans–Henry Wieczorek gerne persönlich stellen, doch der lässt sich vor Gericht nicht blicken. Sein Anwalt erklärt gegenüber Panorama 3 lediglich pauschal, die Vorwürfe seien "falsch".

"50.000 Euro für einen Betriebsratskopf"

Doch eine ehemalige Führungskraft bestätigt die Vorwürfe im Kern. Sie führte jahrelang heimlich Gesprächsprotokolle. Aus Angst vor ihrem früheren Chef will sie unerkannt bleiben: "Ich erinnere mich da ganz besonders an eine Leiterkreissitzung, wo die Äußerungen des Geschäftsführers darin gipfelten, dass er gesagt hat: '50.000 Euro für einen Betriebsratskopf.' Dann wurde gelacht und er hat gesagt: 'Oder reicht das nicht? Muss es noch mehr werden?'"

Immer wieder habe der Geschäftsführer seine Macht dazu missbraucht, Mitarbeiter massiv unter Druck zu setzen. "Wenn er der Meinung ist, der Mitarbeiter ist gegen mich, zum Beispiel der Betriebsrat auf jeden Fall, dann sagt er: 'Ich bin Tag und Nacht damit beschäftigt diesen Menschen fertig zu machen. Und das schaffe ich auch'", berichtet die ehemalige Angestellte.

Ex-Vorstand spricht von "Sumpf"

Auch Burkhard Scheunert bestätigt, dass beim ADAC Niedersachsen/Sachsen-Anhalt ein Klima der Angst herrsche, spricht von einem "Sumpf". Der ehemalige Vorstand, der sein Ehrenamt 2011 verärgert aufgab: "Durch geschickte Handhabung hat der Geschäftsführer schon das erreicht, dass die Kollegen machen was er möchte und so ihr Vorstandsamt ausüben, dass er diktiert wie‘s weitergeht." Diktator statt Geschäftsführer? Spionagechef statt Chef? Vom Chef der "Gelben Engel" in Niedersachesen, Hans-Henry Wieczorek: kein Kommentar.

Fatale Folgen für die Betroffenen

Für Marion Wille sind die Folgen ihrer Arbeit beim ADAC fatal: Sie wurde krank, weil sie ihre Arbeitsaufträge nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte - wurde krankgeschrieben und ist bis heute arbeitsunfähig. Nach einer formellen schriftlichen Beschwerde über ihre Arbeitsbedingungen kündigt ihr der ADAC. "Ich hab sehr große Schuldgefühle", berichtet sie. Sie habe mit vielen ehemaligen Mitarbeitern gesprochen - und dennoch: "Auch wenn andere da auch von betroffen gewesen sind - es hilft mir nicht."

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 19.03.2013 | 21:15 Uhr

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