Carsten Brosda sieht schrägt nach oben © picture alliance/dpa | Gregor Fischer Foto: Gregor Fischer
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AUDIO: "Mehr Zuversicht wagen": Mit Springsteen gegen die Sinnkrise  (4 Min)

"Mehr Zuversicht wagen": Carsten Brosda plädiert für "mehr Springsteen"

Stand: 08.09.2023 13:09 Uhr

In seinem neuen Buch "Mehr Zuversicht wagen" macht sich der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda für neue Narrative in der Politik stark.

von Daniel Kaiser

Ein bisschen mehr Springsteen wagen: Das wünscht sich Carsten Brosda. Ein Schlüsselmoment ist für ihn, als im Januar 2021 - am Vorabend der Amtseinführung Joe Bidens - der Rockstar mit dem Händchen für das Leben der 'kleinen Leute' im Wintermantel und mit akustischer Gitarre auf den Stufen des Lincoln Memorial in Washington steht. "Es war einer dieser Momente, wie sie bei uns leider noch immer undenkbar sind, in denen sich die Populärkultur mit der Politik verbündet, um sich gemeinsam in den Dienst einer guten Sache zu stellen", schreibt Brosda.

Im Bällebad der Popkultur 

Was können Politik und Gesellschaft davon lernen? Warum bringt ein Bruce-Springsteen-Song im Zweifel mehr als die Lektüre des SPD Parteiprogramms? Brosda, der als einer der Denker und Vordenker in der Politik und in seiner Partei gilt, geht in seinem Buch auf Spurensuche. Er wird fündig bei Aretha Franklin und den Blues Brothers, bei Blumfeld, Tocotronic, Danger Dan, bei dem Rap-Musical "Hamilton" und dem Film "Nomadland".

Brosda bewegt sich wie ein Fisch im Wasser im Bällebad der Popkultur. Man fühlt sich beim Lesen wie beim Betrachten des "Sergeant Pepper"-Albums der Beatles. Er sampelt und jongliert mit Riffs und Refrains aus Musik, Literatur und Filmen und fragt: Wie erzählen und singen diese Leute von Gerechtigkeit und von Freiheit? Was kann sich die Politik davon abschauen?

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Die richtige Story 

Denn - das ist Brosdas These - unsere Gesellschaft brauche mehr als nur eine pragmatische Politik, sondern auch kraftvolle, mitreißende Narrative, um Menschen zu erreichen, und eine gute Dosis gesellschaftliche Utopien. "Storys sollen die Analyse nicht ersetzen", schreibt Brosda. "Dann wären sie bloße Propaganda, faule PR anstelle harter politischer Arbeit." Aber Geschichten könnten politische Veränderungen möglich machen.

Brosda setzt beispielsweise auch in der Klimadebatte auf konstruktive Narrative. Es sei wichtig, Angstszenarien zu vermeiden: "Es wäre höchst unvernünftig, jetzt einfach davon auszugehen, dass alles verloren ist. Denn das wird garantiert zur selbst erfüllenden Prophezeiung", schreibt Brosda. 

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Entspannte Flughöhe 

Das Besondere ist, dass Brosda dieses Storytelling auch in seinem Buch umsetzt. Standen seine bisherigen Veröffentlichungen für eine manchmal akrobatische intellektuelle Flughöhe, liest sich das neue Buch sehr normalsterblichenfreundlich. Brosda montiert eben nicht nur Thesen - nach dem Motto: "Sloterdijk hier und Habermas dort" - sondern er erzählt aus seinem Leben, seine eigene Geschichte.

Er berichtet witzig, selbstironisch und immer wieder anrührend von seiner Familie und seinem Werdegang: wie er im Ruhrgebiet in Gelsenkirchen, damals noch komplett in SPD-Hand, aufwuchs, wie er beim Schüleraustausch in den USA bei einer Redneck-Familie landet und in der Schule seine Referate über das deutsche Sozialsystem verrissen werden, wie er beim Wahlsieg von Gerhard Schröder mit Diabetes-Diagnose im Krankenhaus liegt und wie während seiner Zeit als Redenschreiber für Franz Müntefering der damalige SPD-Chef praktisch keinen Satz, den Brosda aufschreibt, benutzt.

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Neue Songs für die SPD 

Letztlich kommt Brosda dann natürlich vom kleinen Privaten aufs große Ganze. Er macht seiner Partei, der SPD, Mut, nicht nur im Rückspiegel ihre übergroße Geschichte zu feiern, sondern neue Erzählungen und auch neuere Songs zu finden als die Bergarbeiterlieder auf SPD-Parteitagen. Brosda schreibt seiner SPD mit großen Buchstaben ins Parteibuch, dass junge Leute, die sich engagieren wollen, nicht sonderlich große Lust haben, sich erst im Parteiapparat hochzudienen.

Das liest sich interessant, aufrüttelnd und Mut machend. Herausgekommen ist eine kleine Kulturgeschichte der SPD, eine kleine Biografie von Carsten Brosda, sehr viel kluge gesellschaftliche Analyse und ganz viel Popkultur. Der Titel "Mehr Zuversicht wagen" erinnert zwar stark an ein Kirchentagsmotto, aber ein bisschen Pathos darf es bei dem Thema durchaus sein.

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Mehr Zuversicht wagen

von Carsten Brosda
Seitenzahl:
352 Seiten
Genre:
Sachbuch
Verlag:
Hoffmann und Campe
Veröffentlichungsdatum:
4. September 2023
Bestellnummer:
978-3-455-01633-8
Preis:
19,99 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Kulturjournal | 08.09.2023 | 19:45 Uhr

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