Frankenstein in einer modernen und abstrakten Inszenierung

Stand: 14.02.2023 13:23 Uhr

Am Wochenende hat das Theater Lübeck Premiere der Neuinszenierung von Frankenstein gefeiert. Mit einem Monster und der klassischen Dramaturgie des Textes von Mary Shelley hat das Stück aber wenig gemeinsam.

von Doreen Pelz

Vielen im Saal wird schnell klar - dass wird kein klassischer Frankenstein. Nach dem Monolog eines Roboters erklingt Roger Whittakers Albany und fünf Frauen in Astronautin-, Elch- und Hausfrauen-Kostüm tanzen mit Partyhüten auf dem Kopf, während sie eine blaue Flüssigkeit in Plastikgehirne spritzen. Sie stellen sich als die Frankensteins vor, die offenbar auf der Suche nach einer neuen Wohnung sind.

Doch wo die Reise hingeht, wird den meisten im Publikum erst einmal nicht klar. Zwar geht es samt der Bühne einmal in den Keller. Doch dort ist kein Labor oder ähnliches zu finden. Stattdessen taucht Schauspielerin Lucia Peraza Rios im Publikum auf, versucht zu interagieren und steigt über mehrere Sitzreihen. Vor allem die älteren Gäste im Saal fremdeln mit dieser Art der Inszenierung, von Anderen gibt es Zwischenapplaus.

Drei Frauen stehen nebeneinander auf einer Theaterbühne. Über ihnen schwebt ein weißes Tuch. © Sinje Hasheider Foto: Sinje Hasheider
AUDIO: Frankenstein in einer modernen und abstrakten Inszenierung (3 Min)

Themen des Stücks: Feminismus, sexualisierte Gewalt, geschlechtliche Orientierung

Denn es sind auch die jungen Themen, die in der Frankenstein Inszenierung angesprochen werden: Feminismus, sexualisierte Gewalt, geschlechtliche Orientierung im Rausch der immer technischer werdenden Welt. Jede der fünf Schauspielerinnen spricht in einem Monolog über eines dieser Themen. Mit viel Körpereinsatz, einer sich ständig verschiebenden Bühne und allem Licht, was das große Haus zu bieten hat. Das Publikum wird geblendet und akustisch auf Spannung gehalten. Immer wieder blitzen originale Textpassagen von Mary Shellys Frankenstein auf. Dennoch sieht jeder einzelne ein anderes Stück - eine durchgängige Handlung fehlt. Lucia Peraza Rios beschreibt es so: "Die Zusammenhänge, die es in dir auslöst, ergeben eigentlich das Stück und nicht das, was wir dort machen. Das Stück entsteht quasi in dir."

Beim Publikum kommt das sehr unterschiedlich an, die einen stehen minutenlang an ihren Plätzen und applaudieren, die anderen verlassen etwas ratlos den Saal.

Weitere Informationen
Andrea Stadel (Susanna), Florian Götz (Figaro); im Hintergrund: Virginia Felicitas Ferentschik (Marcellina), Rúni Brattaberg (Bartolo). © Olaf Malzahn.

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Frankenstein in einer modernen und abstrakten Inszenierung

Ein typischer Frankenstein ist die Inszenierung nicht - es stehen nur Schauspielerinnen auf der Bühne, ihre Kostüme sind schrill und extravagant.

Art:
Bühne
Datum:
Ort:
Theater Lübeck
Beckergrube 16
23552 Lübeck
Telefon:
0451-399600
E-Mail:
kasse@theaterluebeck.de
Öffnungszeiten:
Di - Fr 10.00 - 18.30 Uhr
Sa 10.00 - 13.00 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Moin! Schleswig-Holstein – Von Binnenland und Waterkant | 13.02.2023 | 19:10 Uhr

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Theater

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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