Peter Wollny © picture alliance/dpa Foto: Sebastian Willnow
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AUDIO: Peter Wollny forscht zur Musikerdynastie Bach (8 Min)

Peter Wollny forscht zur Musikerdynastie Bach

Stand: 22.01.2024 10:47 Uhr

Der Musikwissenschaftler Peter Wollny ist seit zehn Jahren Direktor des Bach-Archivs in Leipzig. Im Interview spricht er über die Vor- und Nachfahren von Johann Sebastian Bach, die fast alle Musiker waren.

Herr Wollny, war die Familie Bach denn eine richtige Musikerdynastie?

Peter Wollny: Ja, das kann man durchaus so sagen. Die Bach-Familie lässt sich seit dem späten 16. beziehungsweise frühen 17. Jahrhundert verfolgen, als sie in Thüringen ansässig wurde. Rückblickend hat Johann Sebastian Bach über seine männlichen Vorfahren gesagt, dass alle von denen professionelle Musiker waren, mit vielleicht einer oder zwei Ausnahmen. Wenn es also eine Musikerdynastie gab, dann die Familie Bach.

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Wie viele Musiker waren das insgesamt?

Wollny: Das ist schwer zu sagen. Wenn man das 17. und 18. Jahrhundert bedenkt, zählen wir mindestens 70 Vertreter, die wir uns näher anschauen.

Alles Männer?

Wollny: Ja, wobei uns natürlich auch die weiblichen Familienmitglieder interessieren. Es ist aber viel schwieriger zu denen etwas herauszufinden. Das hängt mit der sozialen Stellung der Frau in dieser Zeit zusammen. Die haben nur sehr wenige Spuren in den Archivalien hinterlassen.

Wer war denn der erste Bach, der nachweislich mit Musik sein Geld verdient hat?

Wollny: Der Stammvater der Familie ist ein gewisser Veit Bach. Er war wohl noch kein professioneller Musiker, aber er hat sehr viel Musik nebenher betrieben. Seine Söhne sind schon in die Musikerberufe eingestiegen. Für uns richtig greifbar werden die Komponisten ab dem frühen 17. Jahrhundert. Johann Bach ist einer der frühesten, die wir so richtig als Musiker, auch als Komponisten greifen können.

Welche Berufe, die mit Musik zu tun haben, übten denn die Vorfahren Bachs aus? Es waren ja nicht alles nur Komponisten, oder?

Wollny: Nein, das waren größtenteils praktische Musiker, und die üblichen Berufe, in den wir die finden, sind Kantoren und Organisten, aber auch Stadtpfeifer.

Was haben Stadtpfeifer gemacht?

Wollny: Die Stadtpfeifer haben viele Instrumente gespielt, also Streichinstrumente, Blasinstrumente. Von Bachs Vater Johann Ambrosius Bach weiß man, dass er Trompeter war. Die Stadtpfeifer in dieser Zeit haben mehrere Instrumente beherrscht und konnten nach Bedarf mal hier und mal da wirken.

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Das alles nahm seinen Anfang in Thüringen. Wo waren die Bachs später geografisch verortet? Da gibt es verschiedene Linien, zum Beispiel die Erfurter Linie.

Wollny: Erfurt ist ein Zentrum der Familie - die Stadtpfeifer-Reihen dort sind bis ins mittlere 18. Jahrhundert hinein im Wesentlichen durch Mitglieder der Bach-Familie geprägt worden. Dann gibt es die Arnstädter-Linie: Hier sind die bedeutenden Komponisten des 17. Jahrhunderts zu finden. Es gibt die fränkische Linie, die in Schweinfurt beheimatet war, später gab es in Meiningen einen eigenen Familienzweig. An den Städtenamen sieht man, dass es zunächst Thüringen und Umgebung ist, und im 18. Jahrhundert breitet sich das aus. Johann Sebastian Bach war als Kapellmeister in Köthen im heutigen Sachsen-Anhalt, später in Leipzig in Sachsen tätig. Seine Söhne sind dann in ganz Europa zu finden: Der jüngste, Johann Christian, geht nach Italien, später nach London. Der älteste, Wilhelm Friedemann, war zunächst in Dresden, dann in Halle tätig, hat aber später Konzertreisen unternommen, die ihn nach London, Wien und Sankt Petersburg geführt haben.

Was sind die Quellen der Forschung zur Familie Bach?

Wollny: Man sucht in den betreffenden Archiven nach biografischen Dokumenten.Wenn jemand Organistin in einer Stadt war, dann hat man eine Akte der Organistenstelle, und da sind entsprechende Bewerbungsschreiben und sonstige Schriftstücke zu finden.

Es gibt ein Forschungsprojekt namens Bach-Repertorium, das im Bach-Archiv angesiedelt ist. Was machen Sie da?

Wollny: Im Bach-Repertorium haben wir uns mit den Komponisten der Musikerfamilie Bach beschäftigt und haben deren Werke in Werkverzeichnissen zusammengetragen. Es gibt als Frucht dieses Projekts Ausgaben von den wichtigen Kompositionen, zum Beispiel die Gesamtausgaben von Carl Philipp Emanuel Bach und Wilhelm Friedemann, von anderen nur eine Auswahl. Im vergangenen Jahr haben wir mit einem Projekt begonnen, das darauf aufbaut: Wir wollen die biografischen Zeugnisse der gesamten Familienmitglieder finden, auswerten und auf einem Web-Portal zugänglich machen.

Wo beziehungsweise mit wem endet die Musikerdynastie Bach?

Wollny: Die Familienmitglieder leben bis heute - die heißen nur nicht mehr Bach, weil das im 19. Jahrhundert nur noch Töchter waren, die geheiratet haben und ihren Namen nicht behalten haben. Der letzte Musiker und Komponist, der den Namen Bach trägt, ist ein Enkel von Johann Sebastian mit dem Namen Friedrich Wilhelm Ernst Bach, der als Musiker in Berlin tätig war.

Das Interview führte Eva Schramm.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 22.01.2024 | 10:20 Uhr

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