Das Klima und die Reichen: Begrenztes CO2-Budget für jeden?

Stand: 12.01.2023 15:00 Uhr

Dürre, Brände, Fluten - die Folgen der Klimakrise sind überall auf der Welt spürbar. Ursache für die Erderhitzung sind Treibhausgase. Besonders große Mengen verursachen reiche Menschen. Klimaforscher Schellnhuber schlägt deshalb einen individuellen CO2-Handel vor.

von C. Baars, R. Holm, O. Lambrecht, K. Schiele

Zeitschriftenverleger Julien Backhaus © NDR/ARD
Über das Klima mache er sich wenig Gedanken, sagt der Zeitschriftenverleger Julien Backhaus.

Der niedersächsische Zeitschriften-Verleger Julien Backhaus gönnt sich häufiger einen Flug mit dem Privatjet. Ein schlechtes Gewissen hat er deshalb nicht: "Ich finde grundsätzlich Verzicht blöd." Mit dieser Haltung ist er nicht allein, die Zahl der Privatjet-Flüge in Deutschland ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

Im Oktober flog Backhaus zum Beispiel vom "Jade Weser Flughafen" in Wilhelmshaven nach Frankfurt zur Buchmesse - eine Strecke von nur rund 500 Kilometern. Ein Hin- und Rückflug mit dem Privatjet zwischen Wilhelmshaven und Frankfurt am Main verursacht etwa drei Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2. Dennoch mache er sich über das Klima wenig Gedanken, sagte Backhaus dem NDR.

Drei Tonnen CO2 im Jahr pro Person?

Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher. © NDR/ARD
Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber schlägt einen individuelle CO2-Handel vor.

Dabei entsprechen drei Tonnen CO2 der Menge, die ein Mensch rein rechnerisch ab jetzt in einem gesamten Jahr verursachen darf, wenn die Erderhitzung bei deutlich unter zwei Grad gestoppt werden soll. Das erklärte der renommierte Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Interview mit dem ARD-Magazin Panorama.

Ein Ausstoß von nur drei Tonnen CO2 im Jahr? Davon sind die Menschen in Deutschland weit entfernt. Im Schnitt verursachen sie je nach Berechnung zwischen acht und zehn Tonnen. Viele Millionäre kommen jährlich sogar auf mehr als 100 Tonnen CO2, Superreiche auf Tausende Tonnen pro Kopf. In den letzten Jahren habe man gesehen, dass eine Dimension von Reichtum die Klimaschädlichkeit sei, so Schellnhuber.

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Ein Bombardier BD-700-1A10 Global Express XRS Flugzeug der Luxaviation auf dem Flughafen Stuttgart (STR) in Deutschland. © picture alliance / Markus Mainka | Markus Mainka Foto: Markus Mainka

Klimakrise: Millionen Tonnen Treibhausgase durch Privatjets

Die Zahl der Privatjet-Flüge in Deutschland ist auf Rekordniveau gestiegen. Damit wurden auch mehr klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen - vor allem durch viele Kurzstreckenflüge. Das zeigen Recherchen von NDR und SZ. extern

Weniger Geld, weniger Klimaschädigung

Einen Privatjet-Flug für viele tausend Euro kann sich dagegen die Familie Klein aus Sande in Friesland nicht leisten. Wegen der hohen Spritpreise sei für sie schon Autofahren Luxus, erzählt Elvira Klein, die an einer Schule Kindern bei den Hausaufgaben hilft. Ihr Mann Albert arbeitet als Koch in einer Klinik. Obwohl diese mehr als zwanzig Kilometer weit entfernt liegt, nimmt er dorthin so oft wie möglich das Fahrrad.

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Zerknüllte Weltkugel © photocase Foto: Unschuldslamm

FAQ: Wer verursacht wie viele Treibhausgase?

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Menschen wie die Kleins schonen das Klima schon allein deswegen, weil ihnen weniger Geld zum Leben zur Verfügung steht. Doch selbst sie stoßen immer noch zu große Mengen Treibhausgase aus. Das Paar wollte wissen, wie viel CO2 sie etwa verursachen.

Elvira Klein © NDR/ARD
Bereits Autofahren sei wegen der hohen Spritpreise für sie schon Luxus, erzählt Elvira Klein.

Dafür haben sie Daten zu ihrem Lebensstil - zum Beispiel zum Haus und Essensgewohnheiten - online in einen CO2-Rechner eingegeben. Das Ergebnis: Knapp sieben Tonnen CO2 pro Person verursachen sie im Jahr - also weniger als der Durchschnitt in Deutschland und sehr viel weniger als vermögende Menschen, aber immer noch mehr als die rein rechnerisch nötigen drei Tonnen pro Kopf.

Individuelle CO2-Obergrenze

Insgesamt sei klar, dass ganz oben, wo die Reichsten besonders hohe Emissionen verursachten, auch am meisten reduziert werden müsse, erklärt der Umweltforscher Stephan Gössling von der Universität Lund in Schweden. "Ich denke, dass diese Debatte dringend geführt werden muss", so Gössling.

Stephan Gössling, Umweltforscher © NDR/ARD
Am meisten müssten CO2-Emissionen bei den Reichsten reduziert werden, so der Umweltforscher Stephan Gössling.

Klimaforscher Schellnhuber betont, dafür brauche man endlich eine "radikale Klarheit", was jeder Einzelne dazu beizutragen habe. Er fordert deshalb, eine individuelle CO2-Obergrenze einzuführen, aber gleichzeitig die Möglichkeit, mit CO2-Rechten zu handeln. "Jeder Mensch kriegt drei Tonnen CO2 pro Jahr, aber wer mehr braucht, muss es sich eben einkaufen", erklärt der Klimawissenschaftler, und zwar von anderen, die weniger ausstoßen.

Um im Schnitt die drei Tonnen CO2-Aussstoß jährlich zu erreichen, müsste niemand diese Grenze sofort einhalten. Die individuellen Emissionen müssten aber ab jetzt schnell sinken - zunächst auf die drei Tonnen bis etwa 2030 und dann weiter auf Null bis Mitte des Jahrhunderts.

Aktuelle Maßnahmen reichen nicht aus

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Panorama-Interview. © NDR/ARD
Will keine "individuelle Klima-Kontrolle": Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), lehnt eine solche CO2-Obergrenze für jeden Einzelnen jedoch ab. "Ich konzentriere mich jetzt nicht auf die Frage eines individuellen Budgets", erklärt Habeck im Interview mit Panorama. Der Minister möchte die Menge der Treibhausgase durch die bereits eingeleiteten Maßnahmen wie etwa den Ausbau erneuerbarer Energien oder Gebäude-Sanierungen reduzieren. Zudem müssten Produkte, die klimaschädlich hergestellt würden, teurer werden, so Habeck, oder falls nötig, verboten werden. Er sei der Meinung, dass die Klimaschutz-Ziele ohne eine "individuelle Klima-Kontrolle" besser zu erreichen seien.

Doch selbst der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen kommt zu der Einschätzung, dass die aktuellen Maßnahmen nicht ausreichten. Der Ausstoß von Treibhausgasen sinke zu langsam, so das Gremium in seinem aktuellen Gutachten, die Ziele für das Jahr 2030 würden voraussichtlich "signifikant verfehlt". Der Rat empfiehlt deshalb, nicht mehr nur weiche Minderungsziele zu formulieren, sondern eine "harte Begrenzung zulässiger Emissionsmengen" einzuführen.

"Das Klima und die Reichen" läuft am Donnerstag, 12.1. um 21.45 Uhr in Panorama im Ersten.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama | 12.01.2023 | 21:45 Uhr

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