Lichtmagier: Fotograf Volkmar Herre stellt auf Rügen aus

Stand: 01.08.2023 08:28 Uhr

Fotograf Volkmar Herre knüpft mit seinen Positionen in einzigartiger Weise an das Werk von Caspar David Friedrich an und findet mit der Camera Obscura zu einer eigenen Naturästhetik. In Putbus ist gerade eine Ausstellung mit seinen Arbeiten zu sehen.

von Juliane Voigt

Caravaggio, Velázquez, da Vinci, Vermeer - sie alle haben Meisterwerke geschaffen. Kaum jemand weiß, dass sie dafür ein Hilfsgerät verwendet haben: die Camera Obscura. Die Wirklichkeit konnte durch ein winziges Loch in einem Kasten seiten- und spiegelverkehrt abgenommen werden. Für den Stralsunder Künstler Volkmar Herre ist die Camera Obscura mehr als nur ein optischer Wunderkasten.

Volkmar Herres Lieblingsmotiv: der Strand und das Meer

Die Natur der Ostseeküste ist seine Muse, sein ewiges treues Fotomodell. Volkmar Herre baut seine Kamera, eigentlich ein Holzkasten mit einem winzigen Loch, am Strand auf. Lange sucht er nach dem richtigen Motiv. Steine am Strand, die sprudelnden Wellen, im Hintergrund die Kreideküste. "Das Loch auf und dann habe ich Zeit. Ich setze mich auf einen Baumstumpf,  kann mein Frühstücksbrot rausholen und essen, oder ich schaue mir die Natur an und schaue um mich. Während dieser Zeit des Ausruhens und des Innehaltens ergibt sich meist schon der Blick auf das nächste Motiv." Mehrere Stunden belichtet so ein Foto.

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Haus mit bunten Schlieren am Himmel. © Volkmar Herre
4 Min

Lichtmagier: Fotograf Volkmar Herre stellt auf Rügen aus

Wenn Volkmar Herre Bilder macht, dauert das gerne mal ein Jahr und länger. Möglich macht das die Camera Obscura. Das Ergebnis fasziniert. 4 Min

Die Fotos des Künstlers brauchen viel Zeit

Selfies knipsen, Fotos schießen, das alles passt so gar nicht zu Volkmar Herre. Seine Fotografien sind mit Zeit aufgeladen. "Die Bilder fangen an zu atmen. Sie werden poetisch, weich und endlos, denn das Licht wandert. Da gibt es keinen direkten Schatten. Die Bilder strahlen und sind mystisch. Das ist das, was eine ganz neue Faszination hervorgebracht hat und über Jahrzehnte bis heute angehalten hat."

Hommage in Putbus zu sehen

Seit 60 Jahren fotografiert Volkmar Herre. In der Putbuser Orangerie, der Galerie der Kunststiftung Rügen, ist jetzt eine Hommage zu sehen. Die Räume zeigen die Transformationen seines künstlerischen Schaffens. Angefangen 1959 - da war er zum ersten Mal auf der Insel Rügen. Zu sehen sind Fotos von geduckten Katen, Charakterporträts von Mönchguter Fischern, Moränenlandschaften. "Da begann meine starke Hinwendung zur Natur, das war während meiner Studienzeit in Leipzig, an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Mein Fotografiestudium war von 1963 bis 1968. Es gab verschiedene Themen als Aufgaben und als ich dann mit diesen Landschafts- oder Naturbildern kam, hatte ich dort meinen Ruf als Natur- oder Landschaftsfotograf weg."

Volkmar Herre begann 1997 mit Camera Obscura zu fotografieren

Eine Fotografie zeigt einen Ozean. © RAW Photofestival Worpswede/Volkmar Herre Foto: Volkmar Herre
Eine Fotografie zeigt einen Ozean.

Schließlich zog es den Sachsen ganz an die Ostsee. Seit mehr als 30 Jahren lebt er in Stralsund. Und brachte mit Büchern und Jahreskalendern im Eigenverlag Klassiker heraus. 1997 begann er auf der Insel Vilm zum ersten Mal mit der Camera Obscura zu fotografieren. "Das heißt, ein Kasten, linsenlos, nur ein winziges Loch. Ich war von dem ersten Ergebnis so geplättet, dass ich gespürt habe, hier beginnt eine völlig neue Arbeitsweise, Sichtweise und Umgehensweise."

"Das Konkrete wird aufgehoben"

Zu sehen sind diese frühen Arbeiten in der Putbuser Orangerie in einem der oberen Räume. Kleine Formate, wie Traumsequenzen, wabernde Nebel, das Wasser geleeartig zwischen den Steinen. "Das Konkrete wird aufgehoben. Wenn es zehn Minuten Belichtungen sind, dann vermengt sich alles und wird zu etwas Neuem. Es gibt überall eine Transformation. Es sind eigentlich keine Bilder, die wir sehen können, sondern es ist immer ein geheimnisvolles Bild, was daraus entsteht."

Belichtung der Bilder dauert ein Jahr und länger

Eine Langzeitbelichtung eines Gartens auf Rügen über die Jahreszeiten mit einer Skulptur © NDR / Volkmar Herre
Eine Langzeitbelichtung eines Gartens auf Rügen über die Jahreszeiten mit einer Skulptur.

Heute wartet er nicht mehr neben seiner Kamera und isst Butterbrote. Denn die Herrografien, wie er sie nennt, weil es seine Technik ist, belichten ein Jahr und länger. Diese Fotografien sind so unglaublich farbig wie spätimpressionistische Malerei. Strahlende Lichtbögen liegen über der weiten Landschaft. "Die Sonne ist so intensiv, sofort augenblicklich hinterlässt sie einen Bildpunkt auf dem Papier. Punkt an Punkt ist eine Linie und so stellt sich die Sonne an einem Tag dar. Am nächsten Tag ist der Sonnenlauf Richtung Sommer immer etwas höher und im Winter, nach der Tag- und Nachtgleiche, geht es bergab. So ist es eine Autobiografie der Sonne."

Seine Kameras sind kleine Blechbüchsen mit mikrokleinen Belichtungslöchern, durch die Licht eingefangen wird. Aber auch Zeit. Es sind Fotografien als Zeitkonserven. "Es ist wie ein Lebensmotor für mich, dass ich in Spannung gehalten werde und dass mein eigener Lebenssaft nicht ausgeht. Bisher ist es gelungen und wenn es immer neue Projekte gibt, ist das ein ewiger Kreislauf. Natürlich muss ich mich auch den Dingen beugen, die die Natur alleine mit mir macht." Viele Kameras hängen versteckt inmitten der Natur, seine Bilder entstehen gerade jetzt, an jedem Tag ein bisschen mehr. Bis er sie herausholt und der Welt zeigt. Am 1. August wird Volkmar Herre 80 Jahre alt.

Lichtmagier: Fotograf Volkmar Herre stellt auf Rügen aus

Wenn Volkmar Herre Bilder macht, dauert das gerne mal ein Jahr und länger. Möglich macht das die Camera Obscura. Das Ergebnis fasziniert.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Orangerie Putbus
Alleestr 35
18581 Putbus
Telefon:
038301 889797
E-Mail:
info@kulturstiftung-ruegen.de
Öffnungszeiten:
November bis April:
Mi. - Sa. 11 bis 16 Uhr
So.          13 bis 16 Uhr

Mai bis Oktober :       
Mi - So. 10 -17 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 28.07.2023 | 07:40 Uhr

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