Das Schleswig-Holstein Festival Orchester mit Krzysztof Urbański © NDR.de/ Lina Bande Foto: Lina Bande

Krzysztof Urbański: Proben zwischen Wassereis und Fußball

Stand: 21.07.2022 22:30 Uhr

Das Schleswig-Holstein Festival Orchester probt jede Woche ein anderes Konzert unter anderer Leitung. Zeit, sich kennenzulernen, bleibt da meist nicht. Krzysztof Urbański versucht es trotzdem und unternimmt auch nach der Probe was mit dem Orchester.

von Lina Bande

37 Grad im Schatten zeigt das Thermometer draußen vor der ACO Thormannhalle in Büdelsdorf. Drinnen ist es zwar noch kühler, aber tauschen möchte man trotzdem nicht mit den Musikerinnen und Musikern, die nach und nach auf der Bühne Platz nehmen. Wer kann, spielt sich einhändig ein: Die andere Hand wird zum Fächern gebraucht. Mit ein bisschen Verspätung hüpft dann Dirigent Krzysztof Urbański auf die Bühne: Er hat noch telefoniert und nach einer Lösung für "this hot situation" - diese heiße Situation - gesucht. "What we would like to try: more shorter breaks. We play a passage and then we gonna make a five minute break" - mehrere fünfminütige Pausen zwischen einzelnen Passagen -, schlägt er vor. Außerdem stehen mittlerweile sämtliche Türen der alten Industriehalle weit offen. Ein bisschen Durchzug im Saal, der hilft schon.

Wenige Proben und viele Herausforderungen

Mit der "Skythischen Suite" von Sergej Prokofiev startet der polnische Dirigent in diesen Probennachmittag. Mehr als zwei Minuten lang lässt Krzysztof Urbański sein Orchester erst mal durchspielen, klebt sich beim Dirigieren kleine orangefarbene Zettel in die Noten für spätere Korrekturen. Viel Zeit haben er und sein Orchester nicht: nur vier Proben in zwei Tagen plus die Generalprobe.

Der Dirigent weiß um die Herausforderung für die jungen Musikerinnen und Musiker. Es sei eine große Herausforderung für sie, da das Repertoire insbesondere auf rhythmischer Ebene komplex ist. Die Musikerinnen und Musiker seien jedoch gut vorbereitet und es sei eine reine Freude, mit ihnen zu arbeiten.

Krzysztof Urbański: Impulsiv, direkt - und dabei angenehm

Auf seinem Drehstuhl hält es Krzysztof Urbański nur kurz. Als würde er sein Orchester anfeuern, geht er mit, in der rechten Hand den Taktstock, die linke Hand immer frei für Anweisungen: den Daumen nach oben in Richtung Bläser oder langsame Abwärtsbewegungen, wenn die Streicher zu laut sind. Ein Stil, den Violinist Maximilian Beer sehr angenehm findet. Der 18-Jährige hat in den vergangenen Jahren schon mit vielen Dirigenten im Bundesjugendorchester zusammengearbeitet und hat deshalb einige Vergleichsmöglichkeiten. "Er ist ein sehr impulsiver Dirigent, der sehr viel fordert, aber auch immer sehr direkt weiß, was er möchte. Er sagt einfach, was er denkt, und das finde ich sehr angenehm an der Arbeit mit ihm."

Hier ein bisschen zu langsam, da ein bisschen zu laut: Der Dirigent arbeitet im Akkord einzelne Takte nach, lässt sie kurz anspielen und wenn er zufrieden ist, geht's direkt weiter - heute immer wieder unterbrochen von Pausen draußen im Schatten mit Wassereis für alle. Das hat sich gerade auch Viktoria Kassel aus der Kühltasche geholt: "Er ist enorm detailliert und ich find's sehr effizient", sagt sie. "Er ist sehr klar, in dem was er möchte, also man merkt ganz genau, dass er das Stück in- und auswendig kennt. Er ist super solide und man kann sich total auf ihn verlassen. Die Art und Weise, wie er probt, ist zwar sehr intensiv, weil es sehr dicht ist und sehr kompakt, aber dadurch macht man natürlich auch enorm viele Fortschritte, was bei so einem Programm, glaube ich, sehr wichtig ist, weil es sehr tough ist."

Das SHFO und Krzysztof Urbański auf dem Fußballplatz

Das Schleswig-Holstein Festival Orchester und Krzysztof Urbański spielen Fußball © NDR.de/ Lina Bande Foto: Lina Bande
Krzysztof Urbański wollte als Kind Profifußballer werden. Heute spielt er regelmäßig mit seinen Orchestern.

Aber das ist noch nicht alles, denn Krzysztof Urbański hat heute noch mehr vor mit seinem Orchester: Er hat sich ein gemeinsames Fußballspiel gewünscht. Die Festivalorganisatoren haben dafür extra einen Platz gemietet. Urbański habe als Kind davon geträumt, ein professioneller Fußballer zu werden, sei jedoch nicht gut genug gewesen, erzählt er. Er liebt es, so oft er kann, zu spielen.

Und das macht er auch regelmäßig mit den Orchestern, die er leitet: Unter anderem gab es schon ein Freundschaftsspiel zwischen dem NDR Elbphilharmonie- und dem Tokio-Sinfonieorchester. Denn dabei gehe es um viel mehr als nur Fußball, sagt der Dirigent: Der Fußball als Teamsport helfe den Orchestermitgliedern zu verstehen, dass alle untereinander ein gemeinsames Ziel und die gleiche Leidenschaft haben.

Ein Dirigent in Knieschonern und Muskelshirt

Für die Musikerinnen und Musiker geht es mit dem Bus schnell zur Unterkunft, Abendbrot essen, Sachen packen und ab zum Fußballplatz. Ihr Dirigent wartet dort schon: im Muskelshirt, mit Sonnenbrille und Knieschonern bolzt er sich schon mal warm. Einen eigenen Ball und ein paar Leibchen hat er dabei - immer, ruft er lachend - und kann aus seiner Dirigentenrolle dann doch nicht so ganz raus: Erst leitet er das Aufwärmprogramm, formt dann die Teams.

40 Leute auf dem Platz und bestimmt nochmal 30, die zum Zugucken und Anfeuern mitgekommen sind. Teambuilding abseits der Musik. Maximilian Beer weiß das nicht nur in Bezug auf seine Kolleginnen und Kollegen zu schätzen: "Ich glaube, man hat unterbewusst ein entspannteres Verhältnis zum Dirigenten - was nicht heißen soll, dass man entspannter in den Proben ist, sondern dass man trotzdem den Respekt vor ihm hat und die Proben gut macht. Aber ich denke, dass man, wenn man den Dirigenten auf einer anderen Ebene kennenlernt, das sehr hilfreich fürs Orchester ist." Immerhin haben sich alle gerade erst kennengelernt. Vor dem Orchester liegen noch mehrere gemeinsame Wochen. Da hilft ein Abend wie dieser sicherlich dabei, das Motto "Let's make music as friends" auch auf die Bühne zu bringen.

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Krzysztof Urbański: Proben zwischen Wassereis und Fußball

Das SHFO probt jede Woche unter anderer Leitung. Zeit, sich kennenzulernen, bleibt da meist nicht. Der Dirigent versucht es trotzdem.

Art:
Konzert
Datum:
Ende:
Ort:
Musik- und Kongresshalle, Konzertsaal
Willy-Brandt-Allee 10
23554 Lübeck
Preis:
ab 19 Euro
Besonderheit:
ein weiteres Konzert findet am 23. Juli in der Holstenhalle 1 in Neumünster statt.
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 22.07.2022 | 08:20 Uhr

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