VIDEO: "Tutanchamun": Ägyptens Geheimnisse als Multimedia-Schau in Hamburg (3 Min)

Ungebrochene Faszination: Tutanchamun ist eine Ikone der Menschheit

Stand: 19.01.2024 10:53 Uhr

Was fasziniert so sehr am alten Ägypten. Was am Herrscher Tutanchamun? Darüber spricht der Ägyptologe Nacho Ares. Er hat die Wanderausstellung "Tutanchamun" konzipiert, die bis Ostern in Hamburg zu erleben ist. Ein Interview.

Der 53 Jahre alte Ägyptologe aus Spanien hat die immersive Tutanchamun-Show inhaltlich kuratiert und die Texte der Multimedia-Ausstellung verfasst, die seit Anfang November unter großem Publikumsandrang in Hamburg-Altona läuft.

Die Wanderausstellung war bereits in Spanien ein Publikumshit und ist aktuell parallel in Wien, Hamburg, Stuttgart und selbst in Kairo zu sehen. Ares erzählt, was das Publikum am alten Ägypten bis heute so fasziniert, was das Besondere am Pharao Tutanchamun ist, wie wenig neue Erkenntnisse es jedoch seit 100 Jahren über den einstigen Herrscher gibt und hat Buchtipps für neue Ägyptologie-Fans - für jung und alt.

Was macht den Reiz an der Legende Tutanchamuns aus, selbst mehr als 100 Jahre nach der Entdeckung seines Grabes - und Tausende Jahre nach seiner Herrschaft im alten Ägypten?

Ein Mann mit blauem Hemd, dunklem Sacko und Brille vor der Replik des Sarkophages von Tutanchamun - Ägyptologe Nacho Ares ist Kurator der Tutanchamun-Ausstellung in Hamburg © NDR Foto: Patricia Batlle
"Tutanchamun ist eine Ikone der Menschheit", sagt der 53-jährige spanische Ägyptologe Nacho Ares.

Nacho Ares: Die Entdeckung des Grabes von Tutanchamun im Jahr 1922, die schiere Anzahl an Grabbeigaben und Gegenständen im Grab, fast 5.500, viele aus Gold, haben die ganze Welt fasziniert. Es ist das erste Mal, dass ein archäologischer Fund auf den Titelseiten von großen Medien weltweit erscheint - vor allem in den Printmedien. Es war unglaublich, wie schnell damals diese Entdeckung Lieder inspirierte, etwa den Tango-König Carlos Gardel, und auch die Mode beeinflusste. Wie schon Grab-Entdecker Howard Carter sagte: Es war vor allem das Gold, dass alle derart faszinierte.

Ägypten übt seit dem 19. Jahrhundert eine Faszination im Okzident aus, unter anderem weil man versucht hat, in der Bibel nach historischen Elementen, etwa über Moses, zu suchen. Daher sind viele Menschen aus dem Okzident schon im 19. Jahrhundert an den Nil gereist. Diese Begeisterung an Ägypten ist bis heute ungebrochen, weil es einfach unser Ursprung ist. Wir stammen von dort.

War es auch die Faszination am Tod und am Jenseits, die im Verständnis über das alte Ägypten eine Rolle spielt?

Ares: Wir sehen das alte Ägypten vielleicht etwas zu stark aus der Perspektive der Entdecker der Gräber und denken, dass die Ägypter damals fasziniert vom Tod waren. Dabei haben sie das Leben gefeiert. Sie wollten das Schönste aus dem Leben mit ins Jenseits mitnehmen. Daher hat sich Tutanchamun auch mit vielen Alltagsgegenständen begraben lassen: Kleidung, Handschuhe, Sandalen, Zepter und Spiele. All das wollte er ins Jenseits mitnehmen, um dort sein einstiges Leben fortzuführen. Wir verbinden diese Zeit mit etwas Morbiden, mit den Mumien, mit etwas Dunklem. Es ist eigentlich an der Zeit, diese Einstellung zu überdenken.

Wie viel weiß man über die Herrscherzeit Tutanchamuns?

Ares: Als Howard Carter 1922 das Grab Tutanchamuns entdeckt hat, wusste man wenig über ihn. Und nun, mehr als 100 Jahre später, wissen wir erst ein klein wenig mehr. Der Pharao wurde von den royalen Listen gelöscht: Weil er damals als Gotteslästerer galt.

Nicht einmal durch das Entziffern der Hieroglyphen auf dem Stein des Rosetta, der im British Museum ausgestellt ist, hat man in den Annalen mehr entdecken können?

Ares: Man hat schon viel Entziffern können, aber in den Registern ist eben kaum etwas über seine Herrschaft zu finden. Es ist möglich, dass etwas über seine Zeit geschrieben steht - aber sein Name ist herausgelöscht worden. So verfährt man doch heute auch noch: Wenn etwa die Spuren eines Diktators in einem Land gelöscht werden sollen, vernichten man seine Statuen, ändert Straßennamen, die vorher auf diesen verwiesen.

Aber Einiges wird heute nach und nach umgedeutet. Einst hieß es, Tutanchamun sei kränklich gewesen, daher habe er so viele Stöcke und Zepter im Grab gehabt. Die Ägyptologen und Mumienexperten weisen heute aber darauf hin, dass der Mumifizierte ein normaler Mensch gewesen sei. Nichts weise auf eine Krankheit oder auf ein besonderes physisches Merkmal hin. Aber er starb eben im Alter von 20 Jahren.

Dabei ist es ausgerechnet seine goldene Totenmaske, die bis heute für das alte Ägypten steht …

Ares: …absolut, die Maske des Tutanchamun ist eine Ikone. Nicht nur des alten Ägypten. Der ägyptische Staat hat die Maske auch heute noch als eine Ikone des heutigen Landes bezeichnet. Für die westliche Welt steht sie für das alte Ägypten. Sie ist auf Dutzenden von Publikationen, von Büchern, von Dokumentarfilmen zu erkennen. Howard Carter hatte nicht die nötige Zeit, um die Funde wissenschaftlich zu erfassen. Es waren fast 5.500 Gegenstände.

Die Maske, die Sarkophage, fast 80 Prozent des Grabinhalts sind nicht wissenschaftlich erfasst. Vieles fasziniert eben seit 100 Jahren, der Stein Lapislazuli, das Gold, die Formen. Sie haben etwas Zeitloses, und sind fantastisch erhalten.

Entdeckung des Grabes des Pharaos Tutanchamun im Tal der Könige in Ägypten: In der Grabkammer untersuchen Howard Carter und ein ägyptischer Assistent 1923 den dritten Sarkophag von Tutanchamun. © picture alliance / opale.photo | Darchivio
AUDIO: Howard Carter und der Fund des Pharao (14 Min)

Was ist Besondere an dieser immersiven Ausstellung?

Ares: Wir kombinieren Multimedia-Elemente mit Repliken aus den Grabfunden. Wenige Ausstellungsobjekte sind auch Originale, etwa ein Uschebti, eine kleine Statuette. Sie stammt aus Tutanchamuns Grab. So kann man in der Ausstellung nicht nur multimedial in die atemberaubende alt-ägyptische Welt eintauchten, sondern auch Faksimiles aus der Zeit von Howard Carters Ausgrabung entdecken. Skizzen, die er angefertigt hat.

Wir wollen, dass die Leute ins alte Ägypten reisen und auch in die aufregende Zeit des Grabfundes von Howard Carter vor 100 Jahren. Das war eine der größten archäologischen Entdeckungen der Menschheit. Als Ägyptologe interessiert mich hier fast mehr Carters Leben, sein Team, die Ägypter, die mit ihm alles erlebt haben, als die Grabfunde.  

Wie stehen Ägyptologen in Kairo zur Ausstellung?

Ares: Sie finden sie außergewöhnlich und haben sie mit erworben. Die Show ist seit Ende 2023 im teileröffneten Großen Ägyptischen Museum ausgestellt, das erst in 2024 richtig eröffnen wird. Diese Teileröffnung ist eine große Ehre für uns. Ich war selbst das erste Mal mit 20 Jahren in Kairo und habe dort alles besucht. Das war unglaublich. Damals wohnte ich noch im spanischen Valladolid und kannte alles nur aus Büchern, aber kein Bewegtbild. Ich bin in den Tempel von Karnak gegangen und wusste erst gar nicht, wo etwas steht. Tutanchamun ist eine Ikone der Menschheit.

Können Sie noch Bücher für Familien und kleine Kinder empfehlen zum Thema?

Ares: Ausgezeichnet ist der Klassiker "Götter, Gräber und Gelehrte" von C.W. Ceram von 1949. Für Kinder die belgischen Comics von Edgar Pierre Jacob, "Blake und Mortimer: Das Geheimnis der großen Pyramide" und natürlich Tim und Struppi und "Die Zigarren des Pharaos".

Der Autor C.W. Ceram hieß eigentlich Kurt Wilhelm Marek, war Journalist und lange Jahre Lektor im Rowohlt Verlag und schrieb Archäologie-Bücher. Sein Grab liegt auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf.

Das Gespräch führte Patricia Batlle, NDR Kultur.

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Dieses Thema im Programm:

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