Champions League in Hamburg: Große Vorfreude auf Schachtar Donezk

Stand: 19.09.2023 09:23 Uhr

Der ukrainische Fußballmeister Schachtar Donezk startet heute Abend (21 Uhr) im Hamburger Volksparkstadion gegen den FC Porto in die Gruppenphase der Champions League. Bei den Fans ist die Vorfreude schon riesig - das zeigt ein Besuch beim Jugendtraining des Hamburger Vereins KS Polonia.

von Christian Görtzen

Es ist ein buntes Gewusel hier auf dem Kunstrasenplatz des polnisch geprägten Vereins, in dem sich innerhalb von anderthalb Jahren Grundlegendes verändert hat. Waren bei Trainingseinheiten des Klub Sportowy bis dahin nur dunkle Männerstimmen zu hören, weil es bei Polonia nur zwei Teams für Erwachsene gab, sind nun die Kinder in der Mehrzahl - Kinder aus der Ukraine.

Manfred Wolny, Gründer und Vorsitzender des Vereins aus dem Hamburger Stadtteil Uhlenhorst, steht am Spielfeldrand und sieht lächelnd hinüber zur großen Gruppe an C- und D-Jugendlichen, die unter der Anleitung von drei Trainern mit Feuereifer den Bällen nachjagen.

Schon 80 ukrainische Kinder bei KS Polonia

"Im April 2022, zwei Monate nach Kriegsbeginn, kam ein Junge aus der Ukraine zu uns und hat nach einer Trainingsmöglichkeit für Kinder gefragt", erzählt Wolny, der 1987 aus dem polnischen Schlesien nach Hamburg umsiedelte und ein Jahr später KS Polonia mitgründete. Es sei damit etwas angestoßen worden, so der 61-Jährige. Gespräche mit dem Verein Croatia Hamburg, mit dem sich KS den Platz teilt, führten zügig zu dem Ergebnis: "Wir machen das jetzt mit dem Jugendtraining!"

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Ein Schal von Schachtar Donezk hängt am Zaun des Volksparkstadions, der Arena des HSV, in Hamburg. © Imago Images Foto: Hanno Bode

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Bald darauf war Polonia auch schon Anziehungspunkt für ukrainische Kinder. Wolny: "Das ging ruckzuck, da hatten wir schon 50, 60 Kinder, und es kommen immer noch mehr dazu. Jetzt sind es 80, und wir haben fünf erfolgreiche Jugendmannschaften."

In denen sich zahlreiche Fans von Schachtar Donezk finden - so, wie der elf Jahre alte Mykola, der mittels geschliffener Technik die Bälle geschickt verteilt und hin und wieder selbst einnetzt. Er trägt das orangefarbene Trikot seines Lieblingsclubs, der im Volksparkstadion des Zweitligisten Hamburger SV seine drei Gruppenspiele in der Champions League bestreitet. Auftakt ist heute (21 Uhr) gegen den 30-maligen portugiesischen Meister und aktuellen Titelträger FC Porto.

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Osnabrücks Charalambos Makridis (r.) und Magdeburgs Tobias Müller kämpfen um den Ball. © IMAGO / Jan Huebner

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Schachtar-Fan Kolja geht mit der Mutter ins Stadion

"Ich freue mich sehr darüber, dass Schachtar in Hamburg spielt - und ich gehe hin! Mein Papa ist in der Ukraine, aber meine Mama hat Tickets gekauft. Ich habe mich sehr darüber gefreut, als sie mir das erzählte", schildert der kleine Mittelfeldspieler mit glänzenden Augen. Seine Verbundenheit zum Club aus der vom Bergbau geprägten Region Donbass geht sogar über das reine Fan-Dasein hinaus. Es gibt auch eine fußballerische Beziehung. Mykola: "Als wir früher in Saporischja gewohnt haben, habe ich dort in der Schachtjor-Akademie gespielt."

Donezk spielte in der Vorsaison in Warschau

Der Beginn des russischen Angriffskrieges gegen das Nachbarland am 24. Februar 2022 veränderte alles - für Mykola und sehr viele seiner heutigen Teamkollegen bei KS Polonia. Aber auch für Schachtar Donezk, den 14-maligen ukrainischen Meister und 13-maligen Pokalsieger, der nach Dynamo Kiew der zweiterfolgreichste Verein des Landes ist.

Die Heimspiele von Schachtar finden seitdem nicht mehr in der Ukraine statt. In der vergangenen Saison hatte der Club noch in Warschau gespielt. Wegen terminlicher Probleme musste aber eine andere Spielstätte gefunden werden.

Partie gegen Barcelona das Top-Event in Hamburg

Der HSV bot sich an - und bekam den Zuschlag. Der norddeutsche Zweitligist übernimmt die komplette organisatorische Umsetzung der Spieltage und erhält dafür eine Umsatzbeteiligung. Höhepunkt der Gastspiele von Schachtar in Hamburg ist am 7. November die Partie gegen den FC Barcelona.

Gegner der dritten Königsklassenpartie im Volksparkstadion ist am 28. November der Club Royal Antwerpen aus Belgien. Für das Spiel gegen Porto sind nach Angaben des HSV vom Montagnachmittag bereits 45.300 der 51.500 Tickets verkauft worden.

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Blick ins Volksparkstadion des HSV © Witters

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Auch Mykolas Teamkollege Tymofii fiebert den Partien entgegen. "Ich fand es schon toll, dass die Ukraine in Bremen gespielt hat und wir mit unserem Verein das Länderspiel im Stadion gesehen haben. Dass jetzt auch noch ein ukrainischer Verein nach Hamburg kommt, finde ich geil. Das ist ein sehr guter ukrainischer Verein", sagt der Zehnjährige in erstaunlich gutem Deutsch.

Zuversicht vor dem Spiel gegen den FC Porto

In den vergangenen Sommerferien war er in seiner Geburtstadt Kiew. "Das ist dort nicht so gut. Ich bin oft traurig darüber, was in der Ukraine passiert. Früher war ich mal bei Dynamo Kiew im Stadion und habe das Spiel gegen Schachtar gesehen. Das ist fast wie HSV gegen den FC St. Pauli." Das Champions-League-Spiel von Schachtar gegen Porto werde er vermutlich im Fernsehen verfolgen, es werde ja recht spät angepfiffen. 3:2 werde Schachtar gewinnen, glaubt Timofii. "Porto hat aber auch eine starke Mannschaft, da spielt ja auch Pepe. Ich glaube, das wird ein geiles Spiel", sagt er.

Zuversicht herrscht auch bei seinen Mitspielern. Mykola tippt auf ein 2:1, der aus Charkiw stammende Mykailo auf ein 1:0 für den Club aus dem Donbass, der seit 2002 immer wieder auf Brasilianer setzt. Im aktuellen Kader des UEFA-Pokal-Gewinners von 2009 (2:1 n. V. gegen Werder Bremen) finden sich Verteidiger Pedrinho sowie die Mittelfeldspieler Eguinaldo und Newerton. Bekannteste Ukrainer sind die Nationalspieler Artem Bondarenko und Taras Stepanenko.

Wolny hat den ukrainischen Fußball lieben gelernt

Manfred Wolny, Vorsitzender des Hamburger Vereins KS Polonia. © NDR Foto: Christian Görtzen
Manfred Wolny, Vorsitzender von KS Polonia, will im Volksparkstadion Schachtar-Fanartikel kaufen.

Auch Polonia-Macher Wolny freut sich auf das Spiel von Donezk gegen Porto. Der gebürtige Pole hat durch das Auftreten, die Leistungen und die Erfolge seiner Spieler den ukrainischen Fußball lieben gelernt. "Ich gehe zum Spiel gegen Porto und werde im Volksparkstadion beim Schachtar-Fanstand einige Sachen kaufen. Wir planen schon für unser Sommerfest im nächsten Jahr, und dann habe ich etwas für die Tombola. Es ist immer gut, etwas zu haben."

Dass sie nun so viele ukrainische Kinder im Verein haben, hat sehr viel angeschoben. Vom Hamburger Fußballverband (HFV) und der S-Bahn Hamburg erhielt KS Polonia den mit 5.000 Euro dotierten Integrationspreis. Und diese Ehrung wiederum dürfte erheblich dazu beigetragen haben, dass beim Club infrastrukturell jetzt sehr viel geschieht.

Bislang ist es so, dass es kein Vereinsheim gibt und sich die Teams in Bauwagen und Containern umziehen. Aber schon in wenigen Wochen soll direkt neben dem Spielfeld ein gemeinsames Clubheim für die Vereine KS Polonia und Croatia entstehen. Von der Hamburger Bürgerschaft erhalten beide Vereine jeweils einen Zuschuss von 150.000 Euro.

"Wir bekommen immer wieder Anerkennung. Vorher hatten wir keine Kinder, jetzt haben wir Kinder", sagt Wolny, hält kurz inne und fügt hinzu: "Ich würde es begrüßen, wenn sie irgendwann wieder zurück nach Hause, in die Ukraine, gehen könnten. Aber viele werden auch bleiben." Bei KS Polonia, dem eigentlich polnisch geprägten Club im Herzen Hamburgs, haben sie eine sportliche Heimat gefunden.

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Hamburg, 30. September 2018 - Fußball, 2. Bundesliga 2018/19, Hamburger SV - FC St. Pauli: Übersicht des Hamburger Volksparkstadion, Heimspielstätte des HSV © picture alliance / xim.gs | xim.gs / Philipp Szyza

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 19.09.2023 | 19:30 Uhr

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