Weil zu Gaslieferungen: Nicht in falscher Sicherheit wiegen
Aus Sicht von Niedersachsens Ministerpräsident könne Putin die Gasversorgung über die Pipeline Nord Stream 1 jederzeit wieder einstellen. Auch die Wirtschaft will alsbald weg von russischem Gas.
Die Wiederaufnahme sei eine gute Nachricht für die europäische Erdgasversorgung, sagte der Regierungschef Stephan Weil (SPD) in einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung. "Wir dürfen aber keinesfalls den Fehler machen, uns nun über den Sommer hinweg in falscher Sicherheit zu wiegen."
Wirtschaft in Niedersachsen will weg von russischem Gas
Auch aus der Wirtschaft kommen eher verhaltene Töne. Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, Volker Müller, hält die wiederaufgenommenen Gaslieferungen zwar für ein gutes Zeichen. Aber er sagt auch, dass weiter alles getan werden müsse, um unabhängig von russischem Erdgas zu werden. Müller fordert etwa, mehr niedersächsisches Erdgas zu fördern - was derzeit in der Nordsee vor Borkum ohnehin geplant wird. Der Industrieverband Chemie Nord dagegen wünscht sich mehr Strom aus Windkraft. Hauptgeschäftsführer Jochen Wilkens glaubt zudem, dass alle sich einschränken könnten, wenn es tatsächlich zu einem Gasmangel kommen sollte, wie er im Interview mit dem NDR Niedersachsen sagte. Auch IHK-Niedersachsen-Präsident Andreas Kirschenmann zeigte sich erleichtert, dass Nord Stream 1 wieder in Betrieb gegangen ist - angespannt sei die Lage aber weiterhin.
Bundesregierung nannte Grund für reduzierte Gaslieferungen vorgeschoben
Die Pipeline Nord Stream 1 - die wichtigste Gasleitung von Russland nach Deutschland - wurde 2011 in Betrieb genommen. Seit Juni hat Russlands staatlicher Energieriese Gazprom die Gaslieferungen nach Deutschland allerdings um mehr als die Hälfte reduziert. Begründet wurde dies mit einer fehlenden Turbine von Siemens Energy, was die Bundesregierung als vorgeschoben kritisierte. Später wurde die mehr als 1.200 Kilometer lange Pipeline wegen alljährlicher routinemäßiger Wartungsarbeiten stillgelegt. Am Donnerstag gingen die Gaslieferungen Netzdaten zufolge wieder planmäßig los. Die Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline erreichten am Morgen das angekündigte Niveau. In der Stunde zwischen 7.00 und 8.00 Uhr wurden nach Daten von der Website der Nord Stream AG mehr als 29 Gigawattstunden geliefert und damit in etwa so viel Gas, wie auf der Seite zuvor angekündigt wurde.
Weil: Russland will Versorgungsängste schüren
Weil sagte, niemand könne ausschließen, dass Russland bereits morgen einen neuen Grund finde, um Gaslieferungen nach Europa zu drosseln oder ganz einzustellen. "Gaslieferungen nach Gutsherrenart können kein sicheres Standbein für unsere Gasversorgung sein." Man müsse davon ausgehen, dass Russland weiterhin nach Belieben Versorgungsängste in Europa schüren werde, was die Gaspreise in die Höhe treibe. Man müsse weiterhin alles daransetzen, schnellstmöglich unabhängig von Russland zu werden. Nun müsse die Befüllung der Gasspeicher als Sicherheitspuffer für den Winter forciert werden. Gleichzeitig müsse in allen Bereichen an einer Verringerung des Gasverbrauchs gearbeitet werden - dies betreffe die Wirtschaft, die öffentliche Verwaltung und private Haushalte.