Welterbestätte und Solardächer, passt das?
Stralsund und Wismar sind seit genau 20 Jahren UNESCO-Welterbe. Heißt das nun, es muss alles so bleiben, wie es war? Dürfen beispielsweise an den Häusern der Wismarer Altstadt Solaranlagen angebracht werden?
Rosemarie Wilcken war 20 Jahre lang Bürgermeisterin von Wismar bis 2010 und gehörte bis zu diesem Sommer dem Rat der Deutschen Stiftung Denkmalschutz an. Die Sanierung der Altstadt von Wismar, nicht zuletzt der Wiederaufbau der St. Georgen Kirche, war der SPD-Politikerin eine Herzensangelegenheit: "Das Wichtigste bei einem Denkmal ist, dass es eine Nutzung gibt, denn die Nutzung ist die Voraussetzung für den Erhalt eines Denkmals. Denkmalschutz ist keine Ideologie."
So kann sich Wilcken durchaus auch in Wismar Solaranlagen in der Altstadt vorstellen: "Die Bestückung von Fassaden oder von Häusern mit Solaranlagen steht nicht dem Welterbe-Gedanken entgegen - dass ist meine Meinung. Ich habe irgendwann auch mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz Produktionsstätten von Solaranlagen besucht und weiß, dass es aufwendig ist und etwas teurer, aber dass man diese auf den Gebäuden anpassen kann."
Modernisierung muss mit neuester Technik möglich sein
Ähnlich sieht es der Wismarer Welterbe-Manager Nobert Huschner: "Die Altstädte werden und können sich sicher auch nicht dem entsprechenden Modernisierungsschritt entgegenstellen." Allerdings hebt er zugleich hervor: "Wir haben eine Welterbekonvention. Diese Welterbekonvention von 1972 hat als Grundlage das bestimmte Monumente der Menschheit nicht allein dem Staat gehören, wo sie stehen, sondern der gesamten Menschheit - also über dem Denkmalstatus. Noch darüber hinaus sind wir UNESCO Welterbe und gehören so zu einem weltweit geschützten Bereich."
Norbert Huschner argumentiert auch mit Zahlen: 1995 hatte die Wismarer Altstadt 5.000 Einwohner. Heute leben hier mehr als 7.500 Menschen. Von den 1.755 Gebäuden sind nur noch 90 nicht saniert. Wismar ist offenbar attraktiv und wer heute ein altes Haus modernisiert, darf und sollte das mit neuester Technik dürfen. Der Welterbe-Manager sagt, Solartechnik ja, aber: "Sonnenkollektoren implizieren ja im Augenblick: Dort sind irgendwelche Platten ein mal zwei Meter, die man an bestimmten Stellen auf das Dach aufbringen kann. Es gibt heute sowohl in Deutschland als auch international mehrere Beispiele, das zum Beispiel die Dachschindeln heute als Sonnenkollektoren in der Oberfläche ausgebildet werden."
Jedes Gebäude einzeln betrachten
Auch bei der Deutschen UNESCO-Kommission sind sich die Experten einig, beim Denkmalschutz gerade mit Blick auf den Klimawandel und erneuerbaren Energien muss neu gedacht werden. Lutz Möller ist stellvertretender Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission: "Wir wissen, das schon einige Welterbestätten weltweit gegeben hat, die in sehr kluger Art und Weise unsichtbar und zurückgenommen zum Beispiel Photovoltaik aufs Dach gesetzt haben, so z.B. in Edinburgh, in Schottland. Das ist auch ein Fall, dass die internationale Denkmalschutzbehörde, die die UNESCO dabei berät, bei solchen Fragen auch als gutes Praxisbeispiel hervorgehoben hat."
Lutz Möller verweist darauf, dass jede Welterbestätte, jedes Gebäude einzeln betrachtet werden muss. Ein universelles Rezept gebe es nicht. Allerdings glaubt der Experte, dass in zehn Jahren die Welterbestätten etwas anders aussehen werden als heute: "Was ich mir wünschen würde ist, dass ein paar Welterbestätte hier auch einen wirklich spannenden, innovativen Beitrag geleistet haben und eine richtig gute Denkmalschutz-Verträglichkeit hinzubekommen. Denn auch die Welterbestätten können sich natürlich nicht vor ihrer Verantwortung drücken."