Lichthof Theater: Wie sieht jüdisches Leben in Hamburg aus?

Stand: 15.06.2023 23:00 Uhr

Das Stück "Juden Juden Juden" hat im Lichthoft Theater Premiere gefeiert. Gespielt von Hamburger Jüdinnen und Juden wird in verschiedenen Erzählsträngen jüdisches Leben erlebbar gemacht.

Ein Schauspieler mit Dornenkrone spricht zu anderen Schauspieler*innen. © Screenshot
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von Peter Helling

Das Lichthof Theater in Bahrenfeld hat viel Preise gewonnen, zeigt schräges, hippes, modernes freies Theater - und einmal im Jahr ein Stück der Bürger*innenbühne. Dabei werden ganz normale Hamburger und Hamburgerinnen unter professioneller Regie zu einem Theaterensemble. Diesmal geht es um das jüdische Leben in Hamburg. Das Besondere: Das Stück wird eingerahmt von einem Festival mit jüdischer Musik.

Hallo und schönen guten Tag, heute beginnen wir mit unserer Back-Show: Challah! Der jüdische Hefezopf zu Schabbes, es gibt genauso viele Challah-Rezepte wie es jüdische Frauen gibt. Einstieg ins Stück "Juden Juden Juden"

Anne Gahlenbeck und ihre Mitspielerin Nieli kneten einen Hefeteig, mitten auf der Bühne, dann sprechen sie ein Gebet. Eine Alltagsszene, wie sie in vielen jüdischen Haushalten am Freitag vor dem Schabbat stattfindet. Anne stammt aus einer alteingesessenen deutsch-jüdischen Familie. Judentum bedeutet ihr alles: "Glück, Freiheit, Schönheit, Lebendigkeit, ein Ort, wo ich zu Hause bin, weil ich woanders nie ganz dazugehöre. Ich bin zu laut, bin zu bunt, wir sind zu viel, und da sind viele oder fast alle so: Wir sind wie eine Familie!"

Jüdische Menschen aus unterschiedlichen Kontexten erzählen ihre Geschichte

13 jüdische Hamburger und Hamburgerinnen stehen hier im Rampenlicht, mit einer eigenen Geschichte - wie Benjamin-Lew Klon - er setzt ein merkwürdig-gewundenes Instrument an die Lippen. "Das ist ein Schofar, ein jüdisches Instrument, ein Widderhorn", erklärt er. "Der wird bei ganz tollen Anlässen im Judentum geblasen - es symbolisiert diese uralte Religion."

Regisseur Ron Zimmering rennt bei den Proben immer wieder auf die Bühne, gibt seine Anweisungen. "Wir haben jüdische Menschen unterschiedlichen Kontextes zusammengebracht und in den Workshops gefragt: Was sind eure Themen?", erklärt er, wie die einzelnen Geschichten zustande kamen.

Energiegeladene Proben

Diskriminierung, Lebenslust, Zweifel: Vor einem silbern glänzenden Vorhang sitzen sie alle an einem langen Tisch, Sekt wird entkorkt, dann rennen sie wie verrückt durch den Raum. So lebendig und energiegeladen ist die Probe. Eli Kappo, ein Transmann, wird hier zum Conférencier:

"Einen schönen guten Abend, mein Name ist Eli und ich bin Biologe. Ich befasse mich heute mit der Frage: Gibt es so etwas wie das jüdische Gen?" Eli in "Juden Juden Juden"

"Ich finde es super, mit anderen jüdischen Menschen zusammenzuarbeiten, die in einem vollkommen anderen Alter sind, eine andere Lebensgeschichte hatten und die außer dem Jüdisch-Sein nichts gemeinsam haben", sagt Eli über die Arbeit an dem Stück.

Antisemitische Klischees werden kritisch hinterfragt

In einer Art Catwalk kommen die Darsteller und Darstellerinnen einzeln vom Tisch nach vorne, machen direkt vor den Zuschauerstühlen eine Geste: eine kokette Drehung, eine Machopose, berühren ihre Nase. Auch antisemitische Klischees werden hier kritisch hinterfragt. "Wir hatten aber keine Lust, in diesem Stück die ganze Zeit diese Opferrolle zu zeigen und den Antisemitismus zu beschreiben", sagt Ron Zimmering. "Sondern gucken, wie man das auch anders denken kann."

Benjamin-Lew Klon steht in der Mitte der Bühne, dreht sich wie ein alter Prophet im Kreis, die anderen schreiten um ihn herum. Ernste Szenen wechseln sich hier mit Alltagssituationen ab, Bedrohliches mit Ironischem. Ob tiefreligiös, ob weltlich oder einfach mit Lust am Theaterspiel - wie bei Anne Gahlenbeck:

Sichtbarkeit schaffen

"Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir sichtbar werden, ich hätte das früher nicht gemacht, aber jetzt, muss ich sagen, sollen es die Leute sehen: 'Mensch, die ist ganz normal, das ist ja meine Hausärztin - die, wo ich immer hingehe! Das ist also ein Jude.'" Und Eli Kappo sagt: "Am Ende ist es mehr als eben nur eine genetische oder religiöse Zugehörigkeit oder auch kulturelle, es ist einfach das, was wir draus machen. Wir sind einfach, wie das Leben halt so ist: bunt und unterschiedlich." 

Lichthof Theater: Wie sieht jüdisches Leben in Hamburg aus?

Das Stück "Juden Juden Juden", gespielt von Hamburger Jüdinnen und Juden, hat im Lichthoft Theater Premiere gefeiert.

Art:
Bühne
Datum:
Ende:
Ort:
LICHTHOF Theater
Mendelssohnstraße 15 B
22761 Hamburg
Preis:
8 bis 24 Euro
Anmeldung:
http://www.lichthof-theater.de/kartenreservierung.html
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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal | 14.06.2023 | 19:00 Uhr

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