"Menschen müssen satt werden" - Tafel kauft Essen dazu

Stand: 06.08.2022 16:21 Uhr

Steigende Energie- und Lebensmittelpreise stellen Niedersachsens Tafeln vor Probleme. Die Achimer Tafel im Landkreis Verden muss schauen, dass es für alle reicht.

Viele Tafeln haben mehr Zulauf - aber nicht genug Lebensmittelspenden, um alle Menschen zu versorgen. Einige Tafeln haben deshalb ein Aufnahmestopp verhängt. Die Tafel in Achim (Landkreis Verden) benutzt deshalb seit Mai Wartemarken, die sie an ihre Kundinnen und Kunden verteilt. Die Marken ermöglichen nicht nur einen geordneten Einlass, sondern erleichtern auch die Arbeit bei der Ausgabe der Lebensmittel. An der Anzahl der verteilten Wartemarken können die Ehrenamtlichen ablesen, wie viele Personen oder Haushalte sie bei der Ausgabe berücksichtigen müssen. Allerdings teilt auch die Achimer Tafel, wie andere in Deutschland, weniger Lebensmittel pro Haushalt aus. So können sie die Lebensmittelspenden auf alle aufteilen, sagte Birgit Tobaben dem NDR in Niedersachsen. Seit zehn Jahren engagiert sie sich bei der Achimer Tafel.

Menge an Lebensmitteln pro Haushalt drastisch reduziert

Laut einer Umfrage der Tafel Deutschland e.V. von Juni geben Tafeln etwa 62 Prozent weniger Lebensmittel pro Haushalt raus - also spürbar weniger als vor dem Krieg in der Ukraine und den Preissteigerungen. Der Landesverband der Tafeln bestätigte zudem einen Rückgang der Lebensmittelspenden für Tafeln in Niedersachsen und Bremen. An der Online-Umfrage hatten sich 603 Tafeln beteiligt. Mehr als 900 Tafeln gibt es mittlerweile In Deutschland.

Supermärkte lassen weniger Essen übrig

Menschen holen Lebensmittel bei einer Ausgabe der Tafeln. © NDR
Die Zahl der Tafeln in Deutschland ist auf mehr als 900 angestiegen. Immer mehr Menschen brauchen gespendete Lebensmittel.

Uwe Lampe, Vorsitzender des Tafel-Landesverbandes Niedersachsen und Bremen, erklärt den Einbruch der Lebensmittelspenden so: Supermärkte und Lebensmittelhersteller wirtschaften besser, sodass am Ende weniger Lebensmittel für Tafeln übrig blieben. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Osnabrücker Tafel ergänzt: Die Spenden reichten auch deshalb nicht, weil die Zahl der Menschen, die auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, stark angestiegen sei. Neben vielen Geflüchteten aus der Ukraine kommen demnach auch zunehmend Menschen zur Tafel, die vor den Preissteigerungen noch einigermaßen über die Runden gekommen seien, berichtete ein Mitarbeiter der Oldenburger Tafel. Nun hätten Tafeln mehr Kundschaft aus der Gruppe der Erwerbslosen, der Menschen mit geringen Einkommen und der Rentnerinnen und Rentner als vor Beginn der Inflation. Das ergab die Umfrage des Bundesverbands der Tafeln.

Konserven für Herbst und Winter

Auch die Achimer Tafel hat mehr Zulauf. Deshalb hat sie zum ersten Mal in ihrem 15-jährigen Bestehen Lebensmittel aus Geldspenden hinzugekauft. Das ist gegen die Satzung und ist laut dem Bundesverband der Tafeln eigentlich zu vermeiden. Denn die Tafeln brauchen die Geldspenden, um laufende Kosten für Miete und Fahrzeuge zu decken. Die in der Garage gelagerten Gemüsekonserven in Achim sollen im Herbst und Winter nach und nach an Menschen verteilt werden, sagte Lisa Henschel, die die Tafel dort mit aufgebaut hat. "Und da halte ich wirklich den Daumen drauf, dass das wirklich rausgeht, wenn wir wirklich nicht genug haben", sagt Henschel. "Dass die Kunden, wie gesagt, satt werden."

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 06.08.2022 | 19:30 Uhr

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