Porträt des Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach (Lithographie von Alfred Lemoine) © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images
Porträt des Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach (Lithographie von Alfred Lemoine) © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images
Porträt des Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach (Lithographie von Alfred Lemoine) © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images
AUDIO: Zu Lebzeiten bekannter als sein Vater: Carl Philipp Emanuel Bach (8 Min)

Carl Philipp Emanuel Bach: Hansjörg Albrecht über den Hamburger Bach

Stand: 24.01.2024 14:49 Uhr

Er war zu Lebzeiten berühmter als sein Vater: Carl Philipp Emanuel Bach. Hansjörg Albrecht ist künstlerischer Leiter der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Akademie in Hamburg. Ein Gespräch über die Pläne der Akademie und über den außergewöhnlichen Komponisten.

Carl Philipp Emanuel Bach hat über 1.000 Werke komponiert. Er steht musikalisch am Übergang vom Barock zur Klassik. Der zweite Sohn von Johann Sebastian Bach wurde noch von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven hoch geschätzt, wegen seiner Werke, aber auch wegen seiner berühmten Klavierschule.

Der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor bei einem Auftritt in der Laeiszhalle. © CPE-Bach-Chor
Bereits seit 25 Jahren besteht der Hamburger Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor.

Das weltweit einzige Ensemble, das nach Carl Philipp Emanuel Bach benannt ist, findet sich in Hamburg: der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor. Frischgebackener künstlerischer Leiter ist Hansjörg Albrecht, der den Chor schon seit langer Zeit als Gast dirigiert hat. Albrecht soll auch die Gründung einer Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Akademie (CPEB-Akademie) in Hamburg verantworten.

Herr Albrecht, Sie sind Organist, Cembalist, Dirigent und ausgewiesener Bach-Experte. 18 Jahre lang haben sie den Münchner Bach-Chor und das Bach-Orchester geleitet. Jetzt sollen sie dazu beitragen, Hamburg zu einer Bach-Stadt zu machen. Da steht klar Carl Philipp Emanuel im Mittelpunkt. Wir wollen ihn gemeinsam vorstellen. Ich werfe ein paar Stichworte in den Raum und bitte Sie dazu etwas zu sagen.

Der Sohn:

Hansjörg Albrecht: Der zweite Sohn, der aber der bekannteste der Bach-Söhne wurde.

Der Avantgardist:

Albrecht: Carl Philipp hat eine total verrückte Schreibweise. Wenn man ihn als empfindsam charakterisiert, ist es nur ein Bruchteil dessen. Ich würde ihn mit Sturm und Drang charakterisieren und dann später vergleichbar mit Arnold Schönberg, der alles aufgebrochen hat.

Der Klaviervirtuose:

Albrecht: Ein phänomenaler Cembalist, vor allen Dingen in den Sonaten und den Konzerten für Cembalo. Er verkümmerte etwas am Hofe Friedrichs II. und hat dann endlich den Absprung nach Hamburg bekommen können.

Der Patensohn:

Albrecht: Patensohn von Georg Philipp Telemann, der wiederum hoch dotierter und angesehener Musikdirektor der Stadt Hamburg war.

Der Hamburger Bach:

Albrecht: Der Hamburger Bach Carl Philipp kam 1768 nach Hamburg und hatte die Position des Musikdirektors an den fünf Hauptkirchen. Zudem hatte er Latein am Johanneum zu geben, von dem er sich allerdings befreien ließ. Er hat das 20 Jahre lang ausgeübt und war in ganz Europa berühmt dafür.

Der Unternehmer:

Albrecht: Carl Philipp hat in ganz Europa ein Netzwerk aufgebaut. Sogenannte Kollekteure haben in Städten und an Höfen seine Noten vertrieben. Städte wie London, Paris, Stockholm, Oslo, Wien, Prag, Warschau, Moskau, Sankt Petersburg und sogar Südafrika waren mit dabei. Es sind über 100 Orte, an die er seine Noten vertrieben hat. Da ist er in die Fußstapfen seines Patenonkels getreten, der sich ebenfalls recht gut vermarkten konnte.

Der Lebemann:

Hansjörg Albrecht: Carl Philipp war der guten Küche nicht abgeneigt. Er hat einen sehr erlesenen Freundeskreis gehabt, war mit Diderot im Briefwechsel und mit Klopstock und Lessing befreundet. Außerdem war er mit zwei Oberbürgermeistern im engen, freundschaftlichen Kontakt und hat ein offenes Haus geführt. Wenn hoch angesehene Gäste von außen kamen, war er immer bereit sie zu empfangen.

Weitere Informationen
Kupferstich-Porträt des Komponisten Carl Philipp Emanuel Bach © Imago / Imagebroker

Carl Philipp Emanuel: Der "Hamburger Bach"

Zwei Jahrzehnte prägte der Sohn von Johann Sebastian Bach als Musikdirektor das kulturelle Leben Hamburgs. Er starb am 14. Dezember 1788. mehr

Wird man all das, was Sie uns jetzt erzählt haben, künftig an der Carl Philipp Emanuel Bach Akademie in Hamburg erfahren können?

Blick auf die Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Orgel in der Südempore der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis. © NDR Foto: Anja Deuble
Die Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Orgel ziert die Südempore der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis.

Hansjörg Albrecht: Wir haben diese Akademie im April 2023 anlässlich des ersten Festivals für Carl Philipp gegründet. Schirmherr Ton Koopman hat nicht gezögert und gesagt: Hamburg, das ist die Stadt für Carl Philipp. Auch vom Bach-Archiv aus Leipzig kommt vehement Unterstützung. In Hamburg gab es 1998 schon einmal ein Carl-Philipp-Bewerb, und daran möchten wir anknüpfen. Es gab 2014 anlässlich des 300. Geburtstages von Carl Philipp ein großes Bachfest, ein Festival quasi über das ganze Jahr.

Der Name Akademie deutet darauf hin, dass dort Wissenschaft betrieben werden soll. Ist das auch etwas für die Allgemeinheit?

Hansjörg Albrecht: Es ist beides. Das Ganze ist wie ein Start-up, das eine gewisse Zeit brauchen wird, bis wir das so groß haben, wie wir es uns vorstellen. Die Idee ist, nach dem Vorbild der Stuttgarter Bach-Akademie, in Hamburg eine Plattform aufzubauen. Da wird natürlich Carl Philipp im Zentrum stehen, aber die Musik seiner drei Brüder, die genauso wie er am Übergang zur Wiener Klassik ganz vehement mitgeholfen haben, wird vertreten sein.

Die Zusammenarbeit mit der Universität werden wir nach und nach ausweiten. Es gibt konkrete Gespräche mit dem Bach-Archiv in Leipzig. Wir wollen versuchen, ein möglichst weltweites Netzwerk von interessierten Ensembles - zum Beispiel das Orchestra of the Age of Enlightenment - mit an Bord zu holen. Mit der Akademie für Alte Musik wollen wir so eine Art Residenzensemble aufbauen. Aber auch das Ensemble Resonanz und mit programmatischer Weiterentwicklung die Philharmoniker und das NDR Elbphilharmonie Orchester wollen wir über das CPE-Bachfest mit einbinden.

Bei Vater Johann Sebastian kann fast jeder ein paar bekannte Werke aus dem Handgelenk schütteln. Bei Carl Philipp Emanuel Bach ist das noch anders, oder?

Hansjörg Albrecht: Wir sehen unsere Aufgabe darin, das in den nächsten Jahren zu bündeln. Carl Philipp hat einen komplett anderen Stil gepflegt, der sehr wild ist. Bei Johann Sebastian ist es einfach so: Man kann noch so schlecht spielen, auf noch so schlechten Instrumenten - von der erste Note an wirkt die Musik. Carl Philipps Musik ist nicht zweite Garnitur, aber sie spricht anders. Es ist Musik des Übergangs, und Übergänge haben immer die Schwierigkeit, dass sie länger brauchen, bis sie wahrgenommen werden.

Das Gespräch führte Christiane Irrgang.

Weitere Informationen
Porträt einer Familie aus dem 17. Jahrhundert, die in einem Wohnzimmer gemeinsam musiziert © picture-alliance / akg-image

Der Bach-Clan: Eine weit verzweigte Musikerfamilie

Die Familie Bach beherrschte über mehrere Generationen das Musikleben Mitteldeutschlands - und hinterließ auch in Norddeutschland ihre Spuren. mehr

Peter Wollny © picture alliance/dpa Foto: Sebastian Willnow

Peter Wollny forscht zur Musikerdynastie Bach

Der Musikwissenschaftler spricht im Interview über die Vor- und Nachfahren von Johann Sebastian Bach, die fast alle Musiker waren. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 24.01.2024 | 07:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Klassik

This Band is Tocotronic, Cover
Podcast von ARD Kultur, rbb, NDR Kultur © ARD

"This Band is Tocotronic" in der ARD Audiothek

Der Podcast von rbb und NDR erzählt die Geschichte der Band. extern

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Benjamin Hüllenkremer

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Paul Auster während einer Lesung © Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa Foto: Soeren Stache

US-Schriftsteller Paul Auster ist tot

Der Autor der "New-York-Trilogie" starb am Dienstag mit 77 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in New York. mehr